Heiliger Gral
Die Legende um den Heiligen Gral taucht im späten 12. Jahrhundert in vielgestaltiger Form in der mittelalterlichen Erzählliteratur im Umkreis der Artussage auf. Die Geschichte der (halb-)christlichen Gralslegende und der ritterlichen Gralssuche ist deshalb nur als Literatur- und Mentalitätsgeschichte zu schreiben. Der Glaube an einen rätselhaften heiligen Gegenstand, in dem kultische Mysterien und Geheimnisse symbolisiert seien und der sich dem profanen Zugriff der Ungläubigen entziehe, ist auch heute in bestimmten Kreisen noch ungebrochen lebendig.
Allen Überlieferungen ist gemeinsam, daß sie den Gral als ein wundertätiges Gefäß in Form einer Schale, eines Kelch oder eines Steines (lapis) beschreiben. Zusammen mit einer rätselhaften blutenden Lanze wird er in einer unzugänglichen Burg von Gralskönig und Gralsrittern bewacht. Er soll Glückseligkeit, ewige Jugend und Speisen in unendlicher Fülle spenden.
Sehr früh verband sich der Gral mit der christlichen Tradition der Eucharistie: Der Gral wurde als der Kelch verstanden, den Christus beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern benutzt hat und in dem Josef von Arimathäa das Blut Christi unter dessen Kreuz aufgefangen hat, wie schon früh in apokryphen Evangelientexten erzählt wurde. Der Gral stellt sich damit als eine der zahlreichen mittelalterlichen Blut-Christi-Reliquien dar (Longinus-Lanze, Turiner Grabtuch, Schweißtuch der Veronika, Eucharistie-Wunder von Lanciano, Blutwunder von San Gennaro in Neapel).
Unzweifelhaft beruht die Gralsvorstellung jedoch auch auf vorchristlichen keltischen und orientalischen Mythen.
Die Herkunft des Wortes Gral ist nicht restlos geklärt: Am wahrscheinlichsten ist die Herleitung aus okzitanisch grazal, altfranzösisch graal 'Gefäß, Schüssel', das vermutlich etymologisch auf lateinisch crater 'Mischgefäß' (über lateinisch cratalis/gradalis) zurückgeht.

Der Gral in der mittelalterlichen Dichtung
Der Gral taucht in der europäischen Dichtung erstmals kurz vor 1200 auf. In dieser historischen Situation suchte sich eine sehr aktuelle Erfahrung des westeuropäischen Ritteradels eine mythisch-literarische Form. Die Pilger- und Kriegszüge ins Heilige Land, die dort gesuchten Reliquien und Orte der Passionsgeschichte, die ständige Gefährdung der christlichen Herrschaft in Jerusalem, die Gründung von Ritterorden wie den Templern zum Schutz dieser Herrschaft - dies alles kristallisierte sich in einer mythisch-christlichen Überhöhung. Ihre poetische Wirksamkeit beruht jedoch darauf, dass sie auf das reiche Reservoir eschatologischer, halbchristlicher und nichtchristlicher Sagen und Mythen zurückgriff. Nordfrankreich war über mehrere Jahrhunderte hin ein Schmelztiegel gallisch-keltischer, romanischer, fränkischer und normannischer Bevölkerungsgruppen und ihrer Traditionen gewesen. Die Kreuzzüge rekrutierten gerade aus diesen Adelsfamilien ihre Führungspersönlichkeiten. Im hochmittelalterlichen Gralsmythos vermischen sich deshalb Anliegen des Laienchristentums und des Feudaladels sowie Versatzstücke der christlichen Liturgie und des Reliquienkultes (Abendmahlkelch, Heilige Lanze) mit den archetypischen Bildern und generationenlangen mündlichen Überlieferungen keltischer und orientalisch-gnostischer Herkunft. Die kirchliche Theologie ist aus diesem Grund dem Heiligen Gral immer kritisch gegenübergestanden.
