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Ghaznawiden

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Das Ghaznawiden-Reich

Die Ghaznawiden (persisch غزنویان) waren eine muslimische Dynastie türkischer Sklavenherkunft, die von 977 bis 1186 im östlichen Persien herrschten, zeitweise im Westen bis nach Rayy und Dschebāl und im Osten bis zum Oxus und Nordwestindien.[1] Ghazna in Chorasan war lange Zeit ihre Hauptstadt. Gründer der Dynastie war Sebüktigin, ein General und Statthalter der iranischen Samaniden.[2]

Herkunft und Bedeutung

Die Ghaznawiden waren iranisierte Türken[3][4][5] und stammen von karlukischen Sklaven ab, die besonders nach dem Sieg der Samaniden über die karlukischen Türken im Jahre 893 in großer Zahl zum Islam konvertiert wurden und fortan als Militär- und Hofsklaven (ǧulām) in deren Diensten standen.[6] Der Name der Dynastie ist vom Namen der Stadt Ghazna abgeleitet. In historischen Quellen werden sie auch nach dem Dynastiegründer als „Āl-e Sabuktegīn“ bezeichnet.[7]

Die Herrschaft der streng sunnitischen Ghaznawiden hatte in vielerlei Hinsicht den Charakter einer Fortsetzung der samanidischen Herrschaft und sollte, trotz ihrer kurzen Zeitspanne, einen weitreichenden Einfluss auf die Kultur und Geschichte der von ihnen beherrschten Gebiete haben.

Geschichte

Das Minarett von Ghazna, erbaut von Bahram Schah im 12. Jh.
Die Schlacht von Dandanaqan bei Merw 1040

Dynastiegründung

Der Grundstein für die Reichsgründung wurde 962 durch den türkischen General Alptigin gelegt. Dieser war ein ehemaliger Sklave im Dienste der Samaniden, der in der Thronfolgefrage gegen den Emir Manṣūr b. Nūh (961-976) intrigiert hatte und sich deswegen Ghazna jenseits des Hindukusch-Gebirges aneignete, um der Rache zu entkommen. Er konnte die Stadt 962 besetzen und verstarb im Jahr darauf. Ihm folgten weitere Sklaven-Offiziere, zunächst sein Sohn Isḥāq (963-966), der die Oberherrschaft der Samaniden anerkannte und ihre Hilfe gegen seinen Rivalen Lawik einforderte.

Schließlich gelang Alptigins Sklave und späterer Schwiegersohn, Sebüktegin (977–997), die Begründung einer Dynastie, die bis 1186 regieren konnte, wobei auch er anfangs offiziell im Namen der Samaniden herrschte. Sebüktegin zog zunächst in einem "heiligen" Krieg gegen die Hinduschāhīs und nahm deren König Jaya Pala (965-1001) gefangen, ließ ihn aber nach einer Tributzahlung wieder frei. Mit dem Niedergang des Samanidenreichs in Transoxanien gelang ihm 994 die Aneignung weiterer Gebiete, die ihm und seinem Sohn Mahmud nach einer Hilfeleistung für Manṣūr b. Nūh unterstellt wurden. Der Emir war von einer Revolte seiner Generäle bedroht worden. Zwischen 999 und 1005 ging das Samanidenreich endgültig zugrunde, als die Karachaniden die samanidische Hauptstadt Buchara besetzten und sich mit dem Herren von Ghazna verständigten.

Machthöhepunkt unter Mahmud und Masud von Ghazna

Unter Sebüktegins Sohn Maḥmūd (Maḥmūd Yāmīn al-Daula, reg. 998–1030) erreichte die Dynastie schon ihren Höhepunkt.

Die Legitimation seiner Herrschaft in Chorasan ließ sich Maḥmūd durch den abbasidischen Kalifen Al-Qādir bi-'llāh zusprechen. Durch ununterbrochene Kämpfe errichtete sich Maḥmūd Schritt für Schritt ein großes Militärreich, das unter seiner persönlichen, despotischen Kontrolle stand. Seine siegreichen Schlachten und sein Ruf als erfolgreicher Militärführer waren ein Garant dafür, dass sich immer freiwillige Kämpfer (ghozāt bzw. moṭaweʾūn) aus dem gesamten Osten der islamischen Welt für seine Armee fanden.[1] Diese professionelle Armee der Ghaznawiden setzte sich aus den verschiedensten Völkern des Ghaznawidenreiches zusammen, darunter auch Araber und Daylamiten. Den essentiellen Kern der Armee bildeten jedoch immer türkische Sklaven (ghulāmān-e chāṣ), welche die Elite der ghaznawidischen Armee und die persönliche Leibgarde des Herrschers stellten.[1] Auf dieser militärischen Basis wurden Hof und Verwaltung des Reiches nach Vorbild der Samaniden organisiert.

