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Anthocyane

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Durch Anthocyane blau gefärbte Brombeere

Anthocyane (Etymologie: griech. anthos = Blüte, Blume, kyáneos = dunkelblau) sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, die in nahezu allen höheren Pflanzen vorkommen und den Blüten und Früchten die rote, violette, blaue oder blauschwarze Färbung geben. Sie gehören zu den Flavon-ähnlichen Stoffen, den Flavonoiden. Die Stoffgruppe der Anthocyane selbst lässt sich in die Zucker-freien Anthocyanidine (Aglykone) und die Anthocyanine (Glykoside) unterteilen. Die Anthocyane werden zu den sekundären Pflanzenstoffen gezählt. Sie sind als Lebensmittelzusatzstoff unter der E-Nummer 163 zugelassen. Es sind etwa 250 Anthocyane bekannt.

Vorkommen

Lebensmittel Anthocyane in mg pro
100 g Lebensmittel
Aronia 200-1000
Aubergine 750
Blutorange ~200
Brombeere ~115
Heidelbeere 80-420
Himbeere 10-60
Kirsche 350-400
Johannisbeere
(schwarze)
80-420
Traube
(rote)
30-750
Rotwein 24-35

Anthocyane sind chymochrome Farbstoffe, die nur im Zellsaft von Landpflanzen, nicht aber in Tieren, Mikroorganismen oder Wasserpflanzen zu finden sind. Dies liegt daran, dass für die Biosynthese der Anthocyane Produkte benötigt werden, die bei der Photosynthese der Pflanzen entstehen. Bei Wasserpflanzen ist der Umsatz der Photosynthese aufgrund der geringen Lichtintesität unter Wasser jedoch nicht ausreichend für die Produktion. Aber auch nicht alle Landpflanzen enthalten Anthocyane: bei den Nelkenartigen, Kakteen und Mollugogewächsen übernehmen Betalaine die Aufgabe der Anthocyane.

Die Anthocyanbildung wird von genetischen Faktoren gesteuert, wobei Umwelteinflüsse wie Temperatur, Licht und Wasserverfügbarkeit zusätzlich regulierend wirken können.

Anthocyane kommen nahezu in allen höheren Pflanzen, meist in den Blüten und Früchten, aber auch in den Blättern vor. In den jeweiligen Pflanzenteilen sind sie vor allem in den äußeren Zellschichten wie den Epidermiszellen zu finden. Die dort gefundenen Mengen sind relativ groß: Ein Kilogramm Himbeeren enthält zum Beispiel etwa 115 Gramm Anthocyane, aus roten und schwarzen Hülsenfrüchten lassen sich bis zu 20 Milligramm pro Gramm Schale gewinnen. Reich an Anthocyanen sind zum Beispiel Aronia, Kirschen, Usambara-Veilchen, Auberginen, blaue Trauben, Heidelbeeren und Rotkohl. Weniger verbreitet sind Anthocyane zum Beispiel in Bananen, Spargel, Erbsen, Fenchel, Birnen und Kartoffeln. Der rechte Tabelle können weitere Mengenangaben einiger Lebensmittel entnommen werden. Am häufigsten kommen in der Natur die Glykoside von Cyanidin, Delphinidin, Malvidin, Pelargonidin, Peonidin und Petunidin vor.

Rot gefärbte Blätter im Herbst

In den Pflanzen liegen die Anthocyane zusammen mit anderen natürlichen Farbstoffen wie den chemisch eng verwandeten Flavonen, den Carotinoiden und anderen vor. Sie sind neben diesen auch für die Färbung der Blätter im Herbst verantwortlich, wenn die Photosynthese eingestellt und das Chlorophyll nicht neu gebildet wird, werden diese mit ihren Farben beim Abbau des Phenylalanins produziert. Auch bei noch relativ jungen Pflanzen bei denen die Chlorophyll- und Wachsproduktion noch nicht eingesetzt, und die somit ungeschützt wären, wird zum Schutz vermehrt Anthocyan produziert. Teile oder sogar die ganze Pflanze werden so gefärbt und sie ist geschützt, man spricht vom Jugendanthocyan. Wenn die Chlorophyllproduktion beginnt werden die Anthocyanfarbstoffe in den Hintergrund verdrängt und nicht weiter neu gebildet. Das Muster der Anthocyane in Pflanzen ist ganz spezifisch, da es von den Bodenbedingungen, Licht, Wärme und Pflanzenart beziehungsweise Sorte abhängt.

