Agnes Bernauer

Agnes Bernauer (* um 1410 wohl in Augsburg; † 12. Oktober 1435 bei Straubing) war die Geliebte und vermutlich die erste Ehefrau des bayerischen Herzogs Albrecht III. Durch diese nicht standesgemäße Verbindung kam es zum Konflikt mit Albrechts Vater Ernst, der Agnes Bernauer 1435 in der Donau ertränken ließ. Ihr Leben und Sterben wurde in zahlreichen literarischen Werken verarbeitet.
Leben
Agnes Bernauer wurde wohl um 1410 geboren. Sie gilt traditionell als Tochter des Augsburger Baders Kaspar Bernauer, dessen Existenz jedoch bisher nicht nachgewiesen werden konnte.[1] Da der bayerische Herzogssohn Albrecht III. im Februar 1428 in Augsburg an einem Turnier teilnahm,[2] wird allgemein angenommen, dass er Agnes bei dieser Gelegenheit kennen lernte und kurz darauf zu sich nach München holte.[3] In einer auf 1428 datierten Münchener Steuerliste wird bereits eine pernawin als Mitglied seines Hofstaats genannt, bei der es sich wahrscheinlich um Agnes Bernauer handelt.[4]

Spätestens im Sommer 1432 war Agnes Bernauer eine feste Größe am Münchener Hof. Sie betrieb die Festnahme des Raubritters Münnhauser, der in die Alte Veste geflohen war,[5] und erregte durch ihr selbstbewusstes Auftreten den Zorn der Pfalzgräfin Beatrix, der Schwester Albrechts.[6] Möglicherweise waren Agnes und Albrecht zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet, konkrete Beweise für eine Eheschließung existieren allerdings nicht.[7] Albrechts häufige Aufenthalte auf Schloss Blutenburg seit Anfang 1433 und der Verkauf zweier in der Nähe gelegener Höfe an Agnes im Januar dieses Jahres[8] lassen vermuten, dass das Paar zusammen dort lebte.[9] Belege für gemeinsame Aufenthalte in Albrechts Grafschaft Vohburg fehlen, auch Nachkommen sind nicht bekannt.[10]
Während Albrecht auf einer Jagdveranstaltung seines Verwandten Heinrich von Bayern-Landshut weilte,[11] wurde Agnes auf Betreiben Herzog Ernsts, der die unstandesgemäße Verbindung seines Sohnes nicht akzeptieren konnte, verhaftet und am 12. Oktober 1435 bei Straubing in der Donau ertränkt.[12] Albrecht begab sich zunächst zu seinem Verwandten Herzog Ludwig nach Ingolstadt,[13] versöhnte sich aber bereits im November wieder mit seinem Vater[14] und heiratete ein Jahr später Anna von Braunschweig.[15] Zu der befürchteten militärischen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn kam es nicht, vielleicht wirkte Kaiser Sigismund mäßigend auf Albrecht ein.[16]
Andenken
Albrecht stiftete Agnes Bernauer noch im Dezember 1435 eine ewige Messe und einen Jahrtag im Straubinger Karmelitenkloster gestiftet.[17] 1447 erweiterte er diese Stiftung zu Ehren der „ersamen frauen Agnesen der Pernauerin“ noch einmal.[18] Ob er Agnes, wie von ihr selbst gewünscht, im Kreuzgang des Klosters bestatten ließ oder die Überführung der Gebeine in die 1436 von seinem Vater erbaute Agnes-Bernauer-Kapelle[19] im Friedhof von St. Peter zu Straubing veranlasste, ist ungewiss. In den Boden der Kapelle wurde jedenfalls ein Grabstein aus rotem Marmor eingelassen, auf dem Agnes Bernauer nahezu in Lebensgröße dargestellt ist. Das Relief zeigt die Verstorbene mit dem Kopf auf einem großen Kissen liegend. Mit der rechten, von zwei Ringen geschmückten Hand hält sie einen Rosenkranz, zwei kleine Hunde zu ihren Füßen sollen ihr den Weg ins Jenseits weisen. Wohl aufgrund eines Versehens ist auf dem Stein der 12. Oktober 1436 als ihr Todestag angegeben.[20]