Chrétien de Troyes
Die älteste bekannte Gralserzählung ist der unvollendete mystisch-religiöse Perceval-Versroman (Le Conte du Graal) des französischen Dichters Chrétien de Troyes (vor 1150 - um 1190), für den Grafenhof von Flandern zwischen 1179 und 1191 abgefaßt. Chrétien und seine Zeitgenossen kannten die Artuslegenden, die aus der so genannten "Matière de Bretagne", aus dem britannischen Sagenkreis stammten. Die Legenden dieses Sagenkreises waren durchwoben von Begegnungen mit dem Übernatürlichen und mit magischen und mystischen Mächten. Es wird vermutet, dass Chrétien auch die irischen echtrai oder Adventüren, die ersten von Flüchtlingen auf das europäische Festland mitgebrachten keltischen Legenden kennenlernte. Bei Chrétien ist der Gral eine mit kostbaren Edelsteinen verzierte, magische Goldschale, in der dem Vater des leidenden Fischerkönigs in einer feierlichen Prozession eine Hostie zugetragen wird, die seine einzige Nahrung darstellt.
Robert de Boron
Die Herkunft des Grals hat erstmals Robert de Boron am Ende des 12. Jahrhunderts mit christlichen Aspekten ausgestattet: Der Gral sei der Kelch, der beim letzten Abendmahl verwendet wurde und in dem Josef von Arimathäa das Blut Christi vom Kreuze aufgefangen habe, wie es im Nikodemus-Evangelium berichtet wird. Später sei er dann vor den Römern mit dem Gral nach England geflüchtet. Die Lebensdaten von Robert de Boron sowie der Zeitpunkt des von ihm verfassten Roman de l'estoire dou Graal sind heute nicht mehr eindeutig bestimmbar. Es wird vermutet, dass er ihn annähernd gleichzeitig mit Chrétien de Troyes schrieb.
Wolfram von Eschenbach
In die deutschsprachige Literatur kommt das Thema etwa zwischen 1200 und 1210 durch Wolframs von Eschenbach Übersetzungsbearbeitung von Chrétiens Roman Parzival. Wolfram erweitert die Erzählung allerdings durch unzählige zusätzliche Quellen. Nicht nur knüpft er aus eigener Initiative und mit großem Nachdruck seinen Helden an das anglonormannische Herrscherhaus Anjou (Plantagenet) und zieht eine zweite Linie vom Gral zur Fürstensippe Gottfrieds und Balduins von Bouillon, sondern nennt auch, um Verwirrung zu stiften oder um eines literarischen Spiels willen, einen rätselhaften Dichter namens "Kyot (= Guiot?) de Provence" als seine Hauptquelle. Kyot soll in Toledo ein "heidnisches" Manuskript entdeckt und übersetzt haben, das von einem jüdischen Astronomen namens Flegetanis geschrieben worden sein soll.
Ursprünge und Elemente der Legende
Im Gralsmythos laufen verschiedene Traditionen zusammen. Es handelt sich wohl vor allem um eine Mischung aus keltischen, christlichen und orientalischen Sagen und Mythen.
Keltischer Elemente
Etliche Züge der Gralslegende legen nahe, dass in die Werke der französischen Dichter, ähnlich wie im Fall der Artusromane, alte keltische Motive eingeflossen sind. So führt man beispielsweise das Speisewunder des Grals auf Vorstellungen von einem magischen Trinkhorn oder Füllhorn (Tischlein-deck-dich) in der keltischen Mythologie zurück.
Orientalische Elemente
Insbesondere die Vorstellung von Wolfram von Eschenbach, der im Gral einen heiligen Stein sieht, lässt sich an orientalische Traditionen anschließen (Kaaba).
Spekulationen über den Ursprung
Schon früh wird auf mysteriöse Dokumente verwiesen: Einmal ist von einer geheimen Mitschrift der Worte Jesu Christi, ein anderes Mal von der Botschaft eines Engels, von Abschriften aus alchemistischen Traktaten oder von einem Originaldokument aus Spanien, Britannien oder dem Fernen Osten, Jerusalem, die Rede.
