Schönheit

Schönheit ist ein abstrakter Begriff, der stark mit allen Aspekten menschlichen Daseins verbunden ist. Mit der Bedeutung dieses Begriffes beschäftigt sich hauptsächlich die philosophische Disziplin der Ästhetik. Wie jede Wertung, ist dieser emotional positiv belegte Begriff von Wertvorstellungen (Bewertungsmaßstäben) und Bewertungszielen abhängig, die auch durch gesellschaftliche Konventionen geprägt werden. Welche Wertmaßstäbe dem Begriff "Schönheit" zu Grunde liegen, und wie diese zu stande kommen, ist auch Untersuchungsgegenstand von Natur- und Geisteswissenschaften.
Allgemein
Psychologie und Soziologie
Psychologie und Soziologie betrachten die Bewertung "schön" in Abhängigkeit von gesellschaftlich und psychogenetisch geprägten Wertvorstellungen. Diese fundamentale Bewertung wird sowohl auf Empfindungen des Einzelnen angewendet, wie auch auf die gesamte menschliche und nicht-menschliche Umwelt eines Menschen. Die Bewertung hat daher Rückkopplungen auf die Psyche, auf alle Bereiche der menschlichen Gesellschaft und auf die außermenschliche Umwelt - mithin auf die Bildung und Änderung von Konventionen (siehe auch: Wertewandel).
Kunst
In der Kunst wird die "Schönheit" teilweise nicht nur zum Bewertungsmaßstab, sondern zum Ziel.
Naturwissenschaft
Naturwissenschaftliche Versuche, "Schönheit" zu definieren, beschränken sich meist auf die Angabe von "Idealmaßen" für das, was gemeinhin als schön empfunden wird, wobei umstritten bleibt, ob diese "Ideale" allgemeingültig sind oder nur Ausdruck einer immer wieder wechselnden Mode sind.
Alltag
Im Alltag wird als "schön" meist etwas bezeichnet, was einen besonders angenehmen Eindruck hinterlässt: ein schöner Körper, ein schönes Musikstück, eine schöne Bewegungsabfolge im Tanz, aber auch Erlebnisse wie z.B. Gestreichelt-Werden. Eine Nähe zu Begriffen wie Harmonie und Symmetrie fällt auf, eine Abgrenzung gegenüber sinnlicher Überwältigung oder dem "nur" Hübschen, dem das Besondere fehlt, ist nicht immer leicht.
Was in diesem alltäglichen Sinne als "schön" bezeichnet wird, ist bis zu einem gewissen Grade von wechselnden "Schönheitsidealen" abhängig, die sich beispielsweise in Schönheitswettbewerben äußern. So gibt es die These, dass in den Industriegesellschaften heutzutage nur deswegen besonders schlanke Menschen als schön gelten, weil Nahrung im Überfluss vorhanden ist, während unter anderen Umständen beleibte Menschen, die durch ihre Körperfülle Wohlgenährtheit signalisieren, als schön bezeichnet werden. Diese These scheitert aber wohl schon an dem Umstand, dass eine schlanke Figur als Ideal im Okzident weit älter ist als Industrialisierung und allgemeiner Wohlstand. Diese Argumentation gehört in den Kontext des Biologismus, demzufolge das als schön und erstrebenswert gilt, was einen biologischen Vorteil, z.B. bei der natürlichen Auslese, verspricht. Solchen Theorien zufolge ist z.B. Symmetrie ein Zeichen dafür, dass eine Person gesund aufwuchs und frei von sichtbaren genetischen Defekten ist. Diese Theorie wird allerdings zunehmend durch neue Ergebnisse relativiert (siehe hierzu eine aktuelle Studie der Uni Regensburg). Auch gibt es die Beobachtung, dass in allen Kulturen Frauen mit einem Taille-zu-Hüfteverhältnis von ungefähr 75% als schön gelten. Die Theorie des Taille-zu-Hüfte-Verhältnisses (WHR) entdeckte der Psychologe Devendra Singh; es ist bei den meisten Frauen ein Zeichen für ihre Fruchtbarkeit. Dass Schönheit als Kriterium vor allem an Frauen gemessen wird, ist wohl ein Attribut der patriarchalen Gesellschaft.
