Anglizismus
Mit dem Begriff Anglizismus werden Wörter, Formulierungen oder Satzkonstruktionen bezeichnet, die aus dem Englischen ins Deutsche übernommen wurden.
Formen
- Barbarisierung: Übernahme englischer Lexeme, die zum Teil an das deutsche Wortbildungssystem angepasst werden (downloaden, ich habe downgeloadet / gedownloadet). Die Aneignung fremdsprachlicher Elemente wird von vielen Sprachschützern als unangenehm empfunden. Allerdings sind viele Bereiche im privaten und beruflichen Leben auf eine unmissverständliche Terminologie angewiesen: Der Hubschrauber hovert über der Unfallstelle, der Pilot lässt ihn hovern. Das Makefile hat die Aufgabe, zu maken, und der Linker, zu linken. Das Canceln von Spam im Usenet würde bei falscher Eindeutschung als „löschen“ evtl. zur Straftat.
- Anglismus: Lehnübersetzungen wie Sinn machen für Sinn ergeben oder am Ende des Tages für letzten Endes aus der englischen Sprache.
- Sprachschöpfungen innerhalb der deutschen Sprachgemeinschaft mit englischem Klang wie Handy, Talkmaster, Service Point – so genannte Scheinanglizismen
- Benutzung der englischen statt deutschen Transkription aus nichtlateinischen Schriften, z. B. der kyrillischen oder der arabischen Schrift, in deutschsprachigen Schriftstücken – der Sinn der Transkription geht damit verloren, dies gilt insbesondere für Zischlaute und lange Vokale
Eine eindeutige Abgrenzung zu englischen Fremdwörtern gibt es nicht. Wissenschaftliche und technische Fachausdrücke werden in der Regel nicht als Anglizismen bezeichnet und verlieren beim Versuch, sie durch deutsche Begriffe zu ersetzen, oft ihre Eindeutigkeit, indem sie entweder zum Synonym werden (Beispiel: array = „Feld“, field = „Feld“) oder ohne Zusätze zum Homonym (Beispiel: heading = „Kurs“, course = „Kurs“, beides nicht dasselbe, sondern um den Driftwinkel unterschiedlich). In diesen Bereichen können Anglizismen als Bereicherung der deutschen Sprache verstanden werden.
Umgekehrt gibt es auch mehrdeutige Anglizismen, die in Teilen der Sprechergemeinschaft eindeutige deutsche Begriffe ersetzen, so dass die Präzision im Ausdruck verloren geht, z. B. Ticket statt „Strafmandat“, „Strafzettel“, „Eintrittskarte“, „Fahrkarte“, „Fahrschein“ oder „Flugschein“. In solchen Fällen können Anglizismen als Verarmung der deutschen Sprache verstanden werden.
Bemerkenswert sind als Sonderfall Begriffe, die falsch werden, wenn man sie nicht ins Deutsche übersetzt (z. B. weil der englische Begriff im Deutschen bereits eine abweichende Bedeutung hat): the design, bezogen auf ein technisches System (Maschine, Schiff, elektronische Schaltung, Software) bedeutet „der Entwurf“ (durch einen Ingenieur) und nicht etwa „das Design“ (durch einen Designer) (vgl. Faux ami).
Solche Eigenheiten haben trotz aller (selbst umstrittenen) Bemühungen um Sprachreinheit Einzug in die Alltagssprache gehalten. Das Wort Anglizismus wird hier vor allem dann gebraucht, wenn es sich um Wörter handelt, die noch als fremd wahrgenommen werden, unter anderem deshalb, weil es als anstrengend empfunden wird, fremde Begriffe authentisch auszusprechen oder zu verstehen.
Gerade das Deutsche und das Niederländische haben zudem die Eigenart, völlig neue englisch klingende Wörter zu erfinden – eine Eigenart, die auch in Japan verbreitet ist und vom im Pazifikraum verbreiteten Pidgin-Englisch abzugrenzen ist.
Wörter, die nur im Deutschen vorkommen, jedoch englisch wirken, werden „Scheinanglizismen“ oder „Pseudoanglizismen“ genannt (s.o.).