Als einer der bedeutendsten muslimischen Eroberer begann Maḥmūd, nach der Verständigung mit den Karachaniden, ab 1001 mit Feldzügen auf dem indischen Subkontinent und drang bis Gujarat, Kannauj und Zentralindien vor. Auch wenn er keine Eroberung Indiens über das Indusgebiet und den Punjab hinaus anstrebte, schwächte er durch seine, in der Regel erfolgreichen Raubzüge, die hinduistischen Staaten erheblich und bereitete so die spätere Eroberung Indiens durch die Ghuriden vor. Obwohl Maḥmūd Schlachten in Indien immer nur profane Raubzüge waren und keine religiös motivierten Kriege für den Islam, wurde sein Ruf als "Hammer für die Ungläubigen" dennoch bis nach Baghdad und darüber hinaus propagiert.[1]

Weil die Karachaniden mittlerweile in Transoxanien aufgrund ihrer inneren Streitigkeiten keine allzugroße Bedrohung darstellten, konnte Maḥmūd in der Folgezeit auch die schiitischen Buyiden im Westen bekämpften. Eine "Befreiung" der Abbasiden aus deren Vorherrschaft unterblieb aber mit dem Tod von Mahmud.

Auch im eigenen Staatsgebiet zeigten sich die Folgen von Maḥmūds Kriegsführung. Durch die Zerstörung der Bewässerungsanlagen brach 1011 in Chorasan eine Hungersnot aus, die allein in Nischapur 10.000 Opfer forderte. Das Regime der Mamluken-Armee von Ghazna war so unbeliebt, daß der einheimische Adel schließlich Rückhalt bei den Seldschuken suchte. Diese Gruppe emigrierte damals aus dem Raum um Buchara nach Choresm, wo sie sich nicht halten konnte und weiter nach Chorasan floh (1034). In dem Chaos kam es dann zur verzweifelten Konfrontation mit der Ghaznawiden-Armee vor Dandanqan bei Merw (1040), und die Seldschuken errangen einen überwältigenden Sieg. Sultan Mas'ūd I. (1030 – 1040) wurde daraufhin von seinen meuternden Soldaten gestürzt und später hingerichtet.

Spätzeit

Damit war Khorasan im Wesentlichen an die Seldschuken verloren und die Ghaznawiden konzentrierten sich auf ihre verbliebenen Herrschaftsgebiete und das nordwestliche Indien. Bahram Schah (1118 – 1152), der von dem Seldschuken-Sultan Sandschar (1118–1157) in sein Amt gesetzt wurde, verlagerte das Zentrum des Reichs in den Punjab, nach Lahore. Weiterhin geriet sein Staat seit der Mitte des 12. Jahrhunderts unter den Druck der Ghuriden aus dem Gebiet des heutigen Zentralafghanistan. Der Streit begann, als Bahram Schah ein Mitglied dieser Familie hinrichten ließ und dessen Bruder Saif al-din Suri deswegen bis Ghazna vordrang, wo er 1149 geschlagen und hingerichtet wurde. Ein dritter Bruder namens Ala ad-Din Husain (1149 – 1161) setzte sich schließlich in Ghor fest und zerstörte 1151 Ghazna. 1187 wurde mit der Eroberung von Lahore im Punjab der letzte Ghaznawide durch die Ghuriden gestürzt.

Verwaltung

Das Ethos der Ghaznawiden war streng sunnitisch und die Sultane befolgten die Rechtsschule (madhhab) der Hanafiten. Sultan Mahmud pflegte stets gute Beziehungen zum Kalifat der Abbasiden in Baghdad und stärkte dadurch die religiösen und moralischen Erfordernisse für seine autoritäre Herrschaft. Er ließ dem Kalifen Geschenke zukommen und präsentierte sich als Beschützer der Orthodoxie, vor allem gegen die schiitischen Bujiden, die Ismailiten von Multan und die Mutaziliten von Ray.[1] Sein Sohn Masud setzte diese Politik fort, bis die Ghaznawiden schleißlich von den Seldschuken besiegt wurden und diese sich fortan als "Beschützer des Kalifats" betrachten konnten.[8]

