August Bebel

Ferdinand August Bebel (* 22. Februar 1840 in Deutz bei Köln; † 13. August 1913 in Passugg, Schweiz) war ein Führer der Arbeiterbewegung, sozialistischer Politiker und Mitbegründer der SPD.
Kindheit und Jugend

Bebel wurde in ärmlichen Verhältnissen als Sohn des Unteroffiziers Johann Gottlob Bebel und dessen Frau Wilhelmine Johanna Bebel, geborene Simon, in Deutz geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters, der 1844 mit 35 Jahren einer Lungentuberkulose erlag, heiratete seine Mutter dessen Zwillingsbruder, der jedoch ebenfalls nach zwei Jahren verstarb. Auch Augusts Geschwister starben früh. Da die verwitwete Mutter keine Pensionsansprüche hatte, übersiedelte sie verarmt zu ihrer Familie nach Wetzlar, wo August mit Hilfe einer wohltätigen Stiftung die Volksschule besuchen konnte. Er war offenbar begabt und wurde von einem Lehrer außerhalb der Schule in Mathematik unterrichtet. Die Hoffnung auf ein Bergbaustudium musste er wegen der schwierigen finanziellen Verhältnisse aufgeben. Von 1854 bis 1857 lernte Bebel in Wetzlar ohne eigentliche Neigung das Drechslerhandwerk. Trotz schwerer Arbeit versuchte er sich durch Lektüre weiterzubilden.
Nach der Lehre trat Bebel 1858 seine Gesellenwanderung an. Diese führte zunächst durch Südwestdeutschland, die Pfalz, den Schwarzwald und nach Freiburg im Breisgau. Dort trat er dem örtlichen katholischen Gesellenverein bei. Bebel setzte seine Wanderung kurze Zeit später fort. Stationen waren Regensburg, München und Salzburg.
Als ihm Jahr 1859 der Sardinische Krieg ausbrach, meldete sich der Großdeutsch denkende Bebel als Freiwilliger bei den Tiroler Jägern, wurde aber als Nichtösterreicher nicht angenommen. Sein Versuch in die preußische Armee einzutreten, scheiterte an Bebels schwacher Konstitution.
Im Jahr 1860 wanderte er über mehrere Stationen nach Wetzlar zurück. Dort fand er aber keine Arbeit und zog weiter Richtung Sachsen.
Bürgerliches Vereinswesen
In Leipzig fand er rasch Arbeit und ließ sich dort nieder. Die Stadt war damals ein Mittelpunkt des Vereinswesens der Arbeiter und Handwerker. Deren Bildungsbestrebungen wurden durch liberale und demokratische bürgerliche Kreise gefördert. Diese wollten einerseits die beruflichen Möglichkeiten der Arbeiter und Handwerker steigern, andererseits ging es darum diese Gruppe an den Liberalismus zu binden und das Entwickeln eines Klassenbewusstseins und das Entstehen einer unabhängigen Arbeiterbewegung zu verhindern. Bebel trat einem dieser Bildungsvereine bei. Noch verstand er sich als Handwerker und strebte die Position eines Meisters an. Dieses Ziel hat er 1864 mit der Eröffnung einer eigenen Werkstatt erreicht. Das nötige Kapital brachte er durch den Verkauf des kleinen Besitzes der Familie in Wetzlar auf.

In den ersten Jahren war der Betrieb noch sehr bescheiden. Anfangs beschäftigte er einen Lehrling und einen Gesellen. Er versuchte seine Beschäftigten weniger stark auszubeuten als andere Arbeitgeber und zahlten ihnen mehr Lohn bei einer geringeren Arbeitszeit.
Das Angebot des Bildungsvereins an Vorträgen und Kursen nahm Bebel intensiv wahr und war auch als Sänger und Turner im bürgerlichen Vereinswesen aktiv. Im Jahr 1862 wurde er Mitglied im Vorstand des Bildungsvereins und wurde Leiter der Vereinsbibliothek. Politisch stand er Bestrebungen zu mehr Eigenständigkeit der Arbeiter zunächst noch ablehnend gegenüber. Der Versuch von Julius Vahlteich und Friedrich Wilhelm Fritzsche den Verein in eine politische Organisation zu verwandeln lehnte Bebel 1862 ab und befürwortete den Ausschluss dieser Kräfte. Der Agitation von Ferdinand Lassalle stand er ebenfalls ablehnend gegenüber.
Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins wurde von den Liberalen in der Arbeitervereinsbewegung als Bedrohung wahrgenommen. Im Jahr 1863 wurde daher in Frankfurt am Main der Vereinstag Deutscher Arbeitervereine einberufen. Als Leipziger Delegierter war Bebel anwesend. Als liberales Gegengewicht zum ADAV schlossen sich die Vereine in einem Dachverband zusammen. In der Leipzig wurde Bebel zum zweiten Vorsitzenden gewählt. Kurze Zeit später wurde er ständiges Mitglied im leitenden Ausschuss.
Hinwendung zum Sozialismus
Allerdings begann sich bei Bebel ein politischer Richtungswechsel zu vollziehen. Er blieb zwar entschiedener Gegner Lassalles, begann aber dessen Schriften intensiv zu lesen. Über die Lektüre von Lassalle ist er auch zu Schriften von Karl Marx gekommen. Immer stärker wurde auch durch Streiks und soziale Konflikte bei Bebel der Zweifel der engen Bindung der Arbeiter an den Liberalismus. Die Begegnung mit Wilhelm Liebknecht, der 1865 nach Leipzig kam, verstärkte dies noch. Liebknecht hatte in London zu den Kreisen um Marx und Friedrich Engels gehört. Wenn auch nicht unkritisch schloss sich Bebel in vielem Liebknechts Vorstellungen an. Obwohl es zwischen beiden immer wieder zu unterschiedliche Ansichten kam, entwickelte sich aus der bloßen Zusammenarbeit ein freundschaftliches Verhältnis. Trotz seiner marxistischen Kenntnisse blieb Liebknecht in vielem eine radikaler Demokrat in der Tradition der Revolution von 1848. Von Liebknecht nahm Bebel die Grundthese an, dass der politische und soziale Kampf der Arbeiter eine Einheit sei. Daher müssten sich die Arbeitervereine auch von den Liberalen lösen.
Sächsische Volkspartei
Von Liebknecht übernahm Bebel auch dessen antipreußische Haltung. Als im Jahr 1866 der Deutsche Krieg bevorstand, kritisierte Bebel auf einer großen Volksversammlung die antideutsche Politik Otto von Bismarcks und sprach sich für die großdeutsche Seite aus.
1866 gründete er zusammen mit Wilhelm Liebknecht die radikaldemokratische Sächsische Volkspartei. Trotz seiner inzwischen stark sozialistischen Haltung ging es Bebel und Liebknecht darum gegen die preußische Vorherrschaft im entstehenden Norddeutschen Bund ein Bündnis aus Arbeitern und großdeutsch und arbeiterfreundlichen bürgerlichen Kräften zu Stande zu bringen. In der Wahl zum konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes wurde Bebel im Wahlkreis Glauchau-Merane gegen den Lassalleaner Friedrich Wilhelm Fritzsche als Abgeordneter gewählt.
Im selben Jahr hat Bebel seine Frau Julie (geb. Otto) geheiratet. Diese war Putzmacherin und Tochter eines Eisenbahnarbeiters. Ihrer Unterstützung verdankte es Bebel, dass er sich verstärkt der Politik zuwenden konnten, obwohl er in dieser Zeit auch für seinen Lebensunterhalt weiter als Handwerker tätig war. Neben der Tätigkeit im Vereinswesen und der Partei begann Bebel nun auch journalistisch tätig zu werden. Er schrieb für die „Deutsche Arbeiterhalle,“ ein Blatt des Vereinstages deutscher Arbeitervereine, sowie für das von Liebknecht herausgegebene „Demokratische Wochenblatt“ als Organ der sächsischen beziehungsweise deutschen Volkspartei.
Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Bebel war 1866 der 1864 in London gegründeten „Internationalen Arbeiter-Assoziation “ (die erste Internationale) beigetreten. Innerhalb der Arbeitervereine warb er für die Zielsetzungen und die propagierten Organisationsformen der Internationalen. Auf dem Vereinstag in Gera 1867 gelang ihm dies. An die Stelle des ständigen Ausschusses trat ein regelrechter Vorstand. Dabei setzte sich Bebel gegen Max Hirsch durch. Ein Jahr später auf dem Vereinstag in Nürnberg gelang es insbesondere Bebel den Anschluss an die erste International durchzusetzen. Dadurch kam es zur Abspaltung der liberalen und bürgerlichen Demokraten.
Als gewerkschaftlicher Arm einer neuen Arbeiterbewegung neben dem ADAV und als Konkurrenz zu deren Arbeiterschaftsverband und den liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen gründete Bebel unterstützt von Liebknecht für verschiedene Arbeitergruppen eine Reihe „internationaler Gewerkgenossenschaften.“ Bebel selbst entwarf dazu die Musterstatuten.
Die Beschlüsse des Nürnberger Vereinstages waren ein wichtiger Schritt hin zur Gründung einer neuen Arbeiterpartei. Die diktatorische Führungsweise von Johann Baptist von Schweitzer stieß viele Mitglieder des ADAV ab, die deshalb in das Lager Bebels und Liebknechts wechselten. Zwischen beiden Seiten verschärfte sich der Ton der sehr polemisch geprägten Auseinandersetzungen.
Im Jahr 1869 schlossen sich die Vereine unter Bebels Vorsitz und die sächsische Volkspartei 1869 zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) zusammen. Bebel war auf dem Eisenacher Gründungsparteitag der wichtigste Organisator und hatte im Vorfeld die Verhandlungen geprägt. Im Gegensatz zum ADAV war die neue Partei demokratisch strukturiert. Bebel lehnte es ab die neue Partei in der Internationalen gänzlich aufgehen zu lassen, weil er meinte, dass eine nationale Organisation sinnvoller sei. Nicht durchsetzen konnte er sich in der Namensfrage. Um die noch vorhandenen demokratischen Bürgerlichen zu halten schlug er die Bezeichnung „Demokratisch Sozialistische Partei“ vor, scheiterte damit aber.

In der Folgezeit warb er als Redner und als Autor für die neue Partei. Wegen seiner Aktivitäten wurde er in Leipzig zu einer Gefängnisstrafe von drei Wochen verurteilt.
Reichstagsmitglied
Bei allen Gemeinsamkeiten gab es in dieser Zeit zwischen Bebel und Liebknecht erhebliche Unterschiede in der Bewertung der parlamentarischen Arbeit. Liebknecht lehnte das „paktieren und parlamenteln“[1] ab. Er betrachtete das Parlament lediglich als politisches Propagandamittel. Bebel dagegen sah im Reichstag auch ein Instrument zur Verbesserung der Lage der Arbeiter. Insbesondere in Fragen des Arbeiterschutzes, bei Beratungen über Frauen- oder Kinderarbeit beteiligte er sich aktiv an den Beratungen. Als Mitglied der Kommission zur Beratung der Gewerbeordnung gelang es ihm etwa die bisheriger Verpflichtung zum Führen von Arbeitsbüchern aufzuheben. Daneben forderte er, dass Gewerbegerichte auch über Kündigungsfragen entscheiden sollten, er verlangte das Ende des Trucksystems oder ein Verbot der Kinderarbeit unter 14 Jahren. Allerdings griff auch Bebel das politische System des Norddeutschen Bundes als ein militaristisches „Großpreußen“ scharf an.