Aus den folgenden drei Jahrhunderten gibt es nur spärliche Nachrichten über die Gedenkstiftungen für Agnes Bernauer. 1508 war ein Johannes Haberlander als Kaplan für die Bernauer-Kapelle zuständig. Für deren Instandhaltung und die tägliche Lektüre der Messe erhielt er aus der Kasse des Herzogs 17 Pfund Regensburger Pfennige.[21] Bis 1526 war sein Amt an Leonhard Plattner übergegangen, der für seine Tätigkeit 48 Gulden und 4 Schilling Wiener Pfennige erhielt.[22] Wie lang diese Kaplansstelle aufrechterhalten wurde, ist unklar. Bekannt ist nur, dass der Kirchenverwalter Franz von Paula Romayr den Grabstein 1785 mit Genehmigung des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor an der Wand der Kapelle anbringen ließ, um ihn vor weiterer Beschädigung „durch verwüstende Menschentritte“ zu schützen.[23] Das Grab selbst konnte bei der Umbettung des Decksteins nicht gefunden werden.[24]
Rezeption
„Es ist das klagwürdige Schicksal der Agnes Bernauer von Augsburg ein Gegenstand würdig dramatischer Behandlung oder einer Novelle.“
Albrechts und Agnes’ unglückliche Liebe lebte lange im Volkslied und wurde über die Jahrhunderte immer wieder literarisch und musikalisch aufgegriffen. Alle vier Jahre – das nächste Mal im Sommer 2011 – finden in Straubing am Originalschauplatz, dem Herzogschloss, die Agnes-Bernauer-Festspiele statt, bei denen die Geschichte von Laienschauspielern in Szene gesetzt wird. Carl Orff hat die Geschichte in seiner Oper Die Bernauerin verarbeitet, die jährlich bei den Carl-Orff-Festspielen im Kloster Andechs aufgeführt wird.
Literatur
Quellensammlungen
- Alfons Huber: Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, Chronisten, Historiker und Literaten vom 15. bis zum 20. Jahrhundert. Ein Quellen- und Lesebuch. Attenkofer, Straubing 1999, ISBN 3-931091-45-7.
Ältere Darstellungen
- Heinz Friedrich Deininger: Agnes Bernauer. In: Götz Freiherr von Pölnitz (Hrsg.): Lebensbilder aus dem bayerischen Schwaben. Band 1. Hueber, München 1952, S. 131–160.
- Heinz Friedrich Deininger: Bernauer, Agnes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 103 f. (Digitalisat).
- Gottfried Horchler: Agnes Bernauer in Geschichte und Dichtung. Attenkofer, Straubing 1883–1884.
- Felix Joseph Lipowsky: Agnes Bernauerinn historisch geschildert. Lentner, München 1801.
- Sigmund Riezler: Agnes Bernauerin und die baierischen Herzöge. In: Sitzungsberichte der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Historische Classe. 1885, S. 285–354.
- Ulrich Schmid: Agnes die Bernauerin und Herzog Albrecht III. der Gütige. In: Walhalla. Bücherei für vaterländische Geschichte, Kunst und Kulturgeschichte. Band 2, 1906, S. 8–40.
Neuere Literatur
- Christina Lichtblau: Auf den Spuren der Agnes Bernauer. Monsenstein & Vannerdat, Münster 2002, ISBN 3-936600-08-2.
- Claudia Märtl: Straubing. Die Hinrichtung der Agnes Bernauer 1435. In: Alois Schmid, Katharina Weigand (Hrsg.): Schauplätze der Geschichte in Bayern. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50957-6, S. 149–164.
- Marita Panzer: Agnes Bernauer. Die ermordete ‚Herzogin‘. Pustet, Regensburg 2007, ISBN 978-3-7917-2045-6.
- Werner Schäfer: Agnes Bernauer und ihre Zeit. Nymphenburger, München 1987, ISBN 3-485-00551-7.
- Werner Schäfer: Agnes Bernauer. Geschichte – Dichtung – Bild. Attenkofer, Straubing 1995, ISBN 3-931091-02-3.
- Hans Schlosser: Agnes Bernauerin (1410–1435). Der Mythos von Liebe, Mord und Staatsräson. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. Band 122, 2005, S. 263–284.
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Diskussion dazu bei Marita Panzer, Agnes Bernauer, S. 11–15.
- ↑ Chronik des Hektor Mülich 1348–1487. In: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg. Band 3. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1965, S. 70 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 13).
- ↑ Dagegen Claudia Märtl, Straubing, S. 154, die unter Berufung auf die spärlichen Belege für eine Herkunft aus Augsburg vermutet, dass Agnes als Dienstmagd am Münchener Hof die Aufmerksamkeit Albrechts erregte. Panzer, Agnes Bernauer, S. 36–37 und S. 170, Anm. 32, weist diese Vermutung zurück.
- ↑ Stadtarchiv München, Steueramt Nr. 584, fol. 42r (nach Marita Panzer, Agnes Bernauer, S. 36–37).