Die Ausübung der Macht durch den Sultan und der administrative Staatsapparat befanden sich innerhalb der perso-islamischen Tradition. Dabei herrschte der Sultan als Despot und mit "göttlichem Beistand" über alle Schichten der Bevölkerung: Händler, Künstler, Bauern, etc., deren hauptsächliche Aufgabe darin bestand, dem Sultan respektvoll zu dienen und ihm Steuern zu zahlen.[1]

Während die Armee der Ghaznawiden im Großen und Ganzen von türkischen Militärsklaven abhängig war, befand sich der administrative Staatsapparat in den Händen von persischen Bürokraten, die die Traditionen der Samaniden weiterführten. Die Iranisierung des Staatsapparates ging einher mit der Iranisierung des Lebensstils und der Hochkultur am ghaznawidischen Hof, und alle wichtigen Regierungsposten, darunter der des Wesirs, des Kriegsministers, und des Finanzministers, wurden durchgehend von Persern besetzt.[1]

Kultur, Kunst und Literatur

Mahmud von Ghazni (mit Ayaz), Förderer der Persischen Literatur

Obwohl der Begründer der Dynastie türkischer Abstammung war, gibt es dennoch keine Anzeichen auf das Fortbestehen eines türkischen Identitätsbewusstseins der Ghaznawiden.[9][10] Wie viele andere türkische Familien und Herrscher jener Zeit, hatten auch die Ghaznawiden schnell die Sprache und Kultur ihrer persischen Herren, Lehrer und Untertanen übernommen, sodass schon sehr früh keine Bindung mehr zu ihrer türkisch-zentralasiatischen Herkunft bestand.[11][12] Sie wurden in dieser Hinsicht zu einer "persischen Dynastie"[5] und entwickelten sich, ganz nach dem Vorbild der präislamischen Perser, zu großzügigen Förderern der iranischen Hochkultur.[4] Vor allem der Hof in Ghazna wurde zu einem weithin berühmten kulturellen Zentrum ausgebaut, das zahlreiche Gelehrte und Dichter aus der Region anzog. Dennoch scheinen die Ghaznawiden nicht ausreichend privilegiert gewesen zu sein, um wirklich große Dichter an ihrem Hof beschäftigen zu können - die einzige Ausnahme war Firdausi.[13] Auch der Universalgelehrte Biruni wirkte am Hof der Ghaznawiden.[14]

Kunst und Architektur florierten während der ghaznawidischen Ära - nicht nur in Ghazna, sondern auch in Herat, Balch und anderen provinzialen Zentren des Reiches. Zum einen ging das auf die großzügige Förderung durch die Sultane zurück, zum anderen aber auch auf die großen finanziellen Möglichkeiten, die sich die Ghaznawiden durch ihre Raubzüge aneigneten.[1]

Führer der samanidischen ghulāmān-e chāṣ in Ghazna

  • Alptigin (962-963)[15]
  • Abū Esḥāq Ibrāhīm (963-966)
  • Bilgetigin (966-975)
  • Böritigin (pers: Pīrītegīn; 975-977)[16]

Herrscher von Ghazna

  • Abū Manṣūr Sebüktigin (977; herrschte anfangs noch im Namen der Samaniden)
  • Ismā'īl b. Sebüktigin (997)
  • Maḥmūd b. Sebüktigin (998-1030)
  • Muḥammad b. Maḥmūd (1030-1031; erste Herrschaft)
  • Mas'ūd I b. Maḥmūd (1031–1041)
  • Muḥammad b. Maḥmūd (1041; zweite Herrschaft)
  • Maudūd b. Mas'ūd (1041-1048)
  • Mas'ūd II b. Maudūd (1048)
  • ʾAlī b. Mas'ūd (1048)
  • Abd al-Raschīd b. Maḥmūd (1049)

Usurpation in Ghazna durch den Sklavenführer Abū Sa'īd Ṯoghrīl (1052)

  • Farruchzād b. Mas'ūd I (1052-1059)
  • Ibrāhīm b. Mas'ūd (1059-1099)
  • Mas'ūd III b. Ibrāhīm (1099-1115)
  • Schīrzād b. Mas'ūd III (1115)
  • Arslan Schāh b. Mas'ūd III (1116)

Seldschuken besetzen Ghazna (1117)

  • Bahrām Schāh b. Mas'ūd III (1117-1150; erste Herrschaft)

Ghuriden besetzen Ghazna (1150)

  • Bahrām Schāh b. Mas'ūd III (1152-1157; zweite Herrschaft)
  • Chusrau Schāh b. Bahrām Schāh (1157-1160; nur noch im Nordwesten Indiens)
  • Chusrau Malik b. Chusrau Schāh (1160-1186; nur noch im Nordwesten Indiens)

Eroberung durch die Ghuriden (1186)

Literatur

  • C. E. Bosworth The Ghaznavids. Edinburgh 1963.
  • G. E. Tetley The Ghaznavid and Seljuk Turks: Poetry as a Source for Iranian History. Abingdon 2008.