Unter den teils sehr erfahrenen Parlamentarieren konnte er sich behaupten und seine rednerischen Fähigkeiten verschafften ihm auch die Aufmerksamkeit der politischen Gegner. Ein enger Vertrauer von Otto von Bismarck Herrmann Wagener charakterisierte Bebel in der Rückschau: „Bebel ist nicht allein ein hervorragender Naturredner, sondern er hat auch eine staatsmännische Ader, die seinen Reden ein gewisses höheres Gepräge verleiht, so dass sich im parlamentarischen Betrieb nur wenige mit ihm vergleichen und messen können.“[2]
Deutsch-Französischer Krieg
Der Beginn des Deutsch-Französischen Krieges führten zu einer innerparteilichen Krise. Auslöser war die Haltung Liebknechts und Bebels zu der Frage ob man mit Blick auch auf die allgemeine Kriegsbegeisterung die Kriegskredite bewilligen sollte oder nicht. Bebel gab dazu im Reichstag eine Erklärung ab. Für ihn war dies ein dynastischer Krieg im Interesse Bonapartes. Geldmittel könnten er und Liebknecht nicht bewilligen, weil dies ein Vertrauensvotum für die preußische Regierung wäre, die selbst durch den Krieg von 1866 die Situation vorbereitet hätte. Aber er wollte die Mittel auch nicht verweigern, da dies als Zustimmung zu „der frevelhaften und verbrecherischen Politik Bonapartes aufgefasst werden. Als prinzipielle Gegner jedes dynastischen Krieges (...) können wir uns weder direkt oder indirekt für den gegenwärtigen Krieg erklären und enthalten uns daher der Stimme“[3] Der Parteiausschuss in Braunschweig als obersters Parteigremium hoffte immer noch auf eine Einigung mit Frankreich und griff Bebel und Liebknecht im „Volksstaat,“ dem Parteiorgan, scharf an. Auch aus anderen Teilen der Partei kam Kritik.
Die Niederlage bei Sedan und das Ende des französischen Kaiserreiches brachten ein Ende des innerparteilichen Streits. Die Partei forderte ein sofortiges Ende des Krieges. Im Norddeutschen Reichstag forderte Bebel am 26. November 1870 „Frieden mit der französischen Nation, unter Verzichtleistung auf jede Annexion“ forderte und sich mit der Pariser Kommune solidarisierte.
Bebel und mit ihm die Partei galten daraufhin als Vaterlandsverräter. Liebknecht, Bebel und der Redakteur Karl Hepner wurden verhaftet und blieben Einhundertzweitage in Untersuchungshaft. Da die Behörden bei den Durchsuchungen nichts Belastendes gefunden hatten mussten sie schließlich wieder freigelassen werden.
Im ersten Reichstag des Kaiserreichs erhielt Bebel erneut ein Mandat und kritisierte sofort vehement den neuen Staat. Besonders seine Äußerungen zur Pariser Kommune stießen außerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung auf breites Unverständnis und Ablehnung. Am 25. Mai 1871 solidarisierte er sich im Reichstag offen mit der zerschlagenen Kommune „Wenn auch im Augenblick Paris unterdrückt ist, dann erinnere ich Sie, dass der Kampf nur ein kleines Vorpostengefecht ist, dass die Hauptsache in Europa uns noch bevorsteht, und dass, ehe wenige Jahrzehnte vergehen, der Schlachtruf des Pariser Proletariats: Krieg den Palästen, Friede den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang der Schlachtruf des gesamten Proletariats sein wird!“[4] Diese Rede bestärkte Bismarck und die übrigen Regierungen in der Annahme, dass es sich bei den Sozialdemokraten um staatsgefährdende Revolutionäre handele. Die Partei wurde daraufhin unter polizeiliche Beobachtung gestellt.
Leipziger Hochverratsprozess und Haftuniversität
Im Jahr 1872 folgte die Verurteilung im Leipziger Hochverratsprozess, einem Schauprozess auf der Basis von nicht belastbaren Beweismaterial zu zwei Jahren Festungshaft und wegen Majestätsbeleidigung zu neun Monaten Gefängnis. Das Reichstagsmandat wurde aberkannt. Die Verurteilung erreichte ihren Zweck nicht. Die Angeklagten Bebel und Liebknecht wurden zu Märtyrern und die Bewegung gewann weiter Zulauf.
Während der Haft erholte sich Bebel körperlich von den Anstrengungen der zurückliegenden Jahre. Vor allem aber bildete er sich selbst fort und sprach von seiner „Haftuniversität“. Er lass nicht nur sozialistische Autoren, sondern auch Werke führender Vertreter der zeitgenössischen Wissenschaft sowie Klassiker wie Platos Staat. Der mit Bebel inhaftierte Liebknecht führte ihn in die Geschichtswissenschaft und Naturkunde ein und lehrte ihn Englisch und Französisch.
