Zum Inhalt springen

Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. März 2005 um 13:51 Uhr durch Weiße Rose (Diskussion | Beiträge) (Artikel ist keine Liste). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, LDS, im folgenden Die Kirche) ist eine christliche Glaubensgemeinschaft und heute die bei weitem größte Kirche innerhalb der Mormonen genannten Konfessionsgruppe. Formell gegründet wurde die Kirche von Joseph Smith jun. am 6. April 1830 in Fayette im US-Bundesstaat New York. Heute hat sie ihren Hauptsitz in Salt Lake City im Bundesstaat Utah.

Mitglieder der Kirche, die sich selbst „Heilige der Letzten Tage“ (englisch Latter-day Saints) nennen, verstehen ihren Glauben als eine durch Gott eingerichtete Erneuerung der Kirche, die, wie im Neuen Testament beschrieben, ursprünglich durch Jesus Christus gestiftet wurde. Daher sehen sie sich eindeutig als Christen, doch unterscheiden sich Lehre und Praxis der Kirche in vielen Punkten von denen der traditionellen christlichen Zweige (orthodoxe, römisch-katholische und evangelische Kirchen), weshalb diese der Kirche überwiegend absprechen, zum Christentum zu gehören.

Lehre

Die Kirche behauptet, in ihrer Lehre auf das ursprüngliche Christentum zurückzugreifen. Sie betrachtet viele Lehren der anderen christlichen Gemeinschaften als nicht ursprünglich und daher als nicht relevant. Die Kirche bezeichnet sich selbst als die "einzig vollständig wahre Kirche auf Erden". Das ist auch der Grund, warum sich die Kirche in ökumenischen Bemühungen nicht einbringt. Ein Dialog zum gegenseitigen Verstehen mit anderen, auch mit nichtchristlichen Religionsgemeinschaften, wird hingegen ausdrücklich begrüßt.

Offenbarung

Die Kirche behauptet, durch fortlaufende Offenbarung von Jesus Christus an den jeweiligen Propheten und an die anderen Kirchenführer geleitet zu werden. Darüber hinaus erklärt sie, dass jeder Mensch ein Anrecht darauf habe, für seinen persönlichen Bereich direkte göttliche Offenbarung zu empfangen. So könne auch jeder, der eine Führungsaufgabe in der Kirche übernommen hat, dafür Offenbarungen beanspruchen. Das Fortlaufen der Offenbarung begründet auch, dass der Schriftenkanon nicht abgeschlossen ist.

Schriftenkanon

Als kanonische Schriften anerkennt die Kirche an erster Stelle das Buch Mormon, dann die Bibel mit Altem und Neuem Testament sowie Lehre und Bündnisse und die Köstliche Perle. Dieser Schriftenkanon ist nicht abgeschlossen, da die Kirche für sich in Anspruch nimmt, fortgesetzt Offenbarung zu erhalten, die dann gelegentlich als Erweiterung in den Kanon einfließt.

Der Wert der Bibel wird relativiert, da sie als nicht vollständig überliefert und durch Übertragungsfehler teilweise entstellt angesehen wird. Dazu gibt es die sogenannte Joseph-Smith-Übersetzung, eine stellenweise Ergänzung und Neuinterpretation der King-James-Bibel. Dies ist jedoch nicht als eine Übersetzung im heutigen Wortsinn zu verstehen -- Smith konnte kein Griechisch und nur rudimentär Hebräisch -- sondern als eine durch Offenbarung geschaffene Neuinterpretation, ähnlich des Übersetzungsvorgangs des Buch Mormon, wie er sich im Glauben der Kirche darstellt.

Für die englische Sprache wird in der Kirche eine eigene Ausgabe der King-James-Bibel verwendet, in der als Fußnoten bzw. als Anhang die Übersetzungen von Joseph Smith aufgenommen sind. Außerdem enthält sie Querverweise zu den anderen kanonischen Schriften der Kirche.

Deutschsprachige Mitglieder benutzen heute im offiziellen Gebrauch die Einheitsübersetzung der Bibel. Daher finden sich wesentliche Teile der Joseph-Smith-Übersetzung im Schriftenführer, der im Zuge der deutschsprachigen Neuausgabe 2003 in die Dreifachkombination (Buch Mormon, Lehre und Bündnisse und Köstliche Perle in einem Band) aufgenommen wurde.