Anmerkungen

  1. a b c d e f g h C.E. Bosworth, Ghaznavids, Encyclopaedia Iranica, Online Edition. Siehe "Weblinks". Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „EIr“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  2. B. Spuler in Encyclopaedia of Islam, Artikel GHAZNAWIDS
  3. (1) Monika Gronke: "Geschichte Irans. Von der Islamisierung bis zur Gegenwart". München 2003. S. 31ff (2) Fischer Weltgeschichte, Indien, Frankfurt am Main 1967, Bd. 17, S. 182 (3) Hermann Kulke: Indische Geschichte bis 1750 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 34), München 2005, S.59 (4) Gerard Chaliand Nomadic Empires: From Mongolia to the Danube, New Brunswick 2003, S. 108 (5) G. E. Tetley The Ghaznavid and Seljuk Turks: Poetry as a Source for Iranian History, Abingdon 2008
  4. a b Robert L. Canfield: Turko-Persia in Historical Perspective (School of American Research Advanced Seminars). Cambridge Univ Press. 2002. S. 8: "The Ghaznavids were essentially Persianized Turks who in the manner of of the pre-Islamic Persians encouraged the developement of high culture."
  5. a b B. Lewis/P.M. Holt/A.K. Swynford Lambton: The Cambridge History of Islam. Cambridge University Press. 1977. S. 148: "... the Ghaznavids were also persianized and therefore became a Persian dynasty ..."
  6. C.E. Bosworth in Encyclopaedia of Islam: Samanids. Brill. Digitale Edition. "One role which Ismā'īl inherited as ruler of Transoxania was the defence of its northern frontiers against pressure from the nomads of Inner Asia, and in 280/893 he led an expedition into the steppes against the Qarluq Turks, capturing Ṭalas and bringing back a great booty of slaves and beasts."
  7. Jürgen Paul: Einführung in die Geschichte der islamischen Länder, Universität Halle. PDF-Handout: "... Die in der westlichen Forschung „Ġaznawiden“ genannten Herrscher heißen in den Quellen nach ihrem Gründer Āl-i Sebüktegin ..."
  8. C.E. Bosworth in Encyclopaedia of Islam, digital Edition, Artikel "Saldjūkids"
  9. David Christian: A History of Russia, Central Asia and Mongolia. Blackwell Publishing. 1998. S. 370: "Though Turkic in origin [...] Alp Tegin, Sebuk Tegin and Mahmud were all thoroughly Persianized"
  10. E. Yarshater, History of Iran: Ghaznavids, Encyclopaedia Iranica, Online Edition: "Although the Ghaznavids were of Turkic origin [...] as a result of the original involvement of Sebüktegin and Mahmud in Samanid affairs and in the Samanid cultural environment, the dynasty became thoroughly Persianized [...] In terms of cultural championship and the support of Persian poets, they were far more Persian than the ethnically Iranian Buyids ..." - LINK
  11. C.E. Bosworth, Ghaznavids, Encyclopaedia Iranica, Online Edition: "... sources, all in Arabic or Persian, do not allow us to estimate the persistence of Turkish practices and ways of thought amongst them [...] Persianisation of the state apparatus was accompanied by the Persianisation of high culture at the Ghaznavid court ..."
  12. B. Spuler, "Ghaznavids", Encyclopaedia of Islam, Online Edition, 2006: "... As far as can be seen, the dynasty assimilated Persian influence in the realms of language and culture as quickly as did other Turkish ruling houses ..."
  13. C.E. Bosworth, Ghaznavids, Encyclopaedia Iranica, Online Edition:: "... As far as can be seen, the dynasty assimilated Persian influence in the realms of language and culture as quickly as did other Turkish ruling houses. But, leaving Firdawsī aside, they were not privileged to have a really important poet at their court. ..."
  14. "Biruni", in Encyclopaedia Britannica, Online Edition, 2007.
  15. Die Behauptung im Tarikh-i Guzida, Alp Tigin habe 16 Jahre in Ghazna regiert, ist ein Irrtum. Vgl. [Band 16: Zentralasien: Anmerkungen. Fischer Weltgeschichte, S. 12296 (vgl. FWG Bd. 16, S. 329)]
  16. C.E. Bosoworth in Encyclopaedia Iranica, "Böri", Online Edition

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