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Europäischer Wirtschaftsraum

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Der EWR besteht aus den
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Osterreich Österreich
Belgien Belgien
Bulgarien Bulgarien
Zypern Republik Zypern
Tschechien Tschechien
Danemark Dänemark
Estland Estland
Finnland Finnland
Frankreich Frankreich
Deutschland Deutschland
Griechenland Griechenland
Ungarn Ungarn
Island Island
Irland Irland
Italien Italien
Liechtenstein Liechtenstein
Lettland Lettland
Litauen Litauen
Luxemburg Luxemburg
Malta Malta
Niederlande Niederlande
Norwegen Norwegen
Polen Polen
Portugal Portugal
Rumänien Rumänien
Slowakei Slowakei
Slowenien Slowenien
Spanien Spanien
Schweden Schweden
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich

Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das die Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) geschlossen haben, dehnt den Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft auf Island, Liechtenstein und Norwegen aus.

Entstehung

Bereits bei der Gründung der EFTA 1960 war die Regelung der Beziehungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und den EFTA-Mitgliedstaaten eines der Ziele der Organisation. Nachdem 1973 die EFTA-Länder Großbritannien und Dänemark zusammen mit Irland der Europäischen Gemeinschaft beitraten, entwickelte sich eine enge Kooperation zwischen den EFTA-Staaten und der EWG. Eine erste wichtige Etappe wurde erreicht, als die EFTA-Staaten zwischen 1972 und 1977 individuell Freihandelsabkommen mit der EWG abschlossen.

Ab Mitte der 80er Jahre erhöhte sich der wirtschaftliche Integrationsgrad innerhalb der EU, insbesondere dank der Umsetzung des Binnenmarktprogramms (Realisierung der Vier Freiheiten: freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr). Um die möglichst weitgehende Teilnahme der sieben EFTA-Staaten am EU-Binnenmarkt zu ermöglichen, handelten die EFTA-Staaten und die EU 1992 das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum aus. Außer der Schweiz haben alle EFTA-Staaten das EWR-Abkommen ratifiziert, das am 1. Januar 1994 in Kraft trat.

Regelungen

Im EWR wurden die Zölle zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft und es gelten etwa 80 % der Binnenmarktvorschriften der EU. Jedoch handelt es sich nicht um eine Zollunion mit gemeinsamem Zolltarif. Ferner sind, anders als innerhalb der EU, Verbrauchsteuern bei der Einfuhr zu bezahlen. Dennoch ist der EWR aufgrund der Anwendbarkeit einer Vielzahl von Harmonisierungsvorschriften mehr als eine einfache Freihandelszone.

Für die EWR-Länder, die nicht Mitglied der EU sind, erfolgt die Überwachung des EWR-Abkommens und der abgeleiteten Vorschriften durch die EFTA-Überwachungsbehörde und den Gerichtshof der EFTA. Für die EU-Mitgliedstaaten sind die Europäische Kommission sowie der Europäische Gerichtshof zuständig. Das EWR-Abkommen wird regelmäßig an die Entwicklung des relevanten EG-Rechts (sogenannter Acquis communautaire) angepasst.

Organe

Der EWR-Vertrag überträgt Aufgaben an mehrere Organe, die legislative, exekutive, judikative oder beratende Funktion haben.

Legislativorgane

Der Rat setzt sich aus den Vertretern der Regierungen der Mitgliedsstaaten zusammen. Er entwickelt Leitlinien, die die Umsetzung der Vertragsziele gewährleisten und von den Mitgliedsstaaten beachtet werden müssen. Der Gemischte Parlamentarische EWR-Ausschuss setzt sich aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der Parlamente der EFTA-Staaten zusammen. Er kann seine Standpunkte in Form von Berichten oder Entschließungen abgeben.

Exekutivorgane

Der Gemeinsame Ausschuss überwacht die Umsetzung des Vertrags durch die Mitgliedsstaaten. In den EU-Staaten obliegt diese Aufgabe ferner der Europäischen Kommission, in den EFTA-Staaten der EWR-Überwachungsbehörde.

Judikativorgane

Vertragsverstöße von EU-Mitgliedsstaaten stellt der Europäische Gerichtshof fest, in den EFTA-Staaten ein unabhängiger EWR-Gerichtshof.

Konsultativorgane

Im Konsultativausschuss treffen Vertreter von Interessengruppen aus den Mitgliedsstaaten zusammen. Er hat ausschließlich beratende Funktion.

Entwicklung

  • 2. Mai 1992: Unterzeichnung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) durch die EU, die damals zwölf EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien und Vereinigtes Königreich) und die EFTA-Staaten (Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen, Österreich, Schweiz) in Porto.
  • 1. Januar 1994: In-Kraft-Treten des EWR-Abkommens für Finnland, Island, Norwegen, Österreich, Schweden.
  • 17. März 1994: Anpassungsprotokoll zum EWR-Abkommen, da die Schweiz das EWR-Abkommen nicht ratifiziert hatte.
  • 1. Mai 1995: In-Kraft-Treten des EWR-Abkommens für Liechtenstein.
  • 14. Oktober 2003: Unterzeichnung des Abkommens über die erste Erweiterung des Europäischen Wirtschaftsraums durch die EU, die EU-Beitrittskandidaten (Tschechien, Estland, Republik Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und Slowakei) und die verbleibenden EFTA-Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein, nicht jedoch die Schweiz) im Luxemburg.
  • 1. Mai 2004: In-Kraft-Treten des ersten Erweiterungsabkommens, gleichzeitig mit dem Beitritt der neuen Vertragsstaaten zur EU.
  • 25. Juli 2007: Unterzeichnung des Abkommens über die zweite Erweiterung des Europäischen Wirtschaftsraums durch die EU, die neuen EU-Mitgliedsstaaten (Bulgarien und Rumänien) und die verbleibenden EFTA-Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein, nicht jedoch die Schweiz) in Brüssel.
  • 1. August 2007: In-Kraft-Treten des zweiten Erweiterungsabkommens für Bulgarien und Rumänien, sieben Monate nach deren EU-Beitritt.

Umsetzung in den Vertragsstaaten

Finnland, Schweden und Österreich

Finnland, Schweden und Österreich traten am 1. Januar 1995 der EU bei. Die Regelungen der EWR-Vertrags kamen zwischen diesen Ländern und den anderen EU-Mitgliedsstaaten lediglich vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1994 zur Anwendung, danach hatte der EU-Vertrag Vorrang.

Schweiz

Die Schweiz hat als einziger EFTA-Staat das multilaterale EWR-Abkommen nicht ratifiziert nachdem eine knappe Mehrheit der Schweizer Bürger und eine deutliche Mehrheit der Kantone die Teilnahme der Schweiz in einem (verfassungsrechtlich nicht obligatorischen) Referendum am 6. Dezember 1992 abgelehnt hatten. Da es sich beim EWR nicht um eine internationale Organisation, sondern einen Wirtschaftsraum handelt, war das Referendum bloß fakultativ, wurde vom Bundesrat jedoch im Sinne einer demokratischen Legitimierung dem Volk unterbreitet. Die Schweiz genießt jedoch in den EWR-Gremien Beobachtungsstatus. Dies ermöglicht es den Eidgenossen, die Entwicklung des EWR- und des EG-Rechts aus der Nähe zu verfolgen. Des Weiteren wurde der Schweiz in Artikel 128 des EWR-Abkommens eine jederzeitige Beitrittsmöglichkeit eröffnet.

Schweizer Regierung verfolgt nun auf bilateralem Weg ihr Ziel, das Land wirtschaftlich an den Vier Freiheiten des EWR teilhaben zu lassen. Anders als beim EWR-Abkommen gibt es bei den bilateralen Verhandlungen nur zwei Verhandlungspartner (EU-Kommission und Schweizer Regierung), was speziellere Regelungen für die Schweiz ermöglichte. Zwei Jahre nach dem EWR-Nein wurden Verhandlungen über bilaterale sektorielle Abkommen aufgenommen, 1999 wurden schließlich sieben Bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU unterzeichnet, die zum 1. Juni 2002 in Kraft traten.

Liechtenstein

Eine Woche nach dem Schweizer „Nein“ genehmigte das liechtensteinische Volk den Beitritt. Der regierende Fürst hatte sich bereits für das EWR-Abkommen ausgesprochen. Da Liechtenstein gleichzeitig zum Schweizer Wirtschaftsraum gehört und mit der Schweiz eine Währungsunion bildet, musste der Vertragstext hinsichtlich dieser Überschneidungssituation überarbeitet werden. Das Anpassungsprotokoll zum EWR-Abkommen wurde am 9. April 1995 vom liechtensteinischen Volk genehmigt, so dass das Land dem Abkommen mit Wirkung vom 1. Mai 1995 beitreten konnte.

Bulgarien und Rumänien

Bulgarien und Rumänien sind seit 1. Januar 2007 EU-Mitglied, traten dem EWR jedoch erst am 1. August 2007 bei. Dies führte in der Übergangszeit zu der kuriosen Situation, dass der freie Binnenhandel zwischen den EFTA-Staaten und den beiden Beitrittsländern nur über den Umweg eines anderen EWR-Mitgliedsstaats vertraglich gesichert war.

Siehe auch