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Mazedonier (slawischsprachige Ethnie)

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Mazedonische Mädchen in Nationaltracht
Datei:Makedonci 2.JPG
Mazedonische Tänzer in Tracht

Die slawischen Mazedonier (maz. Македонци, transl. Makedonci) sind eine südslawische Ethnie. Sie bilden heute neben der größten Minderheit der Albaner das Staatsvolk Mazedoniens[1]. Die slawischen Mazedonier sind nicht mit den antiken Makedonen zu verwechseln. Teilweise beanspruchen sie eine Verwandtschaft mit ihnen, die aber wissenschaftlich nicht belegbar ist.

Mazedonier bilden heute in der Republik Mazedonien (unabhängig seit dem 8. September 1991, siehe Zerfall Jugoslawiens) mit 1.297.981 Angehörigen die größte Bevölkerungsgruppe (Volkszählung 2002). Minderheiten leben in Griechenland, Serbien, Albanien und Bulgarien (5.071 nach der Volkszählung von 2001[2]), außerdem in Kanada, Australien und den USA. Als Minderheit sind sie jedoch nur in Albanien anerkannt.

Geschichte bis ins 20. Jahrhundert

Im 6./7. Jahrhundert siedelten Slawen im Gebiet des antiken Makedoniens. In der Folge galten sie meist als Bulgaren, und große Teile von ihnen verstanden sich auch selbst zum Teil bis ins 19. Jahrhundert als solche.[3]

Nach dem Zweiten Balkankrieg 1913 wurde die historische Landschaft Makedonien zwischen Serbien, Bulgarien und Griechenland aufgeteilt, so dass ihre Bevölkerung nun in drei verschiedenen Staaten lebte. Jeder dieser Staaten bestritt die Existenz eines mazedonischen Volks und versuchte die Mazedonier zu assimilieren. Teile der Bevölkerung schlossen sich in Organisationen zusammen (z. B. BMARK, IMRO) und kämpften vornehmlich gegen die serbische Vorherrschaft. Seinen Höhepunkt erreichte der Kampf 1934, als Vlada der Chauffeur in Marseille ein von der IMRO in Zusammenarbeit mit der kroatischen Ustascha geplantes Attentat auf den jugoslawischen König Alexander I. verübte, bei dem König Alexander und der französische Außenminister Louis Barthou ums Leben kamen.

Jüngere Geschichte und heutige Situation

In Mazedonien

Im sozialistischen Jugoslawien wurden die Mazedonier 1944 zum Staatsvolk erklärt[1] und bekamen eine eigene sozialistische Republik zugesprochen. Dadurch sollte eine Bevölkerung, die zwischen den zwei Weltkriegen dem Königreich Jugoslawien ablehnend bis feindlich gegenübergestanden hatte, in das titoistische Jugoslawien integriert werden.[1] In dieser Zeit wurde die mazedonische Sprache durch einen Beschluss des Antifaschistischen Rats der Volksbefreiung Mazedonien zur Amtssprache Mazedoniens proklamiert[4][5] und in der Folge zu einer voll funktionierenden, serbisch geprägten[6] Standardsprache ausgebaut. Das Ziel war die Herausbildung einer eigenständigen, von der bulgarischen unterschiedenen nationalen Identität. Zu diesem Zweck wurde, wie üblich bei Nationsbildungen[7], auch ein kontinuierliches mazedonisches Geschichtsbild entworfen.[8] Zu dieser Politik gehört zum Beispiel die Einvernahme der Apostel Kyrill und Method als Mazedonier wegen ihres Geburtsortes Thessaloniki.[9]

Probleme gab es mit Griechenland, das sich immer noch weigert, Mazedonien unter seinem verfassungsmäßigen Namen Republik Mazedonien (Republika Makedonija) anzuerkennen, da es Gebiets- und Kulturgüteransprüche fürchtet. Stattdessen hat Griechenland Mazedonien unter dem provisorischen Namen Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien anerkannt, unter dem das Land auf griechischen Druck auch in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde, und verwendet intern meist den Namen Republik Skopje oder die englische Abkürzung FYROM (Näheres unter Streit um den Namen Mazedonien).

Die Mehrheit der Mazedonier gehört heute der mazedonischen orthodoxen Kirche an, die jedoch von keiner anderen orthodoxen Kirche als autokephal anerkannt ist. Bei den kleinen Gruppen der Torbeschen und Goranen handelt es sich um muslimische Mazedonier.