Biosynthese

Die Bildung der Anthocyane folgt der Biosynthese aller Flavonoide (siehe dazu: Flavonoide#Biosynthese). Eine biologische Vorstufe sind die oligomeren Proanthocyanidine. Als Schlüsselenzym des Anthocyan-Syntheseweges wurde die Chalkonsynthase (CHS) identifiziert, deren Expression auf mRNA-Ebene reguliert wird. Verschiedene Außenfaktoren haben darauf Einfluss, vor allem die Belichtung. Aber auch Pflanzenstress und Temperaturen können eine Rolle spielen.

Bei Keimlingen wird etwa das so genannte Jugendanthocyan in den Keimblättern und im Hypokotyl durch den Rot- und Blaulichtanteil im Sonnenlicht angeregt, der durch die als Photorezeptoren funktionieren Moleküle Phytochrom (Rotlicht) und Kryptochrom (Blaulicht) registriert wird. Ausgewachsene Pflanzen produzieren vor allem bei ultravioletter Belichtung, die für die Pflanze Stress bedeutet, Anthocyane in Blättern und dem Spross. Dabei stellen die Anthocyane wahrscheinlich nur die stabilen Endprodukte der Synthese dar, wichtig für den Schutz der Pflanze sind jedoch die UV-absorbierenden Vorstufen.

Auch bei der Laubfärbung im Herbst werden Anthocyane gebildet, die den Rotanteil des Herbstlaubes ausmachen. Dabei sind die Anthocyanide hier das Endprodukt des Zimtsäureweges, der durch den Abbau von Phenylalanin angestoßen wird.

Grundsätzlich werden Anthocyanide in Blättern immer nur in der äußersten Schicht, der Epidermis, gebildet. In Sprossorganen bilden sich die Anthocyanide in der darunter liegenden Subepidermis und in Blattorganen vor allem nahe der Blattvenen und dem Blattrand. Zurück zu führen ist diese lokale Beschränkung auf die Existenz genetischer Transkriptionsfaktoren in diesen Bereichen, die eine Synthese der Anthocyanide als Reaktion auf bestimmte Faktoren erst ermöglichen. Man spricht in diesem Zusammanhang von einem Kompetenzmuster.

Gewinnung und Darstellung

Die Gewinnung erfolgt durch Extraktion mit sulfitiertem Wasser oder durch chromatographische Verfahren aus den Bestandteilen von verschiedenen Pflanzen. Am größten ist die Ausbeute zumeist bei Fruchtschalen oder Blüten.

Synthetisch sind die Anthocyanidine durch eine Knoevenagel-Kondensation von Salicylaldehyden mit α-Methoxyacetophenonen zugänglich. Das Primärprodukt tautomerisiert unter Ringschluss zum α-Flavanol, das bei Zugabe von Säure Wasser abspaltet und das Flavylium-Salz ergibt (Robinson-Synthese).

Robinson-Synthese von Anthocyanidinen, hier von einem Pelargonidin-Derivat

Aufgabe in Pflanzen

Die Anthocyane haben in den Pflanzen mehrere Aufgaben: Sie sollen

  1. Pflanzen vor dem starken UV-Licht der Sonne schützen, in dem sie bestimmte Wellenlängen absorbieren. So wird eine Schädigung der DNA in den Zellkernen verhindert.
  2. Aufgrund ihrer Licht-absorbierenden Eigenschaften erzeugen sie bei den Pflanzen Farben, die Insekten anlocken sollen. Die Insekten können den Pflanzen bei ihrer Vermehrung helfen.
  3. Freie Radikale binden, die bei Pflanzenstress entstehen.

Die ersten beiden Punkte erklären auch, warum die Anthocyane sich in den äußeren Schichten der Pflanzenteile finden: Nur hier können sie ihre Aufgabe erfüllen. Wenn Pflanzen nun starkem UV-Licht oder ionisierender Strahlung ausgesetzt werden, regt die Pflanze über chemische Botenstoffe die Anthocyanproduktion.

Struktur

Benzopyrylium-Salz, Chlorid als Gegenion

Anthocyane lassen sich von der Struktur her der großen Gruppe der Polymethin-Farbstoffe zuordnen. Als Derivate der Benzopyrylium-Salze besteht ihr Grundgerüst aus einem Sauerstoff-haltigen Heterocyclus (Pyran) mit ankondensiertem Benzol-Ring. Der Pyran-Ring ist bei Anthocyanen an Position 2 mit einem Phenylrest verbunden, der selber verschiedene Substituenten tragen kann. Als Gegenion zum Ausgleich des kationischen Sauerstoffs im Pyran-Ring findet man meistens Chlorid. In dieser positiven Ladung unterscheiden sich die Anthocyane von anderen Flavonoiden.