Plan der Erlösung

Die Kirche sieht den Zweck der Erde darin, den Menschen, die alle Geistkinder Gottes seien, einen Ort weiteren Lernens in der Körperlichkeit zu verschaffen. Damit sei auch ein vorübergehendes Vergessen eines vorirdischen Daseins als Geistwesen verbunden. Deshalb wird den Mitgliedern der Kirche von der Ersten Präsidentschaft nahegelgt, möglichst viele Kinder zu bekommen und wenn es die finanziellen Mittel erlauben keine Verhütung zu betreiben. Sechs Kinder und mehr sind bei Kirchenmitgliedern durchaus keine Seltenheit.

Jeder Mensch könne sich immer entscheiden, ob er das Gute oder das Böse tun wolle. Allerdings seien die natürlichen und für die Entwicklung notwendigen Schwächen die Ursache dafür, dass jeder Mensch Falsches tue, also sündige. Damit sei er verunreinigt und aus eigener Kraft nicht im Stande, in die Gegenwart Gottes zurückzukehren. Das durchschnittliche Mitglied vertritt demnach eine Weltsicht, die klar auf der Unterscheidung zwischen Gut und Böse basiert.

Jesus Christus habe durch sein Sühnopfer allen Menschen die Möglichkeit gegeben, von ihren Sünden umzukehren und nach allem, was sie selbst tun können, aus Gnade errettet zu werden. Dazu sei die Taufe durch einen dazu Bevollmächtigten unerlässlich; diese Vollmacht hätten nur die Priester dieser Kirche.

Nach dem Tod habe der Mensch den Körper verloren, lebe aber als Geistwesen weiter und könne weiter lernen. Wer im Erdenleben die gültige Taufe durch einen Priester der Kirche nicht empfangen habe, für den könne dieses Sakrament stellvertretend von einem Lebenden empfangen werden (siehe Totentaufe). Dies bedeute jedoch nicht, dass derjenige, der zu Lebzeiten die Möglichkeit der Taufe hatte, sie aber nicht vollzogen hat, sich trotzdem nach dem Tod noch Taufen lassen könne.

Am Ende der Entwicklung stehe die Auferstehung mit dem Jüngsten Gericht, in dem Jesus Christus jedem die ihm gebührende Herrlichkeit zuteilen werde: Dies sind nach der Lehre der Kirche das "Celestiale Reich" mit der größten Herrlichkeit (Gegenwart Gott Vater), das "Terrestriale Reich" (Gegenwart von Jesus Christus) als mittleres und das "Telestiale Reich" (Wirkung des Heiligen Geistes) als niederstes. Nur wer bewusst Gott leugne, obwohl er ihn erkannt hat, der werde in die äußerste Finsternis gestoßen werden und ein "Sohn des Verderbens" werden. Mehr dazu siehe unter Reiche der Herrlichkeit. Nur in der höchsten Herrlichkeit, dem "celestialen Reich" soll eine Vermehrung zwischen gesiegelten Mitglieder möglich sein. In den übrigem Herrlichkeiten ist keine Vermehrung und kaum Fortschritt möglich.

Vollmachtsanspruch

Die Kirche erklärt, dass nur jemand, der die Vollmacht von Jesus Christus bekommen habe, in seinem Namen sprechen und heilige Handlungen durchführen dürfe. Sie ist der Meinung, dass nur ihre „Priestertumsträger“ diese Vollmacht hätten und sonst niemand auf der Welt.

Diese Vollmacht sei von Jesus Christus auf die Apostel, also auch Petrus, Jakobus und Johannes übertragen worden. Diese seien als auferstandene Wesen Joseph Smith erschienen und hätten ihm diese Vollmacht übertragen. Von Jospeh Smith ausgehend sei diese Vollmacht von Generation zu Generation in ungebrochener Linie weitergegeben worden. Siehe auch Apostolische Sukzession.

Der Name der Kirche

In Lehre und Bündnisse, Abschnitt 115 Vers 4, schreibt Joseph Smith als Offenbarung von Gott: "denn so soll meine Kirche in den letzten Tagen genannt werden, nämlich: Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage." Dies war jedoch nicht der ursprüngliche Name der Kirche. Als die Kirche am 6. April 1830 gegründet wurde, hieß sie noch "Die Kirche Christi". Dieser Name wurde jedoch am 3.Mai 1834 durch den einstimmigen Beschluß der Kirchenführung in »Die Kirche der Heiligen der letzten Tage« geändert. Am 26. April 1838 wurde der Name schließlich ein letztes Mal geändert. Es wurde der Name Jesu Christi wieder eingefügt.

