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Massaker von Nemmersdorf

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Karte von Ostpreußen, mit Nemmersdorf südwestlich von Gumbinnen

Dem Massaker von Nemmersdorf fielen mindestens 23 Zivilisten zum Opfer, die im ostpreußischen Ort Nemmersdorf tot aufgefunden wurden, nachdem der Ort von der Roten Armee am 21. Oktober 1944 vorübergehend erobert worden war. Sie wurden wahrscheinlich von deren Soldaten umgebracht, die genauen Umstände ihres Todes sind bis heute jedoch ungeklärt. Das Ereignis wurde von der nationalsozialistischen Führung Deutschlands propagandistisch ausgenutzt.

Hergang

Am Morgen des 21. Oktobers gegen 7:30 Uhr erreichten sowjetische Panzer des 2. Bataillons der 25. Gardepanzerbrigade aus Richtung Gumbinnen kommend die Brücke[1] über die Angerapp in Nemmersdorf. Aufgrund der heftigen deutschen Gegenwehr zog sich die sowjetische Einheit nach einigen Stunden zurück. Nach Augenzeugenberichten war Nemmersdorf bereits um 11:00 Uhr des 21. Oktobers wieder in deutscher Hand. Offiziell erfolgte die Rückeroberung des Ortes durch Teile der deutschen 5. Panzerdivision am 23. Oktober 1944.

Propagandistische Instrumentalisierung

Das Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels erkannte die Bedeutung der Nemmersdorfer Vorfälle für eine propagandistische Auswertung, nachdem Himmlers Leibarzt, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS Karl Gebhardt, und Mitarbeiter der Gaupropaganda den Tatort besichtigt hatten. Durch diese sollte in der ostdeutschen Bevölkerung die Angst und damit die Widerstandskraft gegen die Rote Armee gesteigert werden. Dementsprechend wurden einige Tage nach der Rückeroberung die aufgefundenen Toten der Presse vorgeführt. Nach Aussage von Wilfred von Oven, damals Referent des Propagandaministers „wurde praktisch in jeder Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass die Presse sich intensiv damit beschäftigen und nicht an Details sparen soll. Goebbels hat sozusagen die freie Verfügung gegeben, die tatsächlichen Gräuel, die ohne Zweifel passiert sind, noch ein bisschen doller zu gestalten.“[2] Die daraufhin veröffentlichten Berichte sprachen von Massenexekutionen, Massenvergewaltigungen und Kreuzigungen junger Frauen an Scheunentoren.

Forschungsstand

Bernhard Fischs Nachforschungen zu Folge kamen in Nemmersdorf zwischen 23 bis 26 Zivilisten ums Leben.[3] Andere Schätzungen gehen von etwa 65 Opfern aus.[4] Aussagen von Augenzeugen, welche nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen wurden, zeichnen jedoch ein anderes Bild der Ereignisse. So sagte Helmut Hoffmann, damals Soldat und als einer der ersten vor Ort, aus, dass die deutsche Propaganda nachgeholfen habe: „Wenn da geschrieben wurde, es sind Frauen gekreuzigt oder angenagelt worden – das ist ungeheurer Blödsinn. Es ist auch keine Frau vergewaltigt worden. So wie sie dalagen, als sie von den Kameras aufgenommen wurden – das hat man nachträglich gemacht. Man hat die Kleider hochgezogen und auch runtergezogen.“[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. www.landkartenarchiv.de: SHELL-Straßenkarte Nr.5 Ostpreussen – Memelland – 1:470.000 (1938)
  2. a b zdf.de: Die Wahrheit über Nemmersdorf, Datum 25.11.2001
  3. Bernard Fisch: Nemmersdorf, Oktober 1944. Was in Ostpreußen tatsächlich geschah. edition ost, Berlin 1997, ISBN 3-932180-26-7.
  4. Manfred Zeidler, Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Ostpreußen, Westpreußen, Danzig dem Warthegau und Hinterpommern, in: Arno Surminski (Mitarbeiter), Flucht und Vertreibung. Europa zwischen 1939 und 1948. Hamburg 2004, S. 66–99, S. 68f.

Literatur

  • Bernhard Fisch: Nemmersdorf, Oktober 1944. Was in Ostpreußen tatsächlich geschah. Mit einem Nachwort von Ralph Giordano und einem Vorwort von Wolfgang Wünsche, edition ost, Berlin 1997. ISBN 3-932180-26-7
  • Bernhard Fisch: Nemmersdorf 1944 – nach wie vor ungeklärt, in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-232-0, S. 155–167


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