Satirisches Zitat
Aus dem „Spiegel“: Beim Wort „Sonnabend“ handelt es sich um einen Anglizismus! Um einen sehr, sehr alten Anglizismus. Den „Sonnabend“ verdanken wir nämlich einem englischen Missionar namens Bonifatius, der von 672 bis 754 gelebt hat und der, statt auf seiner Insel zu bleiben, aufs Festland übersetzte, um die Germanen in Friesland, Hessen, Thüringen und Bayern zum Christentum zu bekehren. Er brachte das altenglische Wort ‚sunnanaefen‘ mit, das anfangs den Abend, bald aber schon den ganzen Tag vor dem ‚sunnandaeg‘ (Sonntag) bezeichnete. Möglicherweise hatten Bonifatius oder seine Nachfolger die gezielte Absicht, den jüdischen Sabbat aus dem Wochenkalender zu streichen und durch ein „christliches“ Wort zu ersetzen. Jedenfalls fand der „Sonnabend“ Verbreitung, und zwar hauptsächlich im norddeutschen und im mitteldeutschen Raum. – Quelle: spiegel.de
Liste von Anglizismen
Anglizismus | Bedeutung |
„Recycling“ | Wiederverwendung, Wiederverwertung (seltener verwendet: „Rezyklierung“) |
„Meeting“ | Besprechung |
„Team“ | Gruppe, Kollektiv, Arbeitsgemeinschaft |
„Tape“ | Tonband(-kassette), Klebeband (insbes. als Verbandsmaterial) |
„Party“ | Fest |
„Kid(s)“ | Kinder (meist nur im Plural gebräuchlich) |
„Bodyguard“ | Leibwächter (hier ist der Anglizismus dabei, das deutsche Wort zu verdrängen) |
„Drink“ | Getränk |
„Ticket“ | Eintrittskarte, Fahrkarte, Flugschein, Strafzettel |
„Xmas“ (Abkürzung von „Christmas“) | Weihnachten |
„shoppen“ | einkaufen (von „shopping“) |
„Sorry!“ | „Entschuldigung!“ |
„Westbank“ | Westjordanland |
„cool“ | unklar definierter jugendsprachlicher Begriff, laut DUDEN-Herkunsftwörterbuch für eine Person, die als „ruhig, überlegen, kaltschnäuzig“ bezeichnet werden soll |
„Sinn machen“ | Sinn ergeben, sinnvoll sein (von „to make sense“) |
„einmal mehr“ | noch einmal, erneut, wieder, zum wiederholten Male (von „once more“) |
„in 2003“ | 2003, im Jahre 2003 |
„am Ende des Tages“ | letzten Endes (von „at the end of the day“) |
„etwas kommunizieren“ | etwas mitteilen (von „to communicate something“; im Deutschen wird „kommunizieren“ nur intransitiv verwendet) |
„selektieren“ | (eines) auswählen (von „to select“; dt. „selektieren“ heißt, viele Objekte zu sortieren: ein Iterativum) |
„Das ist (nicht) der Punkt!“ | „Darum geht es (nicht)!“ (von „That is (not) the point!“) |
„wieder und wieder“ | immer wieder (von „again and again“) |
„ich denke ...“ | ich meine, ich bin der Ansicht (von „I think ...“) |
„auf der sicheren Seite sein“ | auf Nummer sicher gehen (von „to be on the safe side“) |
„nicht wirklich“ | „eigentlich nicht“ (von „not really“) |
„DNA“ | DNS (Verwendung der englischen anstelle der deutschen Abkürzung für „Desoxyribonukleinsäure“) |
„Mittlerer Osten“ | Naher Osten (von „Middle East“, siehe Naher Osten) |
| „mehr und mehr“ || immer mehr (von „more and more“) |}
Siehe auch
- Ausführliche Liste von Anglizismen
- Denglisch, Scheinanglizismus
- Lehnwort, Lehnübertragung, Lehnübersetzung
- Loi Toubon
Literatur
- Csaba Földes, „Deutsch und Englisch: Ein Sprachnotstand? Befunde und Anmerkungen“, in: Rudolf Hoberg (Hrsg.), Deutsch – Englisch – Europäisch. Impulse für eine neue Sprachpolitik, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag 2002, S. 341–367
- Dieter E. Zimmer, „Neuanglodeutsch“, in: Ders., Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber, Hamburg 1998, S. 7–104 ISBN 3-499-60525-2
Weblinks
- Umfangreiche Anglizismenliste (Verein Deutsche Sprache)
- W.P. Klein - Fehlende Sprachloyalität? Tatsachen und Anmerkungen zur jüngsten Entwicklung des öffentlichen Sprachbewusstseins in Deutschland (Linguistik online 9, 2/01)