Durch den Namen wird verdeutlicht, dass in der Kirche Jesus Christus im Mittelpunkt stehen soll und auch, dass es die wiederhergestellte "Kirche Jesu Christi" im Neuen Testament ist. Die Formulierung "der Letzten Tage" unterscheidet namentlich die Kirche von eben dieser ursprünglichen "Kirche Jesu Christi" in neutestamentlicher Zeit. Smith sah mit seiner Mission die Endzeit eingeläutet, an einen unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang glaubte er allerdings, soweit festzustellen, nicht.

Entstehung und Geschichte

Die Kirche entstand im ländlichen Norden des Staates New York am Anfang des 19. Jahrhunderts, als diese Gegend noch zivilisatorisches Neuland war. Die dort lebende Bevölkerung war im wesentlichen protestantisch und bibelgläubig, gehörte aber oft keiner Kirche an. Auch abergläubische Vorstellungen waren weit verbreitet. Manchmal bekannten sich verschiedenene Familienmitglieder zu unterschiedlichen Konfessionen.

Gründung (1820-1830)

Der spätere Gründer, Joseph Smith jun., erklärte, im Jahre 1820 nach einem Gebet über die Frage, welche Kirche die wahre sei, eine Vision gehabt zu haben. In dieser so genannten Ersten Vision seien ihm Gott Vater und Jesus Christus erschienen. Diese hätten ihm mitgeteilt, dass alle zu jener Zeit bestehenden Kirchen im Irrtum seien und er sich keiner anschließen dürfe. Die Version der „ersten Vision" von 1839 wurde schließlich in die offizielle Geschichte der Kirche und in den Schriftenkanon aufgenommen. Es wurden jedoch vor 1839 bereits zwei andere Versionen der sog. „Ersten Vision" Smiths veröffentlicht. In der Version von 1832 berichtet Smith, dass er im Alter von 16 Jahren in den Himmel geblickt, die Stimme Gottes vernommen und dieser ihm mitgeteilt habe, dass ihm alle Sünden vergeben seien. In der Version von 1835 soll Smith 14 Jahre alt gewesen sein, als ihm eine himmlische Gestalt und danach eine weitere Gestalt und viele Engel angeblich erschienen sind. Unmittelbar vor dieser Erscheinung, so berichtet Smith, habe er bemerkt, wie seine Zunge angeschwollen und er nicht mehr in Lage gewesen sei zu sprechen.

In den Jahren von 1823 bis 1827 habe er weitere Erscheinungen gehabt, diesmal von einem Engel namens Moroni, der ihm den Auftrag gegeben habe, das Buch Mormon von goldenen Platten, die seit Jahrhunderten in einem von Moroni Cumorah genannten nahen Hügel lagerten, zu übersetzen. Joseph Smith sagte dann, er habe das Buch mit Hilfe der ebenfalls bei den Platten aufbewahrten "Sehersteinen" Urim und Tummim übersetzt. Das Buch wurde 1830, kurz vor der Gründung der Kirche, erstmals veröffentlicht.

1829 sei Joseph Smith und seinem Mitarbeiter Oliver Cowdery der auferstandene Johannes der Täufer erschienen und habe ihnen das Aaronische Priestertum mit der Vollmacht zu taufen übertragen. Einige Wochen später seien die Apostel Christi Petrus, Jakobus und Johannes erschienen und hätten ihnen das Melchisedekische Priestertum übertragen, wodurch der Weg für die "Wiederherstellung" der Kirche Jesu Christi frei gemacht worden sei. Die formelle Gründung erfolgte am 6. April 1830 mit Joseph Smith als "erstem Ältesten" und Präsidenten und Oliver Cowdery als "zweitem Ältesten", Hyrum und Samuel Smith (Brüder von Joseph), sowie Peter Whitmer jun. und David Whitmer als eingetragene Mitglieder.

Die Kirche fand rasch glühende Anhänger und erbitterte Gegner. Aus dieser Zeit stammen die ersten Zeitungsartikel und Flugblätter mit Beschreibungen von Joseph Smith's angeblich miesem Charakter. Auf der anderen Seite sandte Joseph Smith bereits im Jahr 1830 seinen Bruder Samuel als ersten Missionar aus, einige Exemplare des Buches Mormon im Rucksack.

Auf der einen Seite schlossen sich relativ viele Menschen aus dem Umland der neuen Kirche an, auf der anderen Seite machten gegnerisch Eingestellte den Mitgliedern durch Boykott, Anzeigen und manchmal auch durch Tätlichkeiten das Leben schwer.

