Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR
Der ehemalige Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR existierte als eigenständige Körperschaft von 1969 bis zur Wiedervereinigung mit dem Gemeindebund der Bundesrepublik im Jahre 1990. Zur Gesamtgeschichte, Lehre und zum Selbstverständnis Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden siehe die Artikel Täufer, Baptisten, BfC, Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden.
Entstehungsgeschichte
Bereits 1949 war den Verantwortlichen der deutschen Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden klar, dass die veränderten Nachkriegsverhältnisse und die damit verbundene Teilung Deutschlands veränderte Strukturen erforderlich machte. Unter dem Dach einer Bundesleitung entstanden für den Bereich der DDR eigene Verwaltungseinrichtungen und ein eigener Verlag. 1959 wurde in Buckow (Märkische Schweiz) ein eigenes Theologisches Seminar eröffnet, das 16 Studienplätze anbot. Nach dem Mauerbau 1961 konstituierte sich auf dem Gebiet der DDR eine autonome Teilsynode, der sogenannte Bundesrat. Die Abgeordneten wählten erstmalig eine eigene Bundesleitung. 1969 erfolgte schließlich die förmliche organisatorisch-rechtliche Verselbständigung, die sich auch in dem neu angenommenen Namen Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR spiegelte. Erster Präsident des Bundes wurde Pastor Herbert Moret; als Generalsekretär fungierte Pastor Rolf Dammannn.
Statistik
1969 gehörten zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR 222 Gemeinden mit rund getauften 24600 Mitgliedern.1983 zählte der Bund nur noch ca 20500 Mitglieder. Davon entfielen 12760 auf Gemeinden baptistischer Tradition, 5370 gehörten den Evangelisch-Freikirchlichen Brüdergemeinden an und 2340 den Elim-Gemeinden. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, dass auf Grund des Gemeindeverständnisses und der Praxis der Glaubenstaufe Kinder von Gemeindegliedern sowie Freunde der Gemeinde nicht mitgezählt wurden. - Die Mitgliederabnahme ist vor allem dadurch zu erklären, dass viele Freikirchler in den Westen ausreisten bzw. flohen.
Struktur
Das oberste Organ des Gemeindebundes war der Bundesrat, in den alle Gemeinden entsprechend ihrer Größe Abgeordnete entsandten. Er sollte sich in der Regel alle drei Jahre versammeln. Seine Aufgaben waren unter anderem, die Bundesleitung zu wählen und auf deren Vorschlag hin, den Präsidenten des Bundes zu bestätigen. Der Bundesrat befand außerdem über die Aufnahme und den Ausschluß von Ortsgemeinden und faßte die entsprechenden Beschlüsse in finanzieller Hinsicht. Von besonderer Bedeutung für die Gemeinden waren jedoch die Bundeskonferenzen, die sich mit den Bundesratstagungen verbanden und sowohl biblisch-theologische sowie geistliche Akzente setzten. Die laufenden Geschäfte wurde von der Bundesgeschäftsstelle in Berlin wahrgenommen. Verwaltungsleiter war ein Generalsekretär.
Besondere Arbeitszweige des Gemeindebundes waren
- die überregionale Jugendarbeit, die von einem Jugendpastor verantwortet wurde
- die Kindergottesdienstarbeit (Sonntagsschule)
- die Förderung der missionarischen Gemeindearbeit
- die Frauen- und Beruftätigenmission
- die Arbeit unter Suchtgefährdeten
- die Gemeindeberatung für Bau- und Grundstücksfragen
Einrichtungen
Innerhalb des DDR-Bundes arbeiteten neben dem bereits erwähnten Buckower Seminar folgende Einrichtungen der Diakonie und Erwachsenenbildung:
- Bibelschule Burgstädt (Sachsen) - Hier wurde in einjährigen beziehungsweise mehrwöchigen Lehrgängen "biblisch-theologische Kenntnisse mit praktischem Akzent" angeboten. Auch dienten von der Bibelschule herausgegebene Fernkurs- und Lehrbriefangebote der Zurüstung der ehrenamtlichen Gemeindemitarbeiter.
- Christliche Pflegeanstalt in Schmalkalden-Aue - Diese Einrichtung war das größte diakonische Werk des DDR-Bundes und betreute rund 150 geistig behinderte Menschen.
- Seniorenheime bestanden in Crivitz (Mecklenburg), in Sonneberg und in Berlin-Hirschgarten.
- Diakonissenmutterhaus Bethel in Buckow
- Martin Luther King-Haus in Schmiedeberg (Erzgebirge) - Diese Einrichtung war Jugend- und Erwachsenenbildungsstätte und diente auch gleichzeitig als Freizeitheim für Familien, Gemeindegruppen und Arbeitstagungen. Weitere kleinere sogenannte Rüstzeitheime bestanden in Forst, Brandenburg (Stadt), Malchow,Berthelsdorf (Oberlausitz),Ruhla und Friedrichsroda.
- Die Evangelische Versandbuchhandlung Otto Ekelmann Nachf. versorgte die Büchertische der örtlichen Gemeinden mit christlicher Literatur. Auch wurde die Evangelisch-Freikirchliche Monatszeitschrift Wort und Werk herausgegeben sowie auch Bücher und Schriften freikirchlicher Prägung.
Gliederung des Bundes
Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden war in sechs regionale Vereinigungen untergliedert: Vereinigung Nord, Ost (einschließlich Berlin), West, Südost, Süd und Südwest. Geleitet wurden die Vereinigungen vom Vereinigungsrat und der Vereinigungsleitung. Im Gegensatz zur Bundesratstagung fanden die synodalen Zusammenkünfte der Vereinigungen jährlich statt.
Ökumene
Der Bund Evangelisch-Freikirchler Gemeinden der DDR gehörte zwar dem Ökumenischen Rat der Kirchen nicht an, unterstützte aber einzelne seiner Projekte, so unter anderem das Antirassismus-Programm. Gemeinsam mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wurden verschiedene Notopferaktionen durchgeführt: Brot für die Welt, Denkmal des Lebens und andere. Die Mitglieder der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden beteiligten sich an den Projekten und Veranstaltungen der Evangelischen Allianz und waren gemeinsam mit der Evangelisch-methodistischen Kirche und dem Bund Freier evangelischer Gemeinden Mitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Auch in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen wirkte der DDR-Bund mit.
Literatur
- Günter Lorenz: Die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden - Geschichte und Gegenwart, Berlin-Ost, oJ
- Ulrich Materne: Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR, in: Peter Sänger (Hrsg.): Freikirchen - Ein Handbuch, Ostberlin 1987 [ISBN 3-374-00018-5]