Bebel setzte das Gelernte auch um. So fertige er Übersetzungen aus dem Französischen über die Soziallehre des Christentums an, schrieb dazu einen Kommentar und verfasste eine Arbeit über den Bauernkrieg von 1525. Daneben begann er mit ersten Studien, die später in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“ Verwendung fanden.
Dennoch litt Bebel daran nicht mehr politisch mitwirken zu können. Dies war für ihn umso härter, weil zentrale trennende Punkte zwischen ADAV und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei entfallen waren und sich Einigungsbemühungen abzeichneten.
Weg zur vereinigten Arbeiterpartei
Auf den Einigungsprozess versuchten auch Marx und Engels Einfluss zu nehmen, um bei der neuen Partei jeden Einfluss der Ideen von Ferdinand Lassalle zu beseitigen. Der inzwischen aus der Haft entlassene Liebknecht war im Interesse des Einigungsprozesses zu ideologischen Zugeständnissen bereit. Bebel wurde im Gefängnis durch Wilhelm Bracke, einem Marxanhänger, von den unterschiedlichen Positionen unterrichtet. Bebel erhielt den Entwurf eines zwischen Vertretern des ADAV und der sozialdemokratischen Arbeiterpartei ausgehandelten Programmentwurf, der weit von marxistischen Positionen entfernt war. Bebels marxistischer Gegenentwurf wurde jedoch nicht in die Diskussion eingebracht, weil Bracke ihn in einigen Punkten nicht für zufriedenstellend hielt. Nach der Haftentlassung Bebels gelang es Liebknecht ihn dazu zu bringen, nicht öffentlich Kritik an dem ausgehandelten Programm zu üben. Von London aus übten Marx und Engels mit ihren Randglossen zum Programm der Deutschen Arbeiterpartei scharfe Kritik. Da diese nur einem kleinen Kreis bekannt gemacht wurden, spielte diese für die reale Entwicklung kaum eine Rolle. Bebel und Liebknecht schätzten zwar Marx und Engels als Ideengeber und Berater, bewahrten sich aber eine große Selbständigkeit in taktischen Fragen. Am 27. Mai 1875 wurde das Gothaer Programm auf einem Vereinigungsparteitag der SDAP und des ADAV angenommen. Bebel hoffte, auf Dauer das „Lassalle’sche Gift“ durch Erziehung zu überwinden.
Bekenntnis zum wissenschaftlicher Sozialismus

Nicht zuletzt in Folge der Gründerkrise stieg die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen und die Mitgliederzahlen der Partei an. Bei den Reichstagswahlen von 1877 zogen zwölf Abgeordnete der Sozialdemokraten in den Reichstag ein. Daraufhin nahm die Zahl der staatlichen Repressionsmaßnahmen zu. Im Jahr 1877 wurde Bebel zu neun Monaten Haft verurteilt. Ursache war, dass er in einer Broschüre die Höhe des Militärbudgets dem der Volksschulerzeihung gegenüber gestellt und argumentiert hatte, dass in Preußen auf einen Lehrer 85 Schüler in der Armee aber 6 Soldaten auf einen Unteroffizier kämen.
Parlamentarisch brachte er zusammen mit Fritzsche einen Entwurf zur Gleichberechtigung der Frauen ein. Außerdem forderte er unter anderem eine Regelung der Gefängnisarbeit, das Verbot von Sonntags- und Nacharbeit oder einen besseren Arbeitsschutz für Frauen und Lehrlingen.
In dieser Zeit bekannte er sich deutlich zu der von Engels später ausgearbeiteten Theorie des „wissenschaftlichen Sozialismus.“ Dieser stellte für ihn fortab die Grundlage der Parteiarbeit dar: „Sobald die Prinzipienfrage bei unserer praktischen Tätigkeit in den Hintergrund tritt (...) vielleicht geradezu verleugnet wird, verlässt die Partei den festen Boden, auf dem sie steht und wird eine Fahne, die sich dreht wie der Wind weht. Der prinzipielle Maßstab muss allen unseren Forderungen auch in der Praxis angelegt werden, er muss der Prüfstein bilden, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht.“[5] Auch wenn Bebel in grundsätzlichen Fragen insbesondere mit Engels übereinstimmte, wurden seine Positionen weniger durch die marxsche Theorie als vielmehr durch die Erfahrungen der praktischen politischen Arbeit bestimmt.
