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Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt

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Die Dienstleistungsrichtlinie ist eine geplannte EU-Richtlinie zur Liberalisierung von Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt. Der vieldiskutierte Vorschlag von EU-Binnenmarkt-Kommissars Frits Bolkestein sieht die Beseitigung staatlicher Vorschriften für Dienstleistungsunternehmen im dem Land, in dem die Dienstleistung angeboten wird, vor - statt dessen sollen sie in Zukunft nur noch den staatlichen Bestimmungen ihres Herkunftslandes unterliegen (Herkunftslandprinzip). Als Dienstleistungen gelten z.B. Finanzdienstleistungen, soziale Sicherungssysteme (Altenheime, Kinderbetreuung, Behinderteneinrichtungen, Heimerziehung, ...), Müllabfuhr, Verkehrssysteme, etc.

In diesem Zusammenhang sollen "Wettbewerbshindernisse" wie z.B. die Gemeinnützigkeit beseitigt werden. Somit werden die Strukturen der öffentliche Daseinsvorsorge, die Sozialunternehmen wie Caritas, AWO, Diakonie und kleine gemeinnützige Vereine als Firmen - wie profitorientierte Unternehmen - behandelt.

Im Zuge von Ausschreibungen staatlicher Stellen für Dienstleistung muss dann auch die EU-Beschaffungsrichtlinie beachtet werden, die allen Mitbewerbern aus allen EU Mitgliedsstaaten den Zugang zum Markt eröffnet.


Kritiker befürchten, dass diese Richtlinie zu einem Wettlauf der 25 Mitgliedstaaten der EU nach unten bei der Besteuerung, Regulierung und Kontrolle von Unternehmen im Dienstleistungsektor führen werde, indem viele Unternehmen in das EU-Land mit den geringsten Standards und Kontrollen ausweichen würden.

Die Unternehmen sollen nach der Richtlinie nämlich nur noch dem Recht und der Aufsicht ihres formellen Herkunftslandes, also des Staates unterliegen, in dem sie pro forma eingetragen sind. Dies soll selbst dann gelten, wenn sie ihre tatsächliche Tätigkeit dauerhaft in anderen Ländern ausüben. Für Firmen ohne Niederlassung entstehe damit ein vor Verfolgung und Behördenmaßnahmen geschützter Raum.

Gewerkschaften und Globalisierungskritiker befürchten eine "Ausflaggung" vieler Unternehmen in das EU-Land mit den geringeren Standards und Kontrollen.

Kritiker aus den Reihen der Strafverfolger erwarten, dass durch die Richtlinie mafiose und andere kriminelle Unternehmen freie Bahn in Europa bekommen.

Der Entwurf der Richtlinie wurde im Januar 2004 vorgelegt und müsste sowohl vom Ministerrat als auch vom Europaparlament angenommen werden.

Siehe auch

(Zwischen GATS und der "Bolkesteinrichtlinie" gibt es keinen direkten Zusammenhang, jedoch verfolgen beide ähnliche Ziele. Kritiker (zB. Attac) bezeichnen die Richtlinie als sog. Bolkesteinhammer bzw. als "GATS hoch fünf" aufgrund der Tiefe des Eingriffs in das soziale System. Was das Schengener Abkommen für den Handel mit Waren ist, soll die Bolkesteinrichtlinie für den Handel mit Dienstleistungen darstellen.)