In jüngerer Zeit tauchte eine weitere Spekulation auf:
Demnach wäre die Heilige Maria Magdalena, eine Gefährtin und Anhängerin Jesu Christi, nach dessen Kreuzestod gemeinsam mit Josef von Arimathäa nach England geflohen und dabei von Jesus schwanger gewesen. Die Apokryphen weisen darauf hin, dass sie im Kreise Jesu vermutlich eine Sonderstellung besessen hat. Daher dieser weiterführende Gedanke.
Deshalb soll sie bei ihrer Flucht im wahrsten Sinne des Wortes das Blut Christi (das Königliche Blut = sang real > san greal) mit sich nach Europa getragen haben. Das aus dieser Verbindung entstandene Kind wäre somit der eigentliche "Heilige Gral" und das größte Geheimnis der Christenheit. In diesem Kind und seinen Nachfahren lebe somit Jesus Christus und sein Blut ewig fort.
Die Legende der Gralssuche


Der Heilige Gral kann nur zusammen mit der Suche nach dem Gral gedacht werden, denn beide symbolisieren das höchste Streben nach Erfüllung und Vollkommenheit: das Ziel und den Weg des Menschen zu diesem Ziel. In der mittelalterlichen Gralslegende kann der Gral nicht von jedem gefunden werden. Der Gral prüft somit die Männer, die nach ihm suchen.
Ein Held wird in eine verzauberte Welt geboren. Seine Bestimmung ist es, sich auf die Suche nach einem geheimnisvollen Gegenstand aus einer jenseitigen Parallelwelt zu machen, der der Heilige Gral genannt wird. Die Aufgabe dieses Helden ist es, die natürliche Ordnung und Harmonie der in Unordnung geratenen Welt wiederherzustellen. Seine Rolle wird je nach künstlerischer Umsetzung mit den unterschiedlichsten Figuren besetzt: Parzival (auch: Perceval, Peredur, Perlesvaus), Gawain, Galahad oder Bors.
Er wird als Abkömmling aus geheimnisumwobenen Familienverhältnissen dargestellt, der die zwei mächtigsten magischen Kräfte in sich vereint: Den größten Heldenmut und eine unschuldige Reinheit. Er wird entweder von seiner Mutter oder von einer Kriegerin, die Zauberkräfte hat, erzogen, und wächst ohne Geschwister und Freunde auf. Ihm fehlt der Sinn für die Wirklichkeit, diesen Mangel gleicht er jedoch durch seine Unschuld oder Naivität wieder aus, weshalb er auch "tumber Tor" oder "großer Narr" genannt wird.
Bald nachdem er sein behütetes Zuhause verlässt, um sich auf die Suche zu machen, wünscht er sich nichts sehnlicher, als der bedeutendste Ritter seiner Zeit zu werden. Am Hof von König Artus wird schließlich seine Bestimmung erkannt, und obwohl er sich häufig als dummer Narr erweist, wird er zum Ritter geschlagen und in die Gemeinschaft der Tafelrunde aufgenommen. Der Held erwirbt sich durch seine Herkunft und seinen tollkühnen Umgang mit Waffen hohes Ansehen. Von den Rittern der Tafelrunde erhält er größte Bewunderung, als er sich in seiner naiven Art einfach auf den "Platz der Gefahr" setzt, der als tabu gilt und stets für den Auserwählten freigehalten wurde. Damit wird deutlich, dass es sich bei dem Narren nur um den erwarteten Auserwählten handeln kann. In der Artus-Sage ist dieser Platz der Gefahr ein Ort im Wald, an dem ein Amboss steht, in dem das Schwert Excalibur steckt, das nur vom legitimen Thronerben des Königs herausgezogen werden kann. Es wird somit zur Nagelprobe für den Helden.