Fabrikant und Privatleben
In seinem geschäftlichen Bereich hat Bebel sich auf die Herstellung von Tür- und Fensterklinken aus Büffelhorn konzentriert. Durch den Gründerboom konnte Bebel sein Geschäft ausbauen. Während seiner Haft führte seine Frau den Betrieb weiter. Die Belegschaft umfasste immerhin einen Werkführer, sechs Gehilfen und zwei Lehrlinge. Der Gründerkrach bedrohte seit 1874 auch Bebels Betrieb. Vor dem wirtschaftlichen Ende bewahrt hat ihn der Einstieg von Ferdinand Issleib als Teilhaber, der sich auf die kaufmännische Seite des Unternehmens konzentrierte. Im Jahr 1876 wuchs Bebels Unternehmen durch den Umzug in eine Fabrik mit Dampfbetrieb. Die Produktpalette erweiterte sich um Artikel aus Bronze. Bebel konzentrierte sich im Wesentlichen auf den Vertrieb. Die Geschäftsreisen im ganzen Reich verband er mit seiner Parteiarbeit.
Im Jahr 1884 wurde die Partnerschaft aufgekündigt. Bebel bezeichnete sich als Reisender und Schriftsteller, konnte aber von der Abfindung seines Partners etwa drei Monate im Jahr leben. Fünf Jahre später gab er die Reisetätigkeit völlig auf. Von seinen Ersparnissen und den Einkünften als Autor lebte er seither.
Seine Lebensweise war dabei durchaus bürgerlich zu nennen. In seiner Zeit in Plauen bewohnte die Familie die erste Etage einer Villa. Auch als Bebel seit 1890 in Berlin wohnte, lebte er komfortabel. So verfügte er früh über elektrische Beleuchtung. Seine späteren Lebensjahren verbrachte er in seiner 1897 erbauten Villa am Züricher See.
Sozialistengesetz
Die beiden Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im Jahr 1878 wurden von Bismarck erfolgreich den Sozialdemokraten angelastet. Der Umsatz der Firma Bebels ging daraufhin zurück und die Sozialdemokratie büßte bei den Neuwahlen Stimmen und Mandate ein. Der neue Reichstag beschloss am 19. Oktober 1878 mit dem Sozialistengesetz ein weitreichendes antisozialdemokratisches Ausnahmegesetz. Die Partei, Nebenorganisationen wie Gewerkschaften sowie Zeitschriften wurden verboten. Führende Parteiangehörige wurden aus Berlin ausgewiesen.
Bebel, der durch sein Mandat geschützt war, übernahm einen Großteil der Arbeit um das Überleben der Partei zu sichern. Notgedrungen wurde er Kassierer der Partei gleichzeitig und sorgte für Geldsammlungen, um durch das Gesetz in Not geratenen Mitglieder zu unterstützen. Daneben war er als Redner und als Organisator tätig, um den Zusammenhalt zu sichern. Unterstützt wurde er dabei von seiner Ehefrau.
Ein zentrales Problem war, dass die sozialdemokratischen Zeitungen entweder verboten waren oder sich nur vorsichtig äußern konnten. Es war Bebel der sich für die Schaffung eines zentralen Organs einsetzte, dass im Ausland gedruckt und nach Deutschland geschmuggelt werden sollte, um so die innerparteiliche Kommunikation aufrecht zu erhalten. Seit 1879 erschien in Zürich die Zeitung „Sozialdemokrat“ zunächst von Georg von Vollmar und kurze Zeit später von Eduard Bernstein geleitet. Bebel, Liebknecht und Fritzsche gehörten zum Redaktionskomitee. Von dem „Roten Feldpostmeister“ Julius Motteler wurde das Blatt ins Reich gebracht. Bebel wurde in dieser Zeit die dominierende Person der Partei.
Er war daran beteiligt, die teilweise demoralisierten Anhänger zu motivieren. Auf der anderen Seite führte das Sozialistengesetz in Teilen der Partei zu einer Radikalisierung bis hin zur Forderung Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Bebel ließ zwar auf dem ersten Parteitag der illegalen Partei 1880 auf Schloss Weyden in der Schweiz den Begriff „gesetzlich“ aus dem Parteiprogramm streichen, gleichzeitig sorgte er aber auch für den Ausschluss von Anarchisten um Johann Most. Der Parteitag verurteilte auf Bebels Antrag hin den Anarchismus als unsozialistisch.