Die Einflüsse der Antike und des Christentums (Differenzierung von Körper und Geist, Askese) sollten für ein Verständnis okzidentaler Ästhetik nicht außer Acht gelassen werden.
Schönheitsanspruch
Bestimmte Menschen vermögen ihren Schönheitssinn zu entwickeln und zu verändern. Geringste Abweichungen eines Ideals empfinden sie als unschön. Viele Musiker hören minimale Abweichungen vom vorgegebenen Ton als Dissonanz. Je tiefer man sich auf ein bestimmtes ästhetisches Gebiet spezialisiert, desto höher wird der Schönheitsanspruch.
In der Philosophie gibt es seit der Antike Versuche zu verstehen, was Schönheit ist. Die den Pythagoräern zugeschriebenen Schriften zeigen, dass sie einen engen Zusammenhang zwischen Schönheit und bestimmten mathematischen Verhältnissen sahen, z.B. dem goldenen Schnitt oder den Zahlenverhältnissen, die den musikalischen Intervallen zu Grunde liegen. (Die moderne Forschung scheint dieses zu bestätigen: Menschen, deren Gesichter symmetrisch und dem goldenen Schnitt gemäß proportioniert sind, gelten attraktiver als andere.)
Insbesondere im Gefolge Platons verbreitete sich die Ansicht, schön sei, was "gut" ist. "Gut" ist dabei weniger im Sinne eines moralischen Urteils zu verstehen, sondern als Maß dafür, inwieweit ein Objekt mit seiner Idee übereinstimmt. So ist ein Tisch dann schön, wenn er ein besonders guter Tisch ist, also besonders geeignet dafür, ihn als Tisch zu verwenden. Auf diese Weise wird versucht, dem Begriff "Schönheit" eine allgemeine, zeitübergreifende Bedeutung zu geben. In diesem Sinne können auch Dinge "schön" sein, deren Auswirkungen aus menschlicher Sicht alles andere als gut sind, z.B. Wirbelstürme.
Die Bewertung von Kunstwerken auf Basis dieser Vorstellung ist weniger offensichtlich und steht nicht selten in Widerspruch zu modernen Einschätzungen. Allerdings werden auch heute nicht alle als ästhetisch anspruchs- und wertvoll geltenden Kunstwerke als "schön" bezeichnet, z.B. bestimmte groteske oder sarkastische Werke.
Schönheit und Komplexität
Gelegentlich wird versucht, den Begriff der Schönheit über den Begriff der Komplexität, insbesondere theoretisch anhand der Kolmogorow-Komplexität zu fassen. Dass hier kein einheitlicher Ansatz existiert, zeigt die Tatsache, dass einmal Objekte mit hoher Komplexität, ein andermal solche mit niedriger Komplexität als "schön" definiert werden.
Ein schöner Kreis hat beispielsweise niedrigere Komplexität als ein schönes Pferd. Deswegen ist er nicht notwendigerweise schöner, und viele würden sagen, Kreise und Pferde sind gar nicht vergleichbar. Jürgen Schmidhubers komplexitätsbasierte Theorie der Schönheit sieht daher das subjektiv schönste Muster aus einer Reihe vergleichbarer Muster als dasjenige mit der kürzesten Beschreibung in der Musterkodiersprache des subjektiven Beobachters. Dieser Ansatz führte ihn auch zum Konzept Kaum Komplexe Kunst, der Minimalkunst des Informationszeitalters.
Zitate
- Man nennt das Bild des Teufels "schön", wenn es die Hässlichkeit des Teufels gut wiedergibt und also hässlich ist (Bonaventura)