Die Handlungsstränge einzelner Gralslegenden gehen nun etwas auseinander: Entweder reitet der Held alleine los, um sich auf die Suche zu begeben, oder der Heilige Gral erscheint als strahlende Vision am Tisch der Tafelrunde, so dass sich alle Ritter bereit erklären, gemeinsam auf die Suche nach dessen Geheimnis zu gehen. Im Folgenden werden in diversen Variationen die Abenteuer der Ritter geschildert, die verschiedene Aufgaben lösen müssen. Der Held muss sich immer wieder neuen Rätseln stellen, beispielsweise die richtige Frage stellen, sich selbst treu bleiben, eine Burg erobern oder Unrecht rächen. Da der Zauberer Merlin als eigentlicher Initiator der Suche nach dem Gral angesehen wird, erscheint auch er in einigen Gralslegenden, um helfend einzugreifen. Zuletzt gelingt es den Rittern gemeinsam, das Geheimnis des Heiligen Grals zu enthüllen. Die Ritter, die mit einem Makel behaftet sind, scheitern dabei.
Der Held verändert sich während der Gralssuche. Durch seine Taten kann er den Hüter des Grals, der verletzt oder krank ist, heilen, und das zerstörte Land wieder zu einem Paradies erblühen lassen.
Seitenstränge und Weiterwirken der Legende
Helinandus
Helinandus Frigidimontis (um 1160 - 1229) berichtet in seiner Chronik von vor 1204, dass ein in Britannien lebender Einsiedler eine Vision von dem Hüter eines Kelches, Joseph von Arimathia, hatte. Mit diesem Kelch soll Joseph von Arimathia das Blut Christi am Kreuz aufgefangen haben.
Ausführlich
Außerhalb der Gralsromane gibt es eine kirchliche Überlieferung, die Joseph von Arimathia mit dem Kelch in Verbindung bringt. Diese geht auf den Bischof Amalarius von Metz zurück († um 850), der anfing, die Abendmahlsfeier allegorisch zu interpretieren. Der Altar wird hier das Grab Christi, das Altartuch das Leichentuch etc. Fassbar wird diese Überlieferung in Theologen des 12. und 13. Jahrhunderts wie Rupert von Deutz, Hildebert von Tours und William Durand. Von diesen wiederum hat Robert de Boron sein Gralsmaterial übernommen (vgl. Allen Cabaniss: Studies in English, 1963). In der Figur des Joseph von Arimathia kommt eine christliche Strömung zum Ausdruck, die abseits der offiziellen Glaubensrichtung steht. Er repräsentiert ein fernes Echo des Urchristentums, das ohne Amtskirche auskam, und das im Bild der Gralsgemeinde und ihrer Kulthandlung um das Gralsgefäß weiterlebt. Um seine Person herum verkörperte sich die neu aufkommende Strömung der Mysterienfrömmigkeit (etwa seit dem 8. Jahrhundert), die erst zur Zeit ihrer Unterdrückung durch die offizielle Kirche in die literarischen Zeugnisse eingegangen ist.
Richard Wagner
Grals- und Parzivalmotive tauchen seitdem in der europäischen Literatur und Kunst in vielerlei Variationen auf. Eine der bekanntesten künstlerischen Darstellungen ist die Oper Parsifal von Richard Wagner.
Gralsburg und Gralshüter
Die Templer, die sich selbst Pauperes commilitones Christi templique Salomonis ("Arme Ritter Christi und des Tempels Salomons") nannten, sollen eine Zeit lang im Besitz und Hüter des Heiligen Grals gewesen sein. Aus einer Anklageschrift des 12. Augusts 1308 wird ersichtlich, dass sie steinerne Köpfe (zum Teil mit drei Gesichtern) als Heiligtümer verehrten (siehe: Baphomet), denen sie die gleichen Eigenschaften und Wunderkräfte wie dem Heiligen Gral zugeschrieben haben.
Identifizierungsversuche
Es gibt keinen sicheren Hinweis darauf, dass der Mythos von einer Gralsburg von einer bestimmten historischen Festung ausgegangen ist. In den Legenden wird sie häufig als eine Insel hoch über dem Meer oder über einem See geschildert, die nach dem Eintritt der Verwüstung des Landes aber nur von einem Menschen reinen Herzens gesehen werden kann. Das Innere der Burg ist reich mit Juwelen und Edelsteinen geschmückt. Es existieren zahlreiche alte, als heilig geltende Orte und Gebäude, auf die die Beschreibungen zum Teil zutreffen.
Nach der Gralsburg wurde und wird immer wieder von neuem als real existierende historische Stätte gesucht. Vorwiegend werden Kirchen, Türme, Burgen und Festungsruinen in England und Wales mit der Gralsburg in Verbindung gebracht, aber auch an einige Orten in den spanischen und französischen Pyrenäen knüpfen sich Gralssagen. Die spätere (vor allem englische) Verschmelzung von Artus- und Gralssage führt dazu, dass der Gral an Orten gesucht wird, zu denen Artus eine besondere Beziehung hat (z. B. Glastonbury, Winchester Castle).
Folgende Orte werden oft genannt:
- Die gesamte Umgebung von Glastonbury im Südwesten Englands, wo in der Abtei noch heute zur Weihnachtszeit ein wundersamer Dornenstrauch blühen soll, und wo angeblich 1190 die sterblichen Überreste von Artus und Guinevere entdeckt wurden. An der Stelle der im gleichen Ort befindlichen St. Mary's Chapel soll der Überlieferung nach von Joseph von Arimathia die erste Kirche Europas erbaut worden sein. Der Turm von Glastonbury gilt heute noch als der heiligste Ort Britanniens bzw. als die Verkörperung Avalons. An seinem Fuß befindet sich der Chalice Well (Kelchbrunnen), der bekannteste aller Brunnen, die je mit dem Gral in Verbindung gebracht wurden. Dass der Brunnen, so lange sich Menschen daran erinnern, noch nie versiegt ist, soll damit zusammenhängen, dass einst der Heilige Gral in ihm versteckt wurde.
- Winchester Castle in Südengland, in dem noch heute ein runder Tisch aus dem 13. Jahrhundert gezeigt wird, der mindestens seit dem 16. Jahrhundert als die Tafelrunde König Artus' galt.
- St. Michael's Mount in Cornwall, Südengland
- Montségur in den französischen Pyrenäen, als letzte Rückzugsfestung von Katharer-Rittern, die 1244 im Albigenserkreuzzug eingenommen wurde. Es gibt ein Gerücht, dass Einige der belagerten Zitadelle entfliehen und dabei "den größten Schatz" der Katharer retten konnten.
- Munsalvaesche (das wäre franz. Montsalvasch "Heiliger Berg" oder Montsauvage "Wilder Berg") nennt Wolfram die Gralsburg. Es ist ungeklärt, ob dies mit einem Ort in den spanischen Pyrenäen zu identifizieren ist.
- San Juan de la Peña, ein Bergkloster in den spanischen Pyrenäen, das versteckt unter riesigen überhängenden Felsen am Boden eines tief eingeschnittenen Flusstales liegt und nur von Ortskundigen zu finden ist. Laut den Überlieferungen verehrten dort im Mittelalter Pilger eine Reliquie als den Heiligen Gral.
- Die Burg, die mit allen literarischen Beschreibungen die meisten Übereinstimmungen aufweisen soll, ist Cadbury Castle, auch Dinas Bran (walisisch für Festung des Bran) genannt, in Llangollen in Nordwales am Fluss Dee. Der Überlieferung nach war sie die Burg des walisischen Gottes Bran.
- In der Kathedrale von Valencia wird in einer Nebenkapelle ein steinerner Kelch (cáliz) als Reliquie aufbewahrt, der von der Bevölkerung als der Heilige Gral verehrt wird.
- Eine Achatschale, die zum Hausschatz der Habsburger gehörte und jetzt in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien aufbewahrt wird, wurde lange für den Heiligen Gral gehalten, da sie eine feine Äderung besitzt, die lange Zeit als eine geheimnisvolle Schrift interpretiert wurde.
Das verlorene Paradies
Es existiert eine enge Verbindung zwischen dem Mythos des Heiligen Grals zu den verschiedenen Legenden, die sich um König Artus und die Ritter der Tafelrunde ranken. Die Geschichte um das verlorene Paradies und die folgende Gralssuche als der Versuch, das Paradies wieder zu erlangen, stehen häufig im Mittelpunkt der Artuslegenden. Sie bilden oft den Hintergrund für zahlreiche andere Legenden, so z. B. auch für die Geschichte des Zauberers Merlin, die Lebensgeschichte Lancelots oder die Erzählungen von der Fraueninsel Avalon.
Neuesten Erkenntnissen zufolge soll zum Zeitpunkt des Todes von König Artus das Land durch einen Meteoriten tatsächlich verwüstet worden sein, was sich in einem vorübergehend eingestellten Baumwachstum manifestierte. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Legende zumindest in Ansätzen auf einem realen Hintergrund beruht.
Die Christianisierung brachte den Kelten zusätzlich zum Verlust des Paradieses eine neue Sicht der Welt. Mit der Verbreitung des Christentums verloren sie zunehmend ihren Glauben an heilige Gegenstände, ihre Verehrung für die Göttinmutter und damit ihre matriarchalische Einstellung. Die Übernahme keltischer Heiligtümer durch die Kirche hat ebenfalls wesentlich zum Verlust des heidnischen und mystischen Glaubens und Machtpotentials beigetragen. So wurden viele Kirchen, z. B. die Kathedrale Notre-Dame de Chartres, über einer heiligen keltischen Quelle errichtet. Der in der Legende des Heiligen Grals geschilderte Verlust des Paradieses kann insofern auch als Teil unserer eigenen christlichen Missionierungsgeschichte begriffen werden.
Die Legende heute
Die mythische Gralsvorstellung des Hochmittelalters setzt sich ungebrochen bis in die Moderne fort. Bis heute werden zahlreiche Versuche unternommen, seine Geschichte (als historisch-übernatürliche Realität, als wahre Begebenheit) aufzudecken. Die Gralssuche, der jedes Jahr ernst gemeinte Bücher gewidmet werden, ist somit ein irrationales Signum der gegenaufklärerischen, esoterischen Strömung der Moderne.
Eine neuzeitliche Interpretation deutet das französische „San Greal“ als bewusst verschlüsseltes „Sang real“, also als „königliches Blut“, ein Hinweis auf die angebliche Verwandtschaft mit Jesus Christus. Laut dieser Theorie soll Maria Magdalena die Frau von Jesus gewesen sein und seine Nachkommen zur Welt gebracht haben. Da Maria Magdalena ihren Lebensabend in Südfrankreich verbracht habe, wird versucht, eine verwandtschaftliche Verbindung des merowingischen Königshauses mit dem Haus David bzw. Jesus zu belegen. Als Beleg für diese Theorie wird Leonardo da Vincis Gemälde „Das Abendmahl“ angeführt. Demnach sind bei der Person zur Rechten Jesu deutliche weibliche Züge zu erkennen. Die komplementären Farben der Kleidung ergänzen sich wie das Männliche und Weibliche. Die Körperhaltung der beiden entspricht dem V-förmigen Symbol für das Weibliche. Außerdem fehlt der Kelch auf dem Bild, weil Maria Magdalena der Heilige Gral ist.
Andere Forscher interpretieren den Gral als Schale, die durch göttliche Fügung in der Ära von König David in einer Höhle unter dem Kreuzigungshügel Golgota vor Feinden versteckt wurde. Sie soll Blutstropfen, die vom Kreuz Jesu hinuntergefallen sind, aufgefangen haben. Der Gral wird zum Teil als Synonym für die jüdische Bundeslade betrachtet, in der die zwei von Moses geschriebenen Tafeln mit den 10 Geboten aufbewahrt wurden. Demnach müsste der Gral eher eine eckige Kastenform haben. Aufgrund der Annahme, dass die Lade bzw. der Gral mehrfach mit Gott in Berührung gekommen ist, sollen ihm deswegen große Kräfte innewohnen.
Der Gral in Filmen
In zahlreichen Filmen begeben sich die Helden auf die Suche nach dem Gral oder dessen Entsprechung. Eine Auswahl:
- Verfilmungen der Artussage, in denen die Gralssuche vorkommt:
- Excalibur (USA 1981) (Vorlage:IMDb Titel)
- Die Nebel von Avalon (USA/Deutschland/Tschechien 2001) (Vorlage:IMDb Titel)
- Filme und Serien, in denen der Heilige Gral eine zentrale Rolle spielt:
- Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (USA 1989) (Vorlage:IMDb Titel)
- Merlin (13-teilige TV-Serie, Deutschland 1980) (Vorlage:IMDb Titel)
- Das Vermächtnis der Tempelritter (USA 2004) (Vorlage:IMDb Titel)
- König der Fischer (USA 1991) (Vorlage:IMDb Titel)
- Das Blut der Templer (Deutschland 2004) (Vorlage:IMDb Titel)
- Parodien:
- Monty Pythons Die Ritter der Kokosnuss (Großbritannien 1975) (Vorlage:IMDb Titel)
Der heilige Gral im Roman Sakrileg von Dan Brown
In dem Roman Sakrileg (engl. Original: "The Da Vinci Code") von Dan Brown stellt dieser unter Bezugnahme historischer Ereignisse, Quellen und Legenden eine umfassende Theorie auf. Der heilige Gral soll als der weibliche Mutterschoß und die weibliche Gebärfähigkeit im Allgemeinen und im historisch speziellen der Mutterschoß von Maria Magdalena, der Gefährtin von Jesus Christus, entdeckt worden sein. Der heilige Gral ist demnach der Ort, an dem sich Mann und Frau vereinigen, neues Leben empfangen und heranwachsen kann und das Wunder der Geburt geschieht.
In dem Werk Das Abendmahl von Leonardo da Vinci, der das Geheimnis um den heiligen Gral gekannt haben soll, zeigt er angeblich die Wahrheit: Jesus hatte zu seiner rechten Seite Maria Magdalena und zwischen den beiden wird ein mit der Spitze nach unten zeigendes Dreieck angedeutet. Dies ist das Symbol sowohl für den weiblichen Mutterschoß, als auch für das göttlich Weibliche.
Der heilige Gral ist demnach keine Schrift oder archäologische Besonderheit, sondern vielmehr ein Symbol für die Verehrung der Fähigkeit der Frau, Leben hervor zu bringen, und die göttliche Urmutter. Diese Vorstellung deckt sich sowohl mit der symbolischen Form (Kelch oder Gefäß) als auch inhaltlich mit den Überlieferungen anderer Beschreibungen, die ihn als einen Ort des Ursprungs, des Paradieses, des Gleichgewichtes, der Harmonie oder als Kessel der Wiedergeburt bezeichnet haben (s. oben).