Auf sein Betreiben hin wurde die legale Reichstagsfraktion der Sozialdemokraten auch die Parteiführung übertragen und die Zeitung Sozialdemokrat zum Zentralorgan erklärt. Unterstützung fand Bebel bei einem Besuch in London bei Marx und Engels.
Die polizeiliche Überwachung Bebels führte zu keinen Ergebnissen. Als 1881 der kleine Belagerungszustand auch über Leipzig verhängt wurde, zog Bebel nach Borsdorf in der Nähe der Stadt, ehe er 1884 mit der gesamten Familie nach Plauen zog.
Nach dem Bismarckschen Sozialistengesetz
Auch unter dem Sozialistengesetz wurde Bebel zu Gefängnisstrafen verurteilt, 1883 zu vier Monaten, 1886 im Freiberger Geheimbundprozess zu neun Monaten Gefängnis.
Auch diese Haftzeit nutzte Bebel zu intensivem Studium. Unter anderem beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte des arabischen Orients, und veröffentlichte 1884 das Werk Die mohammedanisch-arabische Kulturperiode. Es beleuchtet den damaligen Kenntnisstand der Geschichte der arabischen Reiche des Orients bis zur osmanischen Reichsgründung im 16. Jahrhundert aus der Sicht eines marxistisch gebildeten Autodidakten, der den Orient nie besuchen konnte und weder Arabisch noch Persisch beherrschte. Das Buch ist ein heute sehr aktuelles Plädoyer für den Frieden zwischen den Kulturen und eine Kritik an der damaligen europäischen, insbesondere wilhelminischen Orientpolitik, die statt den kulturellen Dialog mit dem Orient und die dortigen Emanzipationsbewegungen auf ihrer eigenen kulturellen Grundlage zu fördern (in der Tradition Goethes und Rückerts), auf wirtschaftliche Ausbeutung und Förderung von militaristischem und nationalistischem Gedankengut im Nahen Osten setzte, mit den bekannten fatalen Folgen für die Region durch das 20. Jahrhundert hindurch bis zum heutigen Tag. Unter der Führung Bebels verfolgte die SPD insgesamt einen klaren Kurs gegen die imperialistische Politik des Wilhelminischen Deutschlands. Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen in den Kolonien wurden gerade durch Bebel immer wieder in Reichstagsdebatten thematisiert und angeprangert.
Insbesondere die Kritik an der Flottenrüstung führten dazu, dass Bebel „die Flucht in die Geheimdiplomatie“ antrat. Seit Jahren hatte er über Heinrich Angst, den britischen Generalkonsul in der Schweiz, in Kontakt mit britischen Regierungskreisen gestanden. Verschiedene Mal warnte er die britische Regierung vor einem Nachlassen der Rüstungsanstrengungen. Vielmehr verlangte er, dass Großbritannien versuchen sollte durch verstärkte Rüstungsanstrengungen Deutschland zum Einlenken zu bewegen. Bebel lieferte politische Einschätzungen und Berichte bis kurz vor seinen Tod an die Briten.[6] [7][8]

Bebel war von der Richtigkeit des Marxismus überzeugt und ein entschiedener Gegner des Revisionismus. Darüber hinaus achtete er in der parlamentarischen und parteipolitischen Arbeit stets darauf, konkrete soziale Reformen durchzusetzen. Bebel erwartete die Revolution als sich gesetzmäßig ereignenden „großen Kladderadatsch“, den die Sozialdemokratie nicht gezielt herbeizuführen bemüht sein müsse. Seine beiden wichtigsten Schriften Unsere Ziele (1870) und Die Frau und der Sozialismus (1883) erreichten hohe Auflagen. Dieses Werk wurde auch von Eugen Richter in seinen Sozialdemokratischen Zukunftsbildern verarbeitet.