Die Anthocyan-Untergruppe der Anthocyanidine weist folgendes Substitutionsmuster auf (einige Beispiele):

Grundstruktur der Anthocyane: das Flavyliumkation
Anthocyanidin R1 R2 R3 R4 R5 R6 R7
Aurantinidin -H -OH -H -OH -OH -OH -OH
Cyanidin -OH -OH -H -OH -OH -H -OH
Delphinidin -OH -OH -OH -OH -OH -H -OH
Europinidin -OCH3 -OH -OH -OH -OCH3 -H -OH
Luteolinidin -OH -OH -H -H -OH -H -OH
Pelargonidin -H -OH -H -OH -OH -H -OH
Malvidin -OCH3 -OH -OCH3 -OH -OH -H -OH
Peonidin -OCH3 -OH -H -OH -OH -H -OH
Petunidin -OH -OH -OCH3 -OH -OH -H -OH
Rosinidin -OCH3 -OH -H -OH -OH -H -OCH3

Anthocyanidine weisen an Position 3 zumeist eine Hydroxylgruppe auf.

Datei:Cyanidin-3-glucosid.png
Cyanidin-3-glukosid

Bei den Glykosiden der Anthocyane, den Anthocyaninen, sind in der Regel an der Hydroxylgruppe am Kohlenstoffatom 3 Zuckermoleküle gebunden. Das können Glukose, Galaktose, Arabinose und Rhamnose in Form eines einzelnen Moleküls oder als Di- oder Trisaccharide sein. Durch Acylierung mit aromatischen Pflanzensäuren an diesen ergibt sich die Vielfalt der Anthocyane. Die Glykosidform verleiht den Molekülen eine erhöhte Wasserlöslichkeit, die wichtig für den Transport in den Pflanzen ist, sowie eine erhöhte Stabilität.

Eigenschaften

Viele Anthocyane bilden Metallkomplexe aus, die den Stoffen eine blaue Färbung verleihen (bathochromer Effekt). Besonders häufig sind Aluminium, Magnesium und Eisenkomplexe. Führt man Pflanzen nun mehr oder weniger Metallelektrolyte zu, zum Beispiel durch Eingraben von Metallstücken in den Boden, kann eine Farbänderung herbeigeführt werden. Anthocyane sind licht- und temperaturempfindlich und anfällig gegenüber höheren pH-Werten, bei pH-Werten unter 3 sind sie am stabilsten. Mit Tanninen reagieren Anthocyane und fallen aus wässrigen Lösungen aus.

Datei:Anthocyankomplex.png
Ein Delphinidin-Eisen-Komplex.

Anthocyane absorbieren Licht im Wellenlängenbereich zwischen 270 und 290 Nanometern (ultraviolette Strahlung) sowie im sichtbaren Bereich zwischen 465 und 560 Nanometern. Wahrnehmbar für das menschliche Auge sind die Komplementärfarben. Die Farbe wird zusätzlich beeinflusst von der Struktur und vom pH-Wert der Umgebung. Das Farbspektrum reicht dabei von blau bis rot, es finden sich alle Farben bis auf grün, wobei in saurem Milieu die Rotfärbung überwiegt (etwa beim Rotkohl) und im basischen Milieu vor allem Blau- und Violetttöne zu finden sind (etwa beim Rittersporn oder der Blaubeere). Farbumschläge finden in Pflanzen allerdings nicht statt, da sie einen relativ konstanten pH-Wert haben. Somit können die Extrakte auch als Indikatoren für Säuren und Basen dienen, auf die Anthocyane ist so auch die Indikatorwirkung des Rotkohls zurückzuführen. Die Farbänderungen beruhen dabei auf chemischen Reaktionen.

Bei pH-Werten unter 3 sind sie eher rot und liegen in Form von Flavyliumkationen vor. pH-Werte zwischen 4 und 5 führen durch Hydroxylierung zu Carbinol-Pseudobasen und meistens zur Entfärbung, womit die Anthocyane ihre Aufgaben in den Pflanzen folglich nicht erfüllen können. Bei pH-Werten zwischen 6 und 7 liegen sie als Flavenole vor und sind eher purpur, wobei durch Dehydroxylierung eine Hydroxylgruppe in eine Ketogruppe umgewandelt wird (hier wurde willkürlich R2 gewählt). Bei pH-Werten zwischen 7 und 8 wird dieses Molekül deprotoniert und liegt nun als Flavenolatanion vor und ist purpur. Bei pH-Wert über 8 bricht der Pyranring auf und das Molekül liegt als Chalkon vor und ist gelb. Die Farben sind jedoch nicht zwangsläufig so wie angegeben, dann zumeist aber wenigstens ähnlich.

