Edward Rydz-Śmigły
Edward Rydz-Smigły (* 11. März 1886 in Brzeżany bei Tarnopol in Galizien, † 2. Dezember 1941 in Warschau) war ein polnischer Politiker, Marschall von Polen, Maler und Dichter.
Leben
Frühe Jahre bis 1914
Edward Rydz, wie er eigentlich hiess (Smigły- der Schnelle- war ein Pseudonym, den er in verschiedenen konspirativen Vereinen der Zeit vor 1914 benutzte und später seinem Familiennamen beifügte), war Sohn des österreichisch-ungarischen Berufsunteroffiziers Tomasz Rydz († 1888) und dessen Gemahlin Maria Babiak († 1896 im Alter von 29 Jahren). Früh verwaist, wurde Edward von mütterlichen Großeltern erzogen und nach deren Ableben von der Familie des Stadtarztes in Brzeżany Dr. Uranowicz. Er besuchte das Gymnasium in seinem Geburtsort und legte 1905 das Matura - Examen mit Auszeichnung ab.
Eigentlich wollte Rydz Kunstmaler werden und studierte zuerst Philosophie und Kunstgeschichte an der Krakauer Universität und dann Malerei bei Leon Wyczółkowski und Teodor Axentowicz an der Krakauer Akademie der Schönen Künste. Im Jahre 1907 studierte er Malerei in München, Nürnberg und Wien, später, in den Jahren 1910- 1911 erhielt er Offiziersausbildung als Einjähriger im berühmten österreichischen 4. Regiment Hoch- und Deutschmeister und beendete sie mit Auszeichnung als Fähnrich. Man schlug ihm vor, als Berufsoffizier in der Armee zu bleiben, er lehnte es jedoch ab.
In den Jahren 1907 und 1908 war Rydz in verschiedenen konspirativen sozialistischen und nationalen Vereinen tätig. Nach der Schöpfung des von k.u.k.Behörden zugelassenen "Schützenbundes" ("Strzelec") wurde Rydz, nach der Beendigung der Ausbildung als Offizier der "Schützen", zum Kommandanten zweier Ausbildungsstufen (1912 und 1913), und im letztgenannten Jahr zum Chef des Bezirks Lemberg. Gleichzeitig, im Jahre 1912, nahm er das Studium an der Akademie der Schönen Künste unter der Leitung des Professors Józef Pankiewicz wieder auf und beendete es noch vor dem Ausbruch des Krieges. Man lobte seine Begabung in der Landschafts- und Porträtmalerei.
Erster Welkrieg und Krieg gegen die Bolschewiken (1914-1921)
Im Juli 1914 trat er als Leutnant in die österreichisch-ungarische Armee ein, einen Monat später wurde er zu den Pilsudski -Legionen versetzt, wo er in der berühmten, von Pilsudski selbst befehligten Ersten Brigade diente, in der er nach und nach Bataillonkommandant, Kommandant des 1. Regiments und Stellvertreter des Brigadechefs wurde. Im Jahre 1917 verweigerten die Legionäre den Eid auf die zwei Kaiser der Mittelmächte als Verbündete des neugeschaffenen Staates Regentschaftskönigreich Polen; der Generalgouverneur Hans von Beseler ließ die Legionen auflösen und die Soldaten internieren. Nach einer kurzen Haft wurde Rydz-Smigły von Pilsudski, der in Magdeburg inhaftiert war, Anfang 1918 zum Chefkommandanten der Kampforganisation Polska Organizacja Wojskowa (POW) ernannt. Im Herbst desselben Jahres wurde er vom Sozialistenführer Ignacy Daszyński als Kriegsminister in dessen sog. Erste Lubliner Regierung berufen (die zweite war die kommunistische unter Bolesław Bierut in 1944), die am 11. November 1918 die Macht an Pilsudski übergab.
Während des polnisch-sowjetischen Krieges 1919-1921 war Rydz Kommandant der Militärbezirke Warschau und Lublin. Während des polnischen Angriffs auf Wilna (1919) war er Befehlshaber der 1. Infanteriedivision der Legionen, später, während des Kiew- Feldzuges, befehligte er eine Angriffsgruppe, die aus der 1. und 7. Infanteriedivision und der 1. Brigade der Kavallerie bestand. Rydz brachte der 12. Division der Roten Armee eine totale Niederlage bei und besetzte am 7. Mai 1920 Kiew, mußte es jedoch auf Pilsudskis Befehl bald räumen, denn die Hauptmasse der polnischen Armee befand sich im Rückzug Richtung Heimat.
In der letzten Phase des Krieges, der bekanntlich mit der Niederlage der Bolschewiken endete, war Rydz Kommandeur der Südöstlichen und der Mittleren Front, die den rechten Angriffsflügel der polnischen Armee in der Schlacht um Warschau ausmachten, später befehligte er die 2. Front, die den Rückzug der Roten Armee Michail Tuchatschewskis abschnitt. Die Russen mußten nach Ostpreußen übergehen, wo sie interniert wurden.
