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Gesamtschule

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Die Gesamtschule in Deutschland ist eine Form der weiterführenden Schule, die Kinder nach der Grundschule besuchen können. Sie ist in mehreren Bundesländern eine Alternative zum traditionellen dreigliedrigen Schulsystem (mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium) geworden. Weil sie, im Gegensatz zu den anderen Schulformen, zudem meist als Ganztagsschule konzipiert ist, rückt diese alternative Schulform seit den Ergebnissen der ersten PISA-Studie wieder in den Blickpunkt der Bildungsdebatten.

In vielen Staaten außerhalb des deutschen Sprachraums sind Ganztagsschulen die Regel. Dies sind meist, aber nicht immer, auch Gesamtschulen. Alle Mädchen und Jungen besuchen dort diese eine Schulform, unabhängig von ihrem Leistungspotential. In Deutschland ist die Gesamtschule neben dem Gymnasium die einzige Schulform, die Kinder und Jugendliche in der Sekundarstufe I und II durchgehend besuchen können. Nur hier können sie ohne einen Schulwechsel alle Schulabschlüsse erreichen.

Gegner der Gesamtschule fürchten vor allem eine unzureichende Förderung überdurchschnittlich begabter Kinder und ein 'Herabziehen' der besseren Schüler durch die schlechteren. Befürworter betonen die Idee des Miteinander Lernens für ein besseres Zusammenleben in der Gesellschaft und die diffenzierteren Lernangebote und Lernanregungen in einer Ganztagsschule.


Rückblick

In Deutschland wurden Gesamtschulen ab Mitte der 1960er Jahren als Schulversuche eingerichtet. Je nach parteipolitischer Ausrichtung der Regierung der einzelnen Bundesländer wurden diese Versuche als hochgradig erfolgreich angesehen oder für gescheitert erklärt. Hier drei Beispiele: Berlin baute die Gesamtschule zur Regelschule aus, Bayern löste fast alle Gesamtschulen wieder auf und Nordrhein-Westfalen entwickelte in diesen 35 Jahren eine gemischte Schullandschaft.

Konzeptionell als Alternative zum dreigliedrigen System gedacht, konkurriert die Gesamtschule nun mit den anderen Schulformen, insbesondere mit den Gymnasien. Der vor 35 Jahren beabsichtigte sozialpolitische Effekt (Motto: Miteinander und voneinander lernen, um miteinander leben zu lernen) kann somit heute gar nicht mehr erreicht werden. Die Schülerschaft fast aller Gesamtschulen spiegelt jeweils nicht das gesamte Leistungsspektrum eines Jahrgangs wieder. Die vermeintlich Besten eines Grundschuljahrganges wechseln zunächst auf die Gymnasien und drängen nach der Erprobungsstufe ab Klasse 7 'zurück' in die anderen Schulformen.


Aktuelle Entwicklungen

Deutsche Gesamtschulen (in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen: "Integrierte Gesamtschulen") unterrichten Kinder und Jugendliche zunächst unabhängig vom Leistungsstand in sehr heterogenen Klassen: Beginnend mit Klasse 7 werden in den Kernfächern (Deutsch, Englisch, Mathematik) Differenzierungskurse (sog. Erweiterungs- und Grundkurse-Kurse / E- bzw. G-Kurs) eingericht. In welchen Fächern die Kurse eingerichtet werden, entscheidet jeweils die Schulkonferenz. Manche Gesamtschulen haben zudem ab Klasse 9 eine Profilbildung eingeführt. Sie bilden neue Klassen nach der Anzahl der E-Kurse, die die Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt belegt haben.

Mit diesen konzeptionellen Erweiterungen der ursprünglichen Gesamtschulidee reagieren sie auf die sich verändernde Arbeitsmarktsituation und die veränderten Lebensbedingungen der Jugendlichen. Angeboten wird mehr Ganztagsförderung und dies in Lerngruppen, die eine Binnendifferenzierung noch erfolgversprechend machen. Ab Klasse 9 zeigen sich in der Praxis so große Leistungsunterschiede, dass ein sinnvolle Binnendifferenzierung kaum noch planbar ist. Erst hier trennt die Gesamtschule die Jugendlichen - so wie es in den Schulen der meisten Nachbarländer geschieht.

Ziele

Gesellschaftspolitisch soll das Konzept der Ganztags-Gesamtschule einer Entwicklung entgegen wirken, in der sich Jugendliche aus unterschiedlich sozialisierten Gesellschaftsgruppen (z. B. Akademiker, Arbeiter etc.) frühzeitig fremd werden. Heranwachsende aus potentiellen Randgruppen lernen mit und von intellektuell 'besseren' Schülern - und alle gemeinsam lernen, mit Mitmenschen aller Schichten umzugehen und diese bei Bedarf auch anzuleiten.

Deutlich zu sagen ist, dass die Schulform Gesamtschule besondere didaktische Kompetenzen seitens des Lehrpersonals erfordert: Denn wo eine äußere Differenzierung nach Leistung entfällt, muss sich der Unterricht am Prinzip der Binnendifferenzierung ausrichten. Ein erfolgreiches Konzept in Nordrhein-Westfalen ist zudem die feste Installierung von Schulsozialarbeit an allen Gesamtschulen des Landes.


Schlussbemerkung

Für die Einrichtung von Gesamtschulen gibt es mancherorts anstelle pädagogischer Gründe eher kommunalpolitische Motive: Die Unterhaltung eines gemeinsamen Schulzentrums scheint gerade kleineren Gemeinden eine kostengünstige Alternative zum traditionellen System. Von einer kooperativen (auch additiven) Gesamtschule spricht man hierbei, da die Dreigliedrigkeit des Schulsystems nicht aufgehoben wird. Man erhofft sich vorrangig Synergieeffekte durch diese räumliche oder organisatorische Zusammenlegung. Mit der ursprünglichen Idee (Gemeinsam lernen) von Gesamtschule hat dies jedoch nur noch wenig zu tun.

Siehe auch: