Dispokinesis
Die Dispokinesis
Ursprung und Begriffsdefinition
Die Dispokinesis wurde begründet durch den niederländischen Pianisten und Physiotherapeuten Gerrit Onne van de Klashorst. Der Name „Dispokinesis“ ist eine Wortschöpfung aus dem lateinischen „disponere“, über etwas verfügen bzw. „Disposition“, Haltung, und dem griechischen „kinesis“, Bewegung. In diesem Sinne ist das Ziel dieser ausdrücklich für Musiker entwickelten Körperarbeit das freie Verfügung über Haltung und Bewegung.
Zielsetzung
Die Dispokinesis versteht sich sowohl als präventive wie auch akute Gesundheitsförderung von Musikern für Musiker. Ihr Ziel ist die Entwicklung, Erhaltung bzw. Wiederherstellung der uneingeschränkten Ausdrucksfähigkeit des Musikers.
Die Disposition des Musikers
Haltung und Bewegung des Menschen werden verstanden als Ausdruck seiner inneren Befindlichkeit, Gefühle und Vorstellungen. Beim Singen und Tanzen, beim Spielen eines Instrumentes und Dirigieren wird deutlich, dass „E-motionen“ ein motorisches Geschehen sind, nämlich bewegt werden durch Musik. Gelingt dieses ohne Hemmungen körperlicher, mentaler oder psychischer Art, ist der Musiker „disponiert“. Die Symptomatiken von Musikerleiden, (schmerzhafte)Verspannungen, Bühnenängste, Überbelastungssyndrome bis hin zur Berufsunfähigkeit (Stichwort: fokale Dystonie) werden verstanden als Indispositionen, die im Laufe der Entwicklung durch exogene als auch endogene Einflüsse entstehen können. Diese Indispositionen überlagern die dem Menschen und Musiker ursprünglich innewohnende Disposition, was im Verlauf seiner Entwicklung in Störungen und Krisen zutage tritt. Dazu zählen körperliche und seelische Traumata, Überbelastungen, negative Vorbilder, eine ungenügende sensomotorische Entwicklung, schlechte Stühle, fehlende oder falsche Vorstellungen über Bewegungsabläufe, Atmung und Ansatz, übertriebener Ehrgeiz und Konkurrenzkampf usw..
Methodik
Der dispokinetische Ansatz umfasst
- die Bewusstwerdung und Reorganisation solcher Indispositionen mittels der sog. "Urgestalten" von Haltung und Bewegung. Es sind Übungen, „Gestalten“ in denen eine natürliche körperliche Aufrichtung erfahrbar wird als Basis für die Haltung mit und zum Instrument. Darüber hinaus zeichnen sie in ihrem Verlauf die motorische Entwicklung des Menschen bis zum Stehen nach und ermöglichen so die (Nach-) Reifung der Senso- bzw. Psychomotorik.
- Dies ist die Voraussetzung für ökonomische und leichte Spielbewegungen, einen frei fließenden Atem und mühelosen Ansatz. Hierzu gibt es spezielle Übungen zu Spieltechnik, Atmung und Ansatz aller verschiedenen Instrumente inkl. Gesang und Dirigieren. Das Ziel ist Ökonomie und die Fähigkeit, musikalische Vorstellungen direkt in angemessene (Spiel-) Bewegungen umsetzen zu können.
- Im Bereich Funktionalität arbeitet die Dispokinesis gegebenenfalls auch mit speziellen ergonomischen Hilfsmitteln, wenn es darum geht, die Spielfähigkeit zu erweitern.
Das Fachgebiet
Die Dispokinesis ist eine Arbeit von Musikern für Musiker. Sie basiert auf dem Wissen über anatomische, physiologische, neurologische und psychologische Zusammenhänge von Haltung, Bewegung und Ausdruck. Examinierte Dispokineter sind auch Berufsmusiker. Die dreijährige, postakademische und berufsbegleitende Ausbildung zum Dispokineter umfasst neben Grundlagen der obengenannten Basiswissenschaften
- eine vertiefende persönliche Entwicklung mit dem eigenen Instrument
- Das Unterrichten der sog. „Urgestalten“
- Das Kennenlernen aller Instrumente mit ihren spezifischen Themen wie Atmung, Ansatz, Feinmotorik etc.
- Psychologie, Gesprächstechniken, Supervision
- Umgang mit Lampenfieber und Bühnenangst
Hilfe zur Selbsthife
Die Dispokinesis ist aufgrund ihres in erster Linie pädagogischen Ansatzes besonders geeignet für die präventive Gesundheitsförderung von Musikern. Im Rahmen der Musikphysiologie bzw. der Musikermedizin gehört sie zu den anerkannten Verfahren zur Behebung von Musikerproblemen.
Literatur
G.O. v.d. Klashorst. The disposition of the musician. Broekmans & van Poppel, Amsterdam
H. Hildebrandt (2002). Musikstudium und Gesundheit. Peter Lang, Bern
A. Stockmann (1994) „Dispokinesis“, in Musikmachen, spannend, aber nicht verspannt. Beiträge zur Körperarbeit mit Musikern, LAG-Verlag, Remscheid
A. Stockmann (11/1996). Die Disposition des Musikers. In „Das Orchester“. Schott Verlag