In Griechenland

Im griechischen Teil Makedoniens wurden in den 1920er Jahren auch zahlreiche aus Kleinasien vertriebene Griechen angesiedelt, sodass dort der Bevölkerungsanteil der slawischen Bevölkerung stark sank. Bis heute sind hier die Slawen nicht als ethnische Minderheit anerkannt.[10] Damit hängt zusammen, dass die slawischen Mazedonier in Griechenland ihr Idiom weder zu einer Standardsprache ausbauen noch sich der Standardisierung in der jugoslawischen Republik Mazedonien anschließen konnten; sie sprechen das so genannte Ägäis-Mazedonische.

In Bulgarien

Nach der Unabhängigkeit der Republik Mazedonien 1991 war Bulgarien der erste Staat, der sie anerkannte[11], jedoch bezog sich diese Anerkennung bis 1999 lediglich auf den Staat, während die Existenz einer mazedonische Nation sowie einer mazedonischen nationalen Minderheit auf bulgarischem Territorium negiert wurde.[12]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c (Heinz Willemsen: Das politische System Makedoniens, in: Die politischen Systeme Osteuropas, Hg. Wolfgang Ismayr, Opladen 2006, S. 770)
  2. Resultate der Volkszählung von 2001 in Bulgarien, Gesamt und nach Bezirken (bulg.)
  3. Brockhaus Enzyklopädie, 21. Auflage, Band 17, Leipzig usw. 2006, S. 488, ISBN 3-7653-4117-7.
  4. Wolf Oschlies:Lehrbuch der makedonischen Sprache : in 50 Lektionen, Verlag Sagner, München, 2007, S. 9, ISBN 978-3-87690-983-7: [...]„den Beschluss des ASNOM (Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Mazedoniens), der am 2. August 1944 in dem südserbischen (oder nordmakedonischen) Kloster Sv. Prohor Pćinjski die Republik Mekedonien (innerhalb der jugoslawische Föderation) und in dieser die „makedonische Volkssprache als Amtssprache“ proklamierte.“[...]
  5. The Making of the Macedonian Alphabet
  6. Ljubčo Georgievski: Mit dem Gesicht zur Wahrheit. Ausgewählte Aufsätze, Essays und Vorträge (bulg. С лице към истината. Избрани статии, есета, речи), Sofia 2007, ISBN 9789549446463 .
  7. Schon Aeneas Sylvius stellte in seiner Historia Bohemica von 1458 fest, dass auch die Tschechen „wie alle Sterblichen einen so alten Ursprung wie möglich haben wollen“ („sicut ceteri mortalium, originem suam quam vetustissimam ostendere cupientes“; zitiert nach: Baldur Panzer, Quellen zur slavischen Ethnogenese: Fakten, Mythen und Legenden (Originaltexte mit Übersetzungen, Erläuterungen und Kommentaren), Frankfurt am Main u. a. 2002, S. 84).
  8. Ljubčo Georgievski: Mit dem Gesicht zur Wahrheit. Ausgewählte Aufsätze, Essays und Vorträge (bulg. С лице към истината. Избрани статии, есета, речи), Verlag Balkani, Sofia, 2007, ISBN 9789549446463
  9. Vgl. Jutta de Jonng: "Die makedonische Nationswerdung - eigenstaendige Integration oder kuenstliche Synthese?" in "Jugoslwien. Integrationsprobleme in Geschichte und Geenwart", Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1984, S. 171, ISBN 3-525-27315-0
  10. Vgl. den Bericht von Human Rights Watch: Denying Ethnic Identity - The Macedonians of Greece (engl.).
  11. Vgl. Vlg. Filip Dimitrow: Bulgaria’s Recognitions in der Zeitschrift Foreign Policy; Die politischen Systeme Osteuropas, Hg. Wolfgang Ismayr, Opladen 2006 , ISBN 3-8100-4053-3; Ljubomir Ivanov et al.: Bulgarian Policies on the Republic of Macedonia: Recommendations on the development of good neighbourly relations following Bulgaria’s accession to the EU and in the context of NATO and EU enlargement in the Western Balkans [dreisprachig: Bulgarisch, Mazedonisch und Englisch, Sofia: Manfred Wörner Foundation 2007/2008, ISBN 978-954-92032-2-6.
  12. Für einen kurzen historischen Überblick vgl. Herbert Küpper, Minderheitenschutz in Osteuropa: Bulgarien, [Köln 2003], S. 25 f.; für die aktuelle Situation vgl. den Abschnitt „Die mazedonische Minderheit“ im Kapitel „Bulgarien“, in: amnesty international, Jahresbericht 2007.

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