Kirtland und Missouri (1830-1840)

Aufgrund dieser unerquicklichen Umstände verlegte Joseph Smith den Hauptsitz der Kirche bereits 1831 nach Kirtland in Ohio. Dies bedeutete den Umzug der meisten Mitglieder unter Verlust ihrer Farmen und Geschäfte, die sie im noch kaum besiedelten Ohio neu aufbauten.

In Kirtland errichtete die Kirche ihren ersten Tempel, in dem Joseph Smith 1836, wie er in Lehre und Bündnisse Abschnitt 110 ausführt, weitere Vollmacht, im Namen Gottes zu handeln, erhalten haben will. 1834 war das "Kollegium der zwölf Apostel" als Führungsgremium unter Joseph Smith als Propheten in Leben gerufen worden.

Aufgrund des Zusammenbruchs der Kirtland Antibanking Society, eines von Joseph Smith privat gegründeten Kreditinstitutes im Jahr 1837, verloren viele, auch führende Mitglieder der Kirche, viel Geld. Dies veranlasste eine größere Anzahl, das göttliche Mandat Joseph Smiths nicht nur zu bezweifeln, sondern als Lüge zu bekämpfen.

Inzwischen hatte Joseph seine Fühler nach Missouri, damals die Grenze der USA im Westen, ausgestreckt und dort Kircheneinheiten gegründet. Er wollte die Kirche zentral dorthin verlegen und steckte in der Stadt Far West bereits einen Platz für einen weiteren Tempel aus.

Nach blutigen Verfolgungen im Jahr 1833 flohen die "Heiligen", wie sie sich nannten, in nördlichere Kreise des Staates Missouri. Dort wurde Joseph Smith verhaftet und gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern ins Gefängnis gesteckt.

Durch Gegner der Kirche aufgehetzt, erließ Gouverneur Lilburn Boggs 1838 einen Ausrottungsbefehl, der besagte, die „Mormonen müssen aus dem Staat vertrieben oder vernichtet werden“.

Nauvoo (1840-1845)

Die Heiligen wurden in Illinois aufgenommen und gründeten dort als neuen Anfang am Ufer des Mississippi am Ort Commerce die Stadt, die sie dann Nauvoo nannten. Von dort aus begann das Missionswerk in alle Welt, besonders nach Europa. Wieder wurde ein Tempel gebaut. Nauvoo erhielt einen Sonderstatus, praktisch als Stadtstaat mit eigener Miliz, der Nauvoo Legion.

1842 wurde in Nauvoo die Frauenhilfsvereinigung als Organisation der Frauen in der Kirche unter der Leitung von Emma Smith, der Ehefrau des "Propheten" gegründet.

An der Vernichtung der Druckerpresse einer feindlichen Zeitung entzündete sich der Volkszorn, was schließlich in der Ermordung von Joseph Smith und von seinem Bruder Hyrum am 27. Juni 1844 gipfelte. Über der Nachfolgefrage entzündete sich ein heftiger Streit, der zu einer Reihe von Abspaltungen führte. Der dienstälteste Apostel, Brigham Young, übernahm die Führung des Hauptteils der Mitglieder.

Der Exodus

Schon Joseph Smith hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob die Kirche nicht in eine menschenleere Gegend ziehen solle, um weiteren Verfolgungen zu entgehen. Dies realisierte Brigham Young mit dem (vorzeitig erzwungenen) Auszug fast aller "Heiliger" aus Nauvoo und deren Übersiedlung in das Tal des Großen Salzsees in den Rocky Mountains.

Im Selbstverständnis der Kirche ist dies „das große, teils tragische, teils glorreiche Epos der Heiligen der Letzten Tage, auf das in Reden, Theaterstücken und Filmen immer wieder Bezug genommen wird“. (Zitat eines Mitglieds der Kirche.)

Salt Lake City, seither Hauptsitz der Kirche, wurde mit Ankunft von Brigham Young am 24. Juli 1848 praktisch gegründet.

Konsolidierung in Salt Lake City (1850-1896)

Zunächst hieß es in den Rocky Mountains überleben und ein funktionierendes Gemeinwesen aufzubauen. Dennoch wurden rasch Missionare ausgesandt, die vor allem im Osten der USA, in Kanada und Europa versuchten, Menschen von der Wahrheit ihrer Lehren zu überzeugen. Dazu gehörte damals auch die „Sammlung in Zion“, das Auswandern in den neu gegründeten Staat Deseret. Mit den Neuankömmlingen und der starken Vermehrung, bedingt durch das religiös begründete Ausüben einer Mehrehe (Polygamie), wuchs die Kirche in den Rocky Mountains an Zahl und an Einfluss.