Bis zu seinem Tod blieb Bebel der allseits anerkannte Führer der deutschen Sozialdemokratie. Auch innerhalb der Sozialistischen Internationale genoss Bebel eine weltweite Autorität, die nach ihm als deutscher Sozialdemokrat wohl nur noch Willy Brandt erreichte.
August Bebel war nach dem Tod von Wilhelm Liebknecht am 7. August 1900 zusammen mit Paul Singer Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und von 1871 bis 1913 Mitglied des Reichstages (ausgenommen 1882–1883).
Bebel lebte zunächst in Leipzig und nach 1890 viele Jahre in Berlin-Schöneberg in der Großgörschenstraße 22, der Hauptstraße 84, der Habsburger Straße 5 und zuletzt in der Hauptstraße 97 (Gedenktafel über dem Eingang).
Am 13. August 1913 starb er in Passugg in der Schweiz während eines Sanatoriumaufenthaltes an Herzversagen. Er wurde in Zürich, wo seine Tochter lebte, beigesetzt. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Sihlfeld.
Werke
- Die Frau und der Sozialismus. Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 1879; ISBN 3-8012-1009-X (Onlineausgabe, 62. Auflage, Berlin/DDR, 1973, S. 1-557)
- Unsere Ziele, 1870
- Die mohammedanisch-arabische Kulturperiode, 1884, 2. Auflage 1889 (neu hg. von Wolfgang Schwanitz, 1999, Edition Ost, Berlin, ISBN 3-929161-27-3)
- Aus meinem Leben, Bd. 1-3, 1910, 1911, 1914; Verlag J.H.W. Dietz, Bonn, ISBN 3-8012-0245-3. (Onlineversion)
- August Bebel: Die moderne Kultur ist eine antichristliche, Alibri Verlag, Aschaffenburg, ISBN 3-932710-59-2
Literatur
- A. B. im Interview über den Antisemitismus in: Hermann Bahr; Hermann Greive (Hg): Der Antisemitismus. Ein internationales Interview Jüdischer, Königstein 1979 ISBN 3-7610-8043-3 (zuerst 1894, Neuaufl. 2005)
- Brigitte Seebacher-Brandt: Bebel. Künder und Kärrner im Kaiserreich J.H.W. Dietz Nachf., Berlin 1988 ISBN 3-8012-0137-6
- Christian Graf von Krockow: Porträts berühmter deutscher Männer. Von Martin Luther bis zur Gegenwart München 2001 List, S. 235-288 ISBN 3-548-60447-1
- Francis L. Carsten: August Bebel und die Organisation der Massen Siedler 1991 ISBN 3-88680-371-6
- Ursula Herrmann: August und Julie Bebel. Briefe einer Ehe Dietz, Bonn 1997
- Ernst Schraepler: August Bebel. Sozialdemokrat im Kaiserreich. Göttingen, 1966
- Helmut Hirsch: August Bebel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek, 1973 ISBN 3-499-50196-1
Einzelnachweise
- ↑ Schraepler, Bebel, S.28
- ↑ zit. nach Schraepler, Bebel, S.30
- ↑ zit. nach Schraepler, Bebel, S.30f.
- ↑ zit. nach Schraepler, Bebel, S.33
- ↑ Schraepler, Bebel, S.40
- ↑ Klaus Hildebrand: Deutsche Außenpolitik 1871-1918. Göttingen, 1994 S.38 Digitalisat
- ↑ vergl. Richard J. Crampton, August Bebel and the British Foreign Office, in: History, Juni 1973
- ↑ Helmut Bley, August Bebel und die Strategie der Kriegsverhütung 1904 bis 1913, Leibniz, Hamburg 1975
Weblinks
- Vorlage:PND
- Werke von August Bebel im Marxists Internet Archive
- Vorlage:Gutenberg Name
- August Bebel. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- August-Bebel-Gesellschaft
- WDR-Reportage zum 95. Todestag von August Bebel
Personendaten | |
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NAME | Bebel, August |
KURZBESCHREIBUNG | Führer der Arbeiterbewegung, sozialistischer Politiker und Mitbegründer der SPD |
GEBURTSDATUM | 22. Februar 1840 |
GEBURTSORT | Köln-Deutz |
STERBEDATUM | 13. August 1913 |
STERBEORT | Passugg, Schweiz |