- ↑ Stadtarchiv München, Kammerrechnung Stadt München 1431/32, fol. 50v (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 13). Vgl. dazu Panzer, Agnes Bernauer, S. 38–39.
- ↑ Stadtarchiv München, Kammerrechnung Stadt München 1431/32, fol. 51r (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 15). Vgl. dazu Panzer, Agnes Bernauer, S. 41.
- ↑ Gegen eine Eheschließung argumentiert Gottfried Horchler, Agnes Bernauer in Geschichte und Dichtung, 1. Teil, S. 11–14.
- ↑ Kaufurkunde aus der Pfarrei Aubing. In: Ernst Geiß: Beitrag zur Geschichte der Agnes Bernauer. In: Oberbayerisches Archiv. Band 7, 1846, S. 303–304 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 16).
- ↑ Dazu Panzer, Agnes Bernauer, S. 43–45, mit Verweis auf Johannes Erichsen: Umrisse Blutenburger Geschichte. In: Claus Grimm (Hrsg.): Blutenburg. Beiträge zur Geschichte von Schloß und Hofmark Menzing. Haus der Bayerischen Geschichte, München 1983, S. 26 ff.
- ↑ Die immer wieder als Kinder der beiden genannten Sibilla Neufarer und Albert vom Hof können nicht von Agnes Bernauer stammen: Sibilla hatte zwar wohl Albrecht III. zum Vater, heiratete aber 1444 schon zum zweiten Mal und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Sohn, Albert vom Hof war ein unehelicher Sohn Albrechts IV., der erst 1447 geboren wurde. Vgl. dazu ausführlich Panzer, Agnes Bernauer, S. 52–56.
- ↑ Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen IV, fol. 213–214 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 24–25).
- ↑ Kammerrechnung Stadt München 1435/36, fol. 45r; Kammerrechnung Stadt München 1434/35; Andreas von Regensburg, Chronica de principibus terrae Bavarorum (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 26, 55).
- ↑ Kammerrechnung Stadt München 1434/35; Fürstensachen IV, fol. 300–301 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 26–32).
- ↑ Kammerrechnung Stadt München 1435/36, fol. 57; Fürstensachen IV, fol. 307 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 32, 38).
- ↑ Kammerrechnung Stadt München 1435/36, fol. 49v; Kammerrechnung Stadt München 1436/37, fol. 56v
- ↑ Fürstensachen IV, fol. 300–301 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 27–32).
- ↑ Johannes Mondschein (Hrsg.): Fürstenurkunden zur Geschichte der Stadt Straubing. II. Theil. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern. Band 39, 1903, S. 17–21 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 33–38).
- ↑ Albrecht, pfallenzgrave bey Rein, herzoge in Bayern: Urkunde vom 21. Januar 1447. In: Fridolin Solleder (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Straubing. Attenkofer, Straubing 1911–1918, S. 66–70 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 48).
- ↑ Johannes Mondschein (Hrsg.): Fürstenurkunden zur Geschichte der Stadt Straubing. II. Theil. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern. Band 39, 1903, S. 24–27 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 44–46).
- ↑ Beschreibung und Abbildung des Grabsteins bei Marita Panzer, Agnes Bernauer, S. 118–121.
- ↑ Paul Mai, Marianne Popp: Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1508. In: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg. Band 18, 1984, S. 48 (Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 66–67).
- ↑ Paul Mai: Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1526. In: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg. Band 21, 1987, S. 73 (nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 74).
- ↑ Briefwechsel zwischen Romayr und dem Kurfürsten bei Gottfried Horchler, Agnes Bernauer in Geschichte und Dichtung, 1. Teil, S. 44–45.
- ↑ {{Literatur|Autor = Franz Sebbastian Meidinger|Titel = Historische Beschreibung der kurfürstl. Haupt- und Residenzstädte Landshut und Straubing|Ort = Landshut|Jahr = 1787|Seite = 199|Kommentar = nach Alfons Huber, Agnes Bernauer im Spiegel der Quellen, S. 128, und Marita Panzer, Agnes Bernauer, S. 121–122.
- ↑ Christian Friedrich Schönbein: Menschen und Dinge. Mittheilungen aus dem Reisetagebuche eines Naturforschers. Besser, Stuttgart/Hamburg 1855, S. 175.
Personendaten | |
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NAME | Bernauer, Agnes |
KURZBESCHREIBUNG | Gemahlin des bayerischen Thronfolgers Albrecht III. |
GEBURTSDATUM | um 1410 |
STERBEDATUM | 12. Oktober 1435 |
STERBEORT | bei Straubing |