Die frühe Geschichte von Utah und die des Staates Deseret wurden sehr stark durch die Kirche geprägt. In diesem Zusammenhang steht auch der Utah-Krieg von 1857.

Verquickt mit der Sklavenfrage kämpfte die amerikanische Innenpolitik gegen die Praxis der Vielehe und machte durch immer restriktivere Gesetze der Kirche zunehmend das Leben schwer; zuletzt bis zur Massenverhaftung von Mitgliedern und groß angelegten Beschlagnahmung von Kircheneigentum, wie z.B. Grundstücken und Kirchengebäuden. Als Reaktion darauf kapitulierte im Jahr 1890 der damalige vierte Präsident und Prophet Wilford Woodruff und erklärte die Vielehe als nicht mehr akzeptabel in der Kirche (siehe Amtliche Erklärung Nr. 1 im Buch Lehre und Bündnisse). Dadurch wurde auch 1896 Utah die Eigenständigkeit als Bundesstaat zu gebilligt. Aber erst unter der Präsidentschaft von Joseph F. Smith (1901-1918), dem Neffen des Gründers, räumte die Kirche auch in eigener Regie in ihrem Inneren rigoros mit den heimlichen Resten der Polygamie auf.

Weltweite Ausbreitung (seit 1900)

Nach der rechtlichen Anerkennung und der finanziellen Konsolidierung ging die Kirche vor allem nach dem Ersten Weltkrieg in eine Phase internationaler Ausbreitung. In dieser Zeit wurde auch die Auffassung verlassen, dass sich möglichst alle Mitglieder in Utah sammeln sollten. Seither sollen die Mitglieder die Kirche in den Gegenden der Welt aufbauen, wo sie zu Hause sind.

Bis 1978 konnten nur Weisse Priester werden und Führungsaufgaben übernehmen. Präsident Spencer W. Kimball erließ 1978 die Amtliche Erklärung Nr. 2 (siehe Lehre und Bündnisse), die besagt, dass nunmehr alle Männer, unabhängig von ihrer rassischen Herkunft, das Priestertum erhalten können.

Mittlerweile (2004) hat die Kirche mehr als 12 Millionen Mitglieder von denen mehr als die Hälfte außerhalb der USA leben. Ein wichtiger Schwerpunkt ist Lateinamerika und Afrika und Osteuropa zeigen starkes Wachstum. Ein Zeichen für die stärkere internationale Präsenz der Kirche ist der Bau von Tempeln. In den Industriestaaten des westlichen Europas ist die Mitgliederzahl eher rückläufig oder sie stagniert.

Organisation

In allen Kirchenebenen werden Mitglieder in Ämter berufen. Eine Berufsgeistlichkeit gibt es nicht, auch keine schulische Ausbildung zum Geistlichen.

In der Kirche herrscht strenge Hierarchie, die aber zeitlich stark wechselt und flexibel den Gegebenheiten der Zeit und des Ortes angepasst werden kann. Niemand kann sich um ein Amt bewerben, sondern man wird in ein Amt berufen, nach Überzeugung der entsprechenden Verantwortlichen, stützt sich die Auswahl eines bestimmten Funktionsträgers auf persönliche Offenbarung an denjenigen, der ihn beruft. Wer wen in welcher Organisationsebene zu berufen hat, ist genau festgelegt. Nachdem jemand ausgewählt wurde, wird er oder sie in einem vertraulichen Gespräch vom Verantwortlichen gefragt, ob er das Amt annimmt. Ist dies der Fall, wird er in einer öffentlichen Versammlung den betroffenen Mitgliedern zur Zustimmung vorgelegt. Durch Handaufheben erkären sich die Mitglieder mit der Berufung einverstanden und verpflichten sich, die Person in ihrer neuen Berufung zu unterstützen. Sie haben auch die Möglichkeit sich ebenfalls durch Aufheben der Hand dagegen auszusprechen. Auch der Prophet wird so bestätigt.

Dieser Grundsatz gilt nur für die Kirche in ihrer seelsorgenden Funktion selbst, nicht für von ihr gegründete, unterstützende Organisationen, wie beispielsweise das Bildungswesen der Kirche oder die Bereiche Verwaltung, Bauwesen, Lehrmittelherstellung, Übersetzung usw., die professionelle, vollzeitige berufliche Arbeit erfordern.

