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Alasch Orda

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Flagge der Alasch-Partei (1917-1920
Flagge der „kirgisischen Autonomie“ Alasch Orda (1917-1920)

Alasch Orda (Eigenbezeichnung:الاش وردا) war die Bezeichnung der „kasachischen Autonomie“ innerhalb Russlands, die zwischen 1917 und 1920 bestand.

Entstanden war die Alasch Orda aus der 1905 entstandenen „Alasch-Bewegung“ bzw. aus der 1917 gegründeten „Alasch-Partei“.

Ende der 1980er Jahre wurde erneut eine nationalistische Partei desgleichen Namens gegründet, deren Einfluss sich kurzfristig über die Staatsgebiete Kasachstans und Kirgisistans erstreckte.

Namensherkunft

Die Namensherkunft der Horde wird heute vom kasachischen Staat wie folgt angegeben: Alasch gehe auf Alasch Khan, dem legendenhaften Stammherrn der Kasachen (der wohl mit Orda Khan identisch war) und Orda auf die Orda-Horde zurück.

Am wahrscheinlichsten ist aber, dass das Wort Alasch vom türkischen Alaşa (Pferd) stammt, so dass Alasch Orda einfach nur Pferde-Horde (Horde der Nomaden) bedeutet. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Alasch Orda das „kirgisische“ Nomadentum wiederbeleben wollte.

Vorgeschichte

In Folge der russischen Revolutionsereignisse von 1905 fand ein „Kongress der turkestanischen Muslime“ in Taschkent statt[1], der von Mustafa Tschokajew veranstaltet wurde. Auf diesem Kongress schlossen sich die kasachische und kirgisische Intelligenz zur Bewegung „Alasch“ zusammen.[2] Die drei Hauptforderungen dieser Alasch-Bewegung waren:

  1. die Erneuerung und Modernisiserung des Islam in Mittelasien,
  2. das Recht der zentralasiatischen Steppenvölker (Kasachen und Kirgisen) auf das traditionelle Nomadentum (und damit die Rückgängigmachung der Zwangssesshaftigkeit der Steppennomaden, die in der Zarenzeit begonnen wurde) und die
  3. Rücksiedlung der zahlreich in Turkestan vertretenden russischen Siedler.

Mit diesen verkündeten Zielen stand die Alasch-Bewegung stark unter dem Einfluss der Panturkisten und Dschadidisten gleichermaßen.

Die Bewegung arbeitete eng mit dem „Zentralrat der turkestanischen Muslime/Nationale Mitte“ zusammen, die Tschokajew ebenfalls auf diesem Kongress ins Leben rief. Ferner arbeitete die Alasch-Bewegung auch eng mit der im osmanischen Reich entstandenen jungtürkischen Bewegung und (ab 1917/18) des an der Wolga-Kama-Gegend entstandenen „tatarisch-baschkirischen Komitees“ des Tataren Mir Sultan Galijew zusammen.

Zeit des Russischen Bürgerkrieges

1916 fanden im Generalgouvernement Turkestan und im Generalgouvernement Steppe zahlreiche Aufstände statt. Die Gebrüder Imanow (Abdulgaffar und Amangeldi) waren zwei der Revolutionsführer, die später mit der Geschichte der Alasch Orda in Verbindung gebracht werden.

Vom 21. bis zum 28. Juli 1917 fand der erste Allkirgisische Muslim-Kongress in Orenburg statt, auf dem die Schaffung eines autonomen kasachischen Nationalstaates innerhalb eines zukünftigen föderativen Russland gefordert wurde. Um dieses Ziel der Autonomie zu erreichen, sollten die „Kirgisen“ des Reiches mit den anderen Turkvölkern des Russischen Reiches zusammenarbeiten und dafür eine politische Partei gründen. Eine Unterordnung der Kasachen und Kirgisen unter eine mögliche alle Turkvölker umfassende einheitliche politische Einheit lehnte dieser Kongress jedoch strikt ab. Auch wurden für die spätere Zukunft der Region 14 Beschlüsse gefasst.