Datei:PH-Wert-Anthocyane.png
pH-Wert-bedingte Reaktionen, die die Farbumschläge hervorrufen.

Oxidationsmittel entfärben Anthocyane. Beim Vermischen mit Eisen(III)-chlorid-Lösungen entstehen tiefviolette Färbungen, was aber nicht auf pH-Wert-Veränderungen sondern auf Chelatbildung zurückzuführen ist.

Verwendung

Anthocyane werden als Lebensmittelzusatzstoff zur Färbung zum Beispiel Fruchtgelees, Süßwaren, Brausen, Marmelade, Konfitüren, Obstkonserven, Backmitteln für feine Backwaren, Überzüge und Speiseeis zugesetzt. Eine Verwendung ist bei einigen Lebensmitteln jedoch nicht erlaubt, wenn eine Täuschungsgefahr besteht, wie etwa bei Brot, verschiedenen Milchprodukten, Nudeln und Honig. Meist werden sie aber nur sauren Produkten zugesetzt, da sie nur in diesen über längere Zeit stabil sind. Als Farbstoffe in der Kunst werden sie aber wegen ihrer fehlenden Stabilität nicht eingesetzt.

Physiologie

Die Anthocyane aus rotem Traubensaft und schwarzem Johannisbeersaft werden nur in ge­ringem Umfang vom Körper aufgenommen und/oder schnell metabolisiert, wie aus geringen Anthocyan-Konzentrationen sowohl im Blutplasma als auch im Urin geschlossen wurde. Die tägliche Aufnahmemenge schwankt von Mensch zu Mensch stark, sodass Durchschnittswerte kaum Aussagekraft besitzen. Die Bioverfügbarkeit der Anthocyane liegt bei Aufnahme mit normaler Nahrung nur bei etwa 1 Prozent.

Anthocyane haben antioxidative Wirkung, die die von Vitamin C und Vitamin E, zumindest in vitro, um ein Vielfaches übersteigen kann. Es wird jedoch bezweifelt, dass die Anthocyane auch in vivo diese starke antioxidative Wirkung entfalten können, da die Bioverfügbarkeit schlecht ist. Im menschlichen Körper binden sie freie Radikale und schützen somit die DNA sowie Lipide und Kohlenhydrate vor Schädigung. Den Anthocyanen werden noch andere Wirkungen zugeschrieben: Sie sollen die Sehvorgänge verbessern, entzündungshemmend und gefäßschützend wirken.

Anthocyane sind nur in sehr geringen Maße toxisch, aus Pflanzen aufgenommene Anthocyane stellen keine Gefahr dar.

Analytik

Anthocyane lassen sich am leichtesten mittels chromatographischer Methoden wie zum Beispiel HPLC, meist mit gekoppeltem Massenspektrometer (LCMS), quantifizieren. Bei der HPLC bietet sich eine Reversed-Phase-C18-Phase (siehe HPLC) an. Kleinere Mengen sind mit einem elektrochemischen, größere mit einem photometrischen Detektor nachweisbar.

Bei der Analyse ist es vorteilhaft, den pH-Wert mit Säuren wie zum Beispiel Ameisensäure auf unter 3 zu erniedrigen, da die Anthocyane unter diesen Bedingungen am stabilsten sind. Da Pflanzen ein ganz spezifisches Anthocyanmuster aufweisen, wird zum Beispiel häufig über die Anthocyane nachgewiesen, ob ein Wein aus einem bestimmten Anbaugebiet kommt oder nicht oder um welche Rebsorte es sich handelt. Die Bestimmung von Pflanzen kann anhand ihres Anthocyanmusters durchgeführt werden.

Literatur

  • K. Herrmann: Anthocyanin-Farbstoffe in Lebensmitteln. Ernährungs-Umschau, 33 (1986), 9.
  • K. Herrmann: Hinweise auf eine antioxidative Wirkung von Anthocyaninen. Gordian, 95 (1995), 5.
  • G. Mazza, E. Miniati: Anthocyanins in fruits, vegetables, and grains. CRC Press., Boca Raton (1993)
  • M. N. Clifford: Anthocyanins – nature, occurence and dietary burden. J. Sci. Food Agric.