Berufungen werden, mit Ausnahme der Funktion des Propheten und der Apostel, die bis zum Lebensende währen, für begrenzte Zeit ausgesprochen. Dadurch wechselt die Position eines Mitgliedes in der Hierarchie üblicherweise mehrmals im Leben und kann von Aufgaben auf Gemeindeebene durchaus zu Aufgaben auf Weltebene und wieder zurück führen.

Auch wenn Frauen nicht das Priestertum tragen können, haben sie dennoch Führungsaufgaben auf allen Ebenen inne.

In der Führung der Kirche spielt der Grundsatz der Offenbarung eine sehr wichtige Rolle. Es wird gelehrt, dass jeder ganz persönlich im Zwiegespräch mit Gott Antwort auf Fragen und Hilfe beim Lösen von Problemen erhalten könne, aber nur bezogen auf seinen Verantwortungsbereich. So könne beispielsweise ein Gemeindeleiter Offenbarung bezüglich Fragen in der Leitung der Gemeinde, aber nicht für die gesamte Kirche erhalten. In dieser Lehre manifestiert sich wiederum die streng geordnete Hierarchie der Kirche. Wenn sich jeder Amtsträger in seinen Entscheidungen darauf beruft, er habe ein Anrecht auf Offenbarung und er habe solche Offenbarung auch erhalten, ist im Rahmen der Organisation eine "Reform von unten" oder gar eine "Revolution von unten" undenkbar.

Weltebene

Datei:Allgemeine Organisation der LDS-Kirche.png
Schematische Darstellung der allgemeinen Organisation

Regionale Ebene

Datei:Regionale Organisation der LDS-Kirche.png
Schematische Darstellung der regionalen Organisation

Lokale Ebene

Datei:Lokale Organisation der LDS-Kirche.png
Schematische Darstellung der lokalen Organisation

Kirchenleben

Ein wesentlicher Teil des Kirchenlebens spielt sich in den für diesen Zweck errichteten Gemeindehäusern ab. Sie sind für alle Veranstaltungen allgemein zugänglich. Neben den Gottesdiensten finden dort gesellige Veranstaltungen von Ballspielen bis zu Theaterstücken und Tanzabende statt.

Ein weiterer Ort für das Kirchenleben sind die Tempel. Sie sind Mitgliedern „in gutem Stande“ vorbehalten, die dazu eine schriftliche Empfehlung ihres Bischofs brauchen.

Ansonsten beeinflusst die Kirche das Familienleben sehr stark.

Sonntagsgottesdienst

Der übliche Gottesdienst am Sonntag umfasst:

  • Die Abendmahlsversammlung (ca. 70 min)
Dies ist der wichtigste Teil des Gottesdienstes. Hier wird das Abendmahl in Form von Wasser und Brot gereicht, es werden Kirchenlieder gesungen und es gibt einige Predigten von Mitgliedern, männlich und weiblich, auch von Jugendlichen. Die Familien nehmen komplett daran teil.
  • Sonntagschule (40 min)
Hier gibt es unterschiedliche Klassen für Erwachsene, Jugendliche und für interessierte Außenstehende. Es werden Themen aus den Schriften, Aussagen von Propheten und anderer Kirchenführer besprochen.
  • Kollegiumsversammlung (50 min)
Hier treffen sich die Priestertumsträger nach Kollegien getrennt: "Diakone" (12 bis 14 Jahre), "Lehrer" (14-16 Jahre), "Priester" (16-18 Jahre), "Älteste und Hohepriester" (ab 18 Jahre). Ebenso treffen sich die Frauen in der Frauenhilfsvereinigung und die Mädchen von 12-18 Jahren in den Versammlungen der Jungen Damen. Hier werden die Lehren speziell für die Gruppe besprochen und diskutiert.
  • Primarvereinigung (während Sonntagschule und Kollegiumsversammlung)
Dies ist die wesentliche religiöse Erziehung der Kinder bis 12 außerhalb der Familie nach Altersgruppen getrennt.

Religionserziehung

Neben den sonntäglichen Versammlungen gibt es für Jugendliche von 14 bis 18 das Seminarprogramm und für junge Erwachsene von 18 bis 30 das Institutprogramm. Beides wird vom Bildungswesen der Kirche (CES) organisiert. Es findet je nach den örtlichen Umständen wöchentlich am Abend statt oder täglich am Morgen. Die meist ehrenamtlichen Lehrer werden von CES gestellt und fortgebildet.