Bibliographie (Auswahl)
Quellentexte
- Walter, Philippe & Poirion, Daniel (Hrsg.): Le Livre du Graal. tome I, Joseph d'Arimathie – Merlin – Les Premiers Faits du roi Arthur, 2001, Bibliothèque de la Pléiade ISBN 2070113426
(Erster von voraussichtlich drei Bänden. Außergewöhnlich gut ausgestattete Neuausgabe; ausführlich kommentiert, zweisprachig Original und Neufranzösisch) - Chrétien de Troyes: Le Conte de Graal or Perceval, Übersetzung ins Englische von N. Bryant, Cambridge, N.J., 1982
- Malory, Sir Thomas: Die Geschichte von König Artus und den Rittern seiner Tafelrunde, Übersetzung von H. Findeisen nach K. Lachmann, Frankfurt / Main 1977
- Wolfram von Eschenbach, "Parzival", Reclam ISBN 3150074517
Allgemeine Literatur
- Bahrs, Ulrich, Gral-Wanderer, 1928
- Baigent, Michael; Leight, Richard; Lincoln, Henry, Der Heilige Gral und seine Erben, Orbis Verlag 2002, ISBN 3572013143
- Bayer, Hans, Gralsburg und Minnegrotte, Berlin 1978
- Bayer, Hans, Gral – Die hochmittelalterliche Glaubenskrise im Spiegel der Literatur, Stuttgart 1983
- Birch-Hirschfeld, Adolf, Die Sage vom Gral – Ihre Entwicklung und dichterische Ausbildung in Frankreich und Deutschland im 12. und 13. Jahrhundert, eine literarhistorische Untersuchung, Wiesbaden 1969
- Evola, Julius, Das Mysterium des Grals, ISBN 3926370394
- Gardner, Laurence, Bloodline of the Holy Grail, ISBN 1-85230-870-2
- Greiner, Wolfgang, Grals-Geheimnisse, Berlin 1926
- Godwin, Malcolm, Der Heilige Gral – Ursprung, Geheimnis und Deutung einer Legende, Bechtermünz Verlag 1994, ISBN 3-453-08025-4 – sehr empfehlenswerte, umfassende Darstellung, leider aber schwierig zu lesen, da nicht unmittelbar chronologisch
- Kircher, Bertram (Hrsg.), Das Buch vom Gral – Mythen, Legenden und Dichtungen um das größte Geheimnis des mittelalterlichen Abendlandes, München 1989
- Lange, Hans-Jürgen, Otto Rahn und die Suche nach dem Gral, ISBN 3927940453
- Lampo, Hubert, Artus und der Gral, München 1985
- Mertens, Volker, Der Gral. Mythos und Legende, Stuttgart 2003, Reclam, ISBN 3150182611
- Matthews, John, Der Gral – Die Suche nach dem Ewigen, Braunschweig 1992
- Rahn, Otto, Kreuzzug gegen den Gral, ISBN 3927940712
- Ravencroft, Trevor, Der Kelch des Schicksals – Die Suche nach dem Gral, Basel 1982
Belletristik
- Berling, Peter, Die Kinder des Gral, Bergisch Gladbach 1991
- Bradley, Marion Zimmer, Die Nebel von Avalon, Frankfurt / Main 1984
- Brown, Dan, Sakrileg, Lübbe 2004, ISBN 3785721528
- Chapman, Vera, Die drei Desmoiselles, München 1984
- MacGregor, Rob, Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, München 1989
- Stewart, Mary, Merlins Abschied, München 1989
- Stewart, Mary, Flammender Kristall, München 1989
- White, Terence Hanbury, Das Buch Merlin, Knaur, Düsseldorf / Köln 1980, ISBN 3426010321
- White, Terence Hanbury, Der König auf Camelot, 2 Bände, Hobbit-Presse / Klett-Cotta, Stuttgart 1984, ISBN 3608950761
- White, Terence Hanbury, Der König auf Camelot, 1 Band, Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3608937137 (Rezension)
Siehe auch: Medienliste zu Artus, Merlin und dem Gral, Mittelalter, Mythologie, Mystik, Symbole, Rennes-le-Château
- Eco, Umberto, Baudolino, Mailand 2000; deutsch: München (Hanser) 2000
- Köppel Helene Luise, "Die Erbin des Grals", Rütten & Loening, Berlin 2003, ISBN 3-352-00702-0
- Köppel Helene Luise, "Die Ketzerin vom Montségur",Aufbau-Taschenbuchverlag, Berlin 2002, ISBN 3-7466-1869-X.
- Köppel Helene Luise, "Die Geheimen Worte", Rütten & Loening, Berlin, 2005, ISBN 3-352-00718-7