Von 1921 bis 1939
Nach dem siegreichen Kriege bekleidete Rydz hohe militärische Ämter als Generalinspekteur des Wilnaer und später des Warschauer Militärbezirks. Einen Monat nach dem Tode Pilsudskis, am 13. Mai 1935 wurde er gemäss dem letzten Willen des Verstorbenen zum Generalleutnant und Generalinspekteur der Streitkräfte ernannt. Am 10. November 1936 wurde er zum Marschall von Polen befördert. Als solcher, mit Unterstützung des Offizierskorps, schuf er ein zweites Machtzentrum im autoritär regierten Polen: ab nun teilten sich die Kreise der Regierenden in "Leute des Präsidenten" Ignacy Mościcki, oder "Gruppe Schloss" (so genannt nach der Residenz des Präsidenten, dem Königlichen Schloss in Warschau), und "Leute des Marschalls", die sich im Generalinspektorat der Streitkräfte trafen. Ein Unabhängiger und Vermittler zwischen den beiden Gruppen war der Außenminister Oberst Józef Beck. Das Merkwürdige war, dass beide Gruppen in ihrem Machtkampf sich auf die vermeintliche intime Kenntnis der "Absichten des Kommandanten (Pilsudski)" beriefen, der kein politisches Testament hinterlassen hatte.
Letzte Jahre
Am 1. September 1939 wurde Polen vom Großdeutschen Reich angegriffen, am 17. September brach die Rote Armee in die polnischen, seit diesem Datum für immer verlorengegangenen Ostgebiete ein. Einen Tag später begab sich die polnische Regierung über den letzten noch offenen Grenzübergang in Zaleszczyki nach Rumänien, wo sie Asyl verlangte und erhielt. Rydz hatte ein Versprechen des rumänischen Königs Carol I. erhalten, freies Geleit nach Frankreich zu bekommen, die dortige Regierung weigerte sich jedoch, auf Betreiben seines alten Intimfeindes und nunmehrigen Exil-Premierministers, General Władysław Sikorski, ihn entgegenzunehmen. Zwei Jahre des Exils in Rumänien und Ungarn als Internierter sollten folgen. Im rumänischen und ungarischen Exil schuf Rydz die Pläne der Errichtung einer militärischen Widerstandsorganisation gegen die NS-Herrschaft, die auf Pilsudski-gesinnten Offizieren basieren sollte, sie entstand jedoch erst in 1942, nach seinem Tode.
Im Oktober 1941 floh Rydz aus Ungarn, kehrte in Verkleidung nach Warschau zurück und meldete sich als einfacher Soldat Adam Zawisza bei der Widerstandbewegung. Auf diese Weise, indem er sich selbst degradierte, wollte er wahrscheinlich die Schande der Flucht am 18.September 1939 büßen. Er nahm Kontakt mit dem Widerstand unter General Stefan Grot-Rowecki auf, starb jedoch nach nur 5 Wochen in Warschau plötzlich an Herzversagen und wurde unter dem angenomenen Namen auf dem Militärfriedhof Powązki in Warschau bestattet. Bis heute trägt das Grab diesen Namen.
Die Gestalt des zweifelsohne sehr tapferen und fähigen, aber am Ende glücklosen Soldaten Rydz, der im Jahre 1939 vor allem von seinen westlichen Verbündeten England und Frankreich mit ihrer Passivität auf der Westfront von 1939 im Stich gelassen wurde, wird heute (2005), nach Jahrzehnten der Verleumdung durch kommunistische Geschichtsschreiber in Polen, mit neuen Augen gesehen. Man sieht ihn heute als einen Patrioten, der alles für sein Land opferte und als einen der tragischen Helden der Nationalgeschichte.
Werke
Militärwissenschaftliche Literatur
- W sprawie polskiej doktryny (Die polnische Militärdoktrin), Warschau 1924;
- Kawaleria w osłonie (Die Kavallerie als Schutztruppe), Warschau 1925;
- Rozkazy, Artykuły, Mowy ('Befehle, Artikel, Reden), Warschau 1936;
- Wojna polsko-niemiecka (Polnisch-deutscher Krieg), Budapest 1941;
Dichtung
- Gedichtsammlung Dążąc do końca swoich dróg (Nach dem Ende des Weges strebend), London 1989;
Malerei und Grafik
- Illustrationen zum Buch Josef Pilsudskis "Der 22. Januar 1863", Lemberg 1920;
- Teilnahme an Kunstaustellungen in Krakau (1916) und Warschau (1917). Rydz stellte mehrere Aquarelle und Zeichnungen aus. Während der Internierung in Rumänien schuf er auch Ölgemälde.
Literatur
- Kazimierz Cepnik, Wódz Naczelny i Marszałek Polski Edward Smigly-Rydz, Zycie i Czyny, Lemberg 1937;
- Bohdan Wendorff, Towarzysze Komendanta, London 1950
- Paweł Zaremba, Historia Dwudziestolecia 1918-1939, I -II., Paris 1967