Familienleben

Die Familie wird als zentral für die Errettung angesehen und ein aktives und positives Familienleben wird von den Kirchenführern sehr stark betont (siehe Proklamation für die Familie). Die Familie soll nicht nur geschlossen an den Sonntagsgottesdiensten teilnehmen, sondern soll wöchentlich, möglichst Montags, einen "Familienheimabend" abhalten. Dort können Probleme und Vorhaben der Familie besprochen werden. Auch sollen die Eltern diesen Abend nutzen, die Lehre ihren Kindern nahezubringen. Aktivitäten, die Spaß machen und eine Leckerei gehören ebenfalls dazu.

Die "Siegelung" im Tempel soll die Familienbande ewig machen.

Tempel

Von den Mitgliedern der Kirche wird der Tempel als ganz besonders heiliger Ort verstanden. Dort geht man Gott gegenüber besondere Verpflichtungen ein und wird über den Erlösungsplan in symbolischer Weise belehrt.

Das wichtigste Bündnis ist die "Ehesiegelung", wodurch Familienbande ewig werden.

Missionsdienst

Jedes Mitglied soll die Lehren unter seinen Bekannten nach Möglichkeit verbreiten, dabei aber nicht aggressiv auftreten, sondern die göttliche Entscheidungsfreiheit des einzelnen respektieren.

Junge Männer sollen ab dem 19. Lebensjahr 24 Monate lang einen vollzeitigen Missionsdienst absolvieren. Dazu werden sie vom "Propheten" in irgend einen Teil der Welt geschickt, wo sie, grundsätzlich gemeinsam mit einem Mitarbeiter, die Lehre ihrer Kirche verkünden sollen.

Auch Frauen ab 21 und ältere Ehepaare im Rentenalter können diesen Dienst, aber zeitlich verkürzt, erfüllen.

Die Arbeit dieser vollzeitigen Missionare wird von einem Missionspräsidenten beaufsichtigt, der für ein bestimmtes geographisches Gebiet zuständig ist und direkt dem "Kollegium der zwölf Apostel" unterstellt ist. Finanziert wird der Lebensunterhalt für diese Zeit von den Missionaren selbst oder von ihren Familien und Freunden.

Prägende Gebote

Mitglieder der Kirche sind dazu angehalten, völlig auf den Genuss von Alkohol, Tabak, Kaffee und schwarzem Tee zu verzichten sowie keine Drogen zu nehmen und sich gesund zu ernähren. Dieser Grundsatz, dessen Einhaltung eine Bedingung für den Besuch eines Tempels darstellt, ist bekannt als "das Wort der Weisheit".

Von jedem Mitglied soll "der Zehnte" bezahlt werden, das heißt zehn Prozent des Einkommens. Auch dies ist Bedingung für den Tempelbesuch. Das Geld wird für die Finanzierung von Bauprojekten, Gebäudeunterhalt, Lehrmittel, Aktivitäten und anderes verwendet. Mitglieder der Kirche bezeichnen das Zahlen des Zehntens als eine Art Feuerversicherung. All diejenigen, die den vollen Zehnten zahlen, sollen am Ende der Welt im Gegensatz zu allen anderen Menschen "nicht brennen müssen".

Das Gebot der Keuschheit bedeutet völlige sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe und vollständige Treue in der Ehe. Auch dieses Gebot ist eine Bedingung für den Besuch von Tempeln. Übertretungen hinsichtlich dieses Gebotes führen grundsätzlich zur strengen Sanktionen bis hin zur Exkommunikation.

Unter "Sabbatheiligung" versteht man in der Kirche den Besuch des Gottesdienstes und den Verzicht auf kommerzielle und sportliche Betätigung z.B. Schwimmen im Freibad am Sonntag. Auch sollen Mitglieder der Kirchen sich am Sabbath nicht mit weltlichen Dingen wie z.B TV schauen, beschäftigen. Statt dessen soll man sich mit familienzentrierten und geistlichen Dingen, wie dem Studium der mormonischen Schriften, befassen.

Verhältnis zu Außenstehenden

Die Kirche ist, vor allem durch die Genealogische Gesellschaft von Utah bei der Ahnenforschung behilflich. Viele internationale Hilfsorganisationen loben zudem die Zusammenarbeit mit der Kirche in humanitären Hilfsprojekten.