Im Dezember 1917 wurde die pantürkische Alasch-Bewegung in die Partei „Alasch“ umgebildet, der neben Tschokajew auch Alichan Bökeychanow angehörte. Der Sitz der Alasch-Partei befand sich in Orenburg. Das Grundsatzprogramm der Partei stammte aus der Feder Bökeychanows und wurde erstmals auf dem Muslim-Kongress im Juli verkündet. Getragen wurde die Alasch-Partei vor allem von Mitgliedern der „Kadetten-Partei“ (Konstituelle Demokratische Partei Russlands), von denen ein großer Teil ethnische Kasachen waren. Alichan Bökeychanow war das einflussreichste Mitglied der neuen Partei, da er auch seit 1906 dem russischen Parlament, der Duma, angehörte. Bökeychanow war 1905 war als Kadett der russischen Armee in die „Konstituelle Demokratische Partei Russlands“ eingetreten. Innerhalb dieser Partei gehörte er der sozialdemokratisch orientierten Fraktion der „Tschantschylar“ an, die politisch in vielen Punkten den russischen „Sozialrevolutionären“ nahestand. Die Alasch-Partei forderte mit anderen turko-tatarischen Völkerschaften der russischen Zarenreiches die Umwandlung des russischen Zarenreiches in einen föderativen Staat, in dem alle Völker gleichberechtigt nebeneinander leben konnten. Gleichzeitig wurde für die zentralasiatischen Steppennomaden ein autonomer kasachisch-kirgisischer Nationalstaat gefordert, der alle als „Kirgisen“ angesehenden Völkerschaften umfassen sollte. Doch noch während der Bildung der Alasch-Partei wurde es sichtbar, dass sich zwei Hauptrichtungen herrausbildeten: Denn noch im Frühjahr 1917 wurde unter Mustafa Tschokajew in Bischkek ein kara-kirgisischer Flügel gegründet, dem vor allem die muslimischen Traditionalisten angehörten. Dieser kirgisische Flügel galt als rechts-konservativer Parteiflügel. Offizieller Sitz dieses Alasch-Flügels wurde Kokand. Den größeren Einfluss hatte jedoch der größere linke Flügel der Alasch-Partei, der unter der Führung Bökeychanows und unter dem Einfluss der Dschadidisten stand: So galt Bökeychanow bei den kasachischen Nomaden als „Tore“ (kasachischer Fürstentitel) als legitimer Nachfahre des Dschingis Khan, während Tschokajew, dem das Gebiet Syrdarja unterstand, von den Traditionalisten als „eigentlicher Führer“ der Alasch Orda angesehen wurde. Unter dem Einfluss Tschokajews nahmen dann auch große Teile der Alasch-Orda-Mitglieder an den damals in Turkestan stattfindenden Aufständen teil.

Während des russischen Bürgerkrieges stellte die Alasch Orda-Führung auch eigene Truppen auf, um das von Kasachen besiedelte Gebiet gegen die Bolschewiki zu verteidigen. Sie war jedoch nicht in der Lage, ein zusammenhängendes Territorium zu halten. So rief schließlich Mustafa Tschokajew eine Regierung für das gesamte Turkestan mit Sitz in Kokand aus.[3] und wurde oberster Minister im neuen Khanat Kokand, dass diesen neuen turkestanischen Staat symbolisieren sollte. Um ihre militärische Position gegenüber den Bolschewiki zu stärken, schloss die Alasch Orda sogar ein Bündnis mit den zarentreuen Ural-Kosaken, die als Slawen ironischerweise teilweise mit kasachischen und tatarischen Frauen verheiratet waren.

Da jedoch die Alasch-Orda-Regierung Tschokajew die Machtübernahme der Bolschewiki in der Oktoberrevolution strikt ablehnte und stattdessen gemeinsam mit tatarischen und baschkirischen Nationalisten sowie russischen Sozialrevolutionären und Liberalen daran festhielt, dass die zukünftige Staatsordnung eines demokratischen föderativen Russlands durch die Verfassunggebende Versammlung bestimmt werden müsse, geriet sie schnell in Konflikt mit der neuen russischen Sowjetregierung.

1919 wurden die Truppen der Alasch Orda und der verbündeten Kosaken dann von der Roten Armee vernichtend geschlagen und ihre Führer größtenteils getötet.

Geschichte zwischen 1920 und 1937

Mit der Niederlage gegen die Roten Armee (1919) fiel die Alasch-Patei in die politische Bedeutungslosigkeit, als die Moskauer Zentralregierung die kirgisisch-kasachische Autonomie der Alasch-Orda aufhob und das Gebiet der Verwaltung der RFSSR direkt unterstellte. Im März 1920 wurde die Alasch-Partei aufgelöst und die „kirgisische Autonomie“ galt offiziell als beendet.

Die wenigen Überlebenden des pantürkisch-militanten Flügels der Alasch-Partei zogen ins südliche Turkestan und schlossen sich dort der Widerstandsbewegung der Basmatschi an. Die reform-orientierten Mitglieder traten nun der Kommunistischen Partei Turkestans bei und nahmen nun die Funktionen von „politischen Kommissaren“ wahr.

Bökeychanow selbst siedelte nach Moskau über. Er selbst wurde nicht mehr Abgeordneter des Parlamentes sondern von diesem vielfach nur als Dolmetscher eingesetzt. Politisch war er nun in die völlige Bedeutungslosigkeit geraten. In Russland schrieb Bökeychanow für mehrere turksprachigen Zeitungen und verfasste einige Bücher. 1921 gründete dieser unter anderem die Zeitung „Jaz Alaş“ mit und gab eigenverantwortlich die kasachische Zeitung „Qazaq tili“ (kasachische Sprache) heraus.

Alichan Bökeychanow starb am 27 November 1937 unter nicht ganz geklärten Umständen in Moskau; man vermutete aber, dass er auf Befehl Stalins vom russischen KGB ermordet wurde.

siehe auch

Literatur

  1. Zentrum für Türkeistudien (Hrsg.): Aktuelle Situation in den Turkrepubliken (Working Paper 14, 1994)
  2. Roland Götz/Uwe Halbach: Politisches Lexikon GUS, 1992
  3. Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht - Nationalitäten und Religionen in der UdSSR, 1990

Einzelnachweise

  1. Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht. Nationalitäten und Religionen in der UdSSR, S. 168
  2. Erhard Stölting: ebenda S. 196
  3. Erhard Stölting: ebenda, S. 168