Kritik

Folgende Kritikpunkte stammen nicht nur von Außenstehenden, sondern teilweise auch von ehemaligen Mitgliedern und konfessionellen Weltanschauungsbeauftragten und Wissenschaftlern.

Grundsätzlich werden Zweifel bezüglich Joseph Smith und der Authentizität seiner Visionen geäußert; er habe seine Werke statt dessen durch Phantasie und Adaption anderer Lehren selbst erstellt. Die Lehre von der "Mehrzahl der Götter" (engl. plurality of gods) sei Polytheismus und nicht mit dem Christentum zu vereinbaren. Kritiker sehen einen Widerspruch zwischen dem allgemeinen "Anrecht auf Offenbarungen" einerseits und der internen Hierarchiebildung durch Offenbarungen andererseits. Der Kirchenführung wird vorgeworfen, die eigene Geschichte zu verfälschen und negative Punkte zu verheimlichen. Kritisiert werden ferner ihr autoritärer Führungsstil, die Forderung der Abgabe "des Zehnten" und manche geschäftlichen Aktivitäten. Themen, die Kritiker oft anführen, sind der Utah-Krieg von 1857, der innerkirchliche Geheimbund namens Daniten gegründet 1837, sowie die offiziell von 1852 bis 1890, tatsächlich wohl schon seit ca. 1840 gepflegte Polygamie.

Weiterhin erweist es sich für die Kirche als problematisch, dass die Sprach- und Geschichtswissenschaft die Übersetzung des in der Köstlichen Perle enthaltenen Buch Abraham durch Joseph Smith so nicht anerkennt. Führende Ägyptologen und Spezialisten auf dem Gebiet der Hieroglyphen-Entschlüsselung sind der Überzeugung, dass die Hieroglyphen in den abgedruckten Faksimiles in der Köstlichen Perle nicht mit dem Text übereinstimmen, den Joseph Smith daraus übersetzt haben will.

Kirche regional

Insgesamt umfasst die Kirche zur Zeit (2004) rund 12 Millionen Mitglieder weltweit in über 160 Ländern und Territorien, davon ca. 5,5 Millionen in den USA.

Länder mit der höchsten Mitgliederzahl Länder mit der prozentual höchsten Mitgliederzahl

(mindestens 10 000 Mitglieder)

USA 5 503 192
Mexiko 980 053
Brasilien 866 988
Chile 530 739
Philippinen 526 178
Peru 384 663
Argentinien 330 349
Guatemala 192 207
Kanada 166 442
Ecuador 161 396
Tonga 46,0 %
Samoa 34,0 %
Amerikanisch-Samoa 19,1 %
Kiribati 10,0 %
Französisch-Polynesien 7,8 %
Chile 3,4 %
Uruguay 2,4 %
Neuseeland 2,3 %
Honduras 1,6 %
Bolivien 1,5 %

in Österreich

1883 wurde Paul Haslinger, das erste Mitglied auf österreichischem Gebiet, in Lambach getauft. Die erste Gemeinde wurde in Haag am Hausruck 1901 gegründet. Die Kirche wurde am 27. September 1955 in Österreich staatlich anerkannt.

Im Jahr 2004 gab es in Österreich 20 Gemeinden und 2 österreichischen Pfählen: Pfahl Wien mit Gemeinden und Zweigen in Wien (5x), Bruck an der Mur, Judenburg, St. Pölten, Graz und Wiener Neustadt. Pfahl Salzburg mit Gemeinden und Zweigen in Neumarkt am Wallersee, Haag am Hausruck, Innsbruck, Klagenfurt, Linz (2x), Salzburg, St. Johann im Pongau und Wels. Die Gemeinde in Dornbirn gehört zum Pfahl Zürich.

in Deutschland

Die Kirche hat in den Bundesländern Hessen und Berlin den Status einer staatlich anerkannten Körperschaft des Öffentlichen Rechts. In Deutschland leben ca. 36 000 Mitglieder. Es gibt 184 Gemeinden und Zweige in den Pfählen München, Stuttgart, Nürnberg, Dresden, Leipzig, Berlin, Hamburg, Hannover, Neumünster, Dortmund, Mannheim, Frankfurt am Main, und dem Distrikt Neubrandenburg.

Literatur

  • Albert Mössmer: Die Mormonen. Die Heiligen der Letzten Tage, Walter Verlag, Solothurn/Düsseldorf 1995.
  • Rüdiger Hauth: Die Mormonen. Sekte oder neue Kirche Jesu Christi? Ein Ratgeber. Herder Verlag, Freiburg 1995.

Siehe auch