Wirtschaft Litauens
Mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft war ein struktureller Wandel in Litauen verbunden. Dieser hat sich seit dem Beitritt des Landes zur EU 2004 verschärft. Der befürchtete Niedergang der Landwirtschaft blieb aus.
Der Wegfall der Agrarzölle und vor allem die Einführung von Subventionen der EU machten größere Höfe und die Lebensmittelindustrie Litauens zu Gewinnern. So entwickelten sich z. B. Milchprodukte zu einem wichtigen Exportartikel.
Geschichte
Nach der Auflösung der Sowjetunion erfolgten in der Wirtschaft schwerwiegende Umwälzungen. Zahlreiche Betriebe wurden stillgelegt oder privatisiert. Traditionelle Handelsbeziehungen brachen ab oder wurden aus politischen Motiven abgebrochen bzw. durch neue Grenzen erschwert. Die Produktion in Industrie und Landwirtschaft ging zurück. Das Produktionsvolumen rutschte bis 1994 auf eine Viertel des Niveaus von 1989. Die Arbeitslosigkeit in der Republik stieg auf über 20%. Hinzu kam eine Hyperinflation. 1992 lag sie bei 1.400% jährlich. Bis 1995 stiegen die Verbraucherpreise um das 70-fache. 1993 wurde an Stelle des Rubel eine provisorische Währung eingeführt. Der Kurs fiel in nur einigen Jahren drastisch.
Hilfe vom Westen kam 1992, als Litauen Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde und dieser 1993 Litauen Kredite in Höhe von 300 Millionen US-Dollar gewährte. Mit Unterstützung des IWF und der Weltbank wurden Wirtschaftsreformen vorgenommen und der Litas als nationale Währung eingeführt. Der Litas blieb bis zur Abwertung 1998 mit festem Wechselkurs zum US-Dollar (1USD =4LTL).
Das wirtschaftliche Wachstum blieb jedoch schwach. Zwischen 1992 und 1997 stieg das Produktionsvolumen auf etwa 70% des Niveaus zu Sowjetzeiten. 16% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, 3% der Haushalte sogar in extremer Armut (2006).
Gegenwart
Aufgrund eines beachtlichen wirtschaftlichen Wachstums seit 2001 liegt die offizielle Arbeitslosigkeit in Litauen bei 3,9 % (1. Februar 2007).[1] Verschiedene Branchen klagen bereits über einen strukturellen Arbeitskräftemangel, insbesondere in den wirtschaftlichen Zentren Vilnius, Klaipėda und Kaunas. Damit einher geht ein schnelles Wachstum der Löhne um ca. 16% jährlich. Der mittlere Lohn beträgt 1731 Litas (ca. 500 EUR - brutto, 1. Februar 2007).[2]
Wichtigste Exportartikel Litauens sind Maschinen, Elektroartikel, Textilien. Wichtigste Handelspartner sind die EU-Staaten, vor allem Deutschland (10 %), Lettland (9,1 %), Frankreich.
Zukunft
Die Zukunft Litauens ist gekennzeichnet durch weitere Integration in westliche Strukturen (NATO, EU, Europarat, Ostseerat). Zur Zeit deutet aber vieles darauf hin, dass das Land z. B. beim Durchschnittseinkommen auf lange Zeit keinen Anschluss an das westeuropäische Wohlstandsniveau finden wird.
Die Funktion als "verlängerte Werkbank" Westeuropas könnte ihm schon bald durch die neuen EU Mitglieder und Beitrittskandidaten Rumänien, Bulgarien, Kroatien streitig gemacht werden, in denen die Löhne noch niedriger sind.
Seit dem EU Beitritt gibt eine starke Auswanderung besonders der jungen, mobilen und gutausgebildeten Bevölkerung in Länder Westeuropas (v.a. Großbritannien, Irland, Dänemark), die sich geöffnet haben und in denen litauische "Gastarbeiter" deutlich mehr verdienen können als in ihrem Heimatland.[3] Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung Litauens ist dies kontraproduktiv, weil dort jetzt gutausgebildete Mitarbeiter fehlen.
BIP
Seit der Überwindung der Russlandkrise von 1998/99 boomt die Wirtschaft aller drei baltischer Staaten. In Litauen lag der Zuwachs des BIP (real) jährlich bei über 7 %:
- 2003 10,5 %,
- 2004 7 %,
- 2005 7,3 %.
- 2006 6,9 %.
- 2007 6-7 % (Prognose).
Das BIP erreichte 2005 über 20 Mrd. € (70,763 Mlrd. LTL, mit ungeplantem 0,4 Mrd. € oder 1,5 Mrd. LTL Haushaltsüberschuss). Das BIP erreichte 2006 81,554 Mrd. LTL (23,6 Mrd. €) Daraus ergibt sich ein Pro-Kopf-BIP von 24.039 LTL oder 6962 €/Jahr (Deutschland: 26.400 €).
Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht Litauen einen Index von 52 (EU-25:100) (2005).[4]
Litauen wird wegen seiner guten wirtschaftlichen Entwicklung oft Baltischer Tiger genannt.
Direktinvestitionen
Die Bedeutung des EU-Beitritts für die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist sehr groß. Die ausländischen Direktinvestitionen machen mit 4,7 Mrd. € (I. Quartal 2004) fast ein Drittel des jährlichen Wirtschaftsprodukts aus. Deutsche Unternehmen liegen mit einer Investitionssumme von 416 Mio. € hinter Dänemark und Schweden auf Rang 3 (10 % aller Investitionen). Große Investoren sind u. a.
- Telekommunikation:
- TeliaSonera (S/SF): Anteile an Lietuvos Telekomas (590 Mio. €, 2002) und an Omnitel
- TDC (DK): Bitė GSM
- Tele2 (S)
- Finanzwesen:
- Hansapank (EE-SF): Hansabank
- NORD/LB (D): NORD/LB Lietuva
- SEB (S): Vilniaus Bankas
- Ergo (D/Versicherung)
- Nahrungs- und Genussmittel
- Philip Morris (USA, Zigaretten)
- Carlsberg/Scottish-Newcastle über Baltic Breweries Holding (DK-UK/Brauerei): Anteile an Švyturys-Utenos
- Danish Brewery Group (DK/Brauerei): Anteile an Kalnapilis-Tauras
- Danisco (DK/Zucker)
- Mars (USA/Tierfutter): Masterfoods
- Kraft Foods (USA/Süßwaren)
- Coca-Cola (USA/Limonaden)
- Energie
- E.ON, Ruhrgas und Gazprom (D und RU/Gas): Anteile an Lietuvos Dujos (Gasversorger)
- Vattenfall (S): Anteile an Lietuvos Energija (Stromversorger)
- Jukos (RU/Erdöl): Anteile an Mažeikių Nafta (Raffinerie)
- Statoil (N/Erdöl): Statoil Lietuva (Tankstellen)
Handel
Die Exporte beliefen sich 2005 auf 12,46 Mrd. € (42,975 mlrd. LTL), die Importe auf 13,2 Mrd. €. Der Außenhandel hat sich damit seit 1995 verdoppelt. Exportzuwachs 2005 war 27,1%, Importzuwachs 25%. Das Handelsdefizit erreicht 1,31 Mrd. €, hat sich aber im Vergleich zu den Jahren der Russlandkrise, als die Absatzmärkte im Osten wegbrachen, deutlich verringert.
Hauptexportländer sind die Schweiz (Sonderfall durch Erdölexporte über Handelsfirmen mit Sitz in der Schweiz), Russland und Deutschland, wohin 10 % der Exporte gehen. Nach Russland gehen heute nur noch 10 % der Exporte - 1996 waren es noch knapp 25 %. Haupteinfuhrländer sind Russland (22 %, v.a. Rohstoffe) und Deutschland (17 %).
Finanzsektor
1990-1995
In der Sowjetunion gehörte das Bankenwesen zu den entwickelten Wirtschaftssektoren. Im Territorium Litauens gab es bis 1990 7 verschiedene Banken. Die Liberalisierung des Bankenwesens begann bereits nach der Perestrojka. Nach der Erklärung der Unabhängigkeit folgte eine Welle von Gründungen privater Kreditinstitute sowie die Privatisierung bisheriger staatlicher Kreditinstitute. 1993 gab es schon 28 Banken, obwohl die durchschnittlichen jährlichen Einkünfte der 3,7 Mio. Einwohner Litauens nur 751 USD betrugen. Die Zinsen in Kreditinstituten wurden oftmals bis 50% jährlich als normal deklariert (und in den ersten Jahren tatsächlich gezahlt). Es folgten einige spektakuläre Pleiten.
Banken
Alle staatlichen Banken wurden in Litauen privatisiert. Die letzte war die Litauische Sparkasse Lietuvos taupomasis bankas jetzt Hansabankas. Aktiv sind insbesondere skandinavische Gruppen wie SEB, Nordea und die deutschen Banken wie NORD/LB und Vereins- und Westbank.
Das Kapital aller litauischen Banken betrug 2005 44,8 Mrd. LTL.
Siehe auch Börse Vilnius.
Staatsbudget, -schulden und -defizit
Die Staatsschulden betragen (Januar 2006) 11,5492 Mrd. Litas (ca. 3,2 Mrd. EUR). Das sind 16,9 % des BIP (2005). Das staatliche Budget betrug (2004) 4,2 Mrd. €. Das Wahljahr 2004 hat mit 596 Mio. € ein neues Rekorddefizit (3,3 %) markiert (Vorjahre: um die 2 %).
Inflation
Die Inflation zeigt seit dem Beitritt zur EU eine steigende Tendenz und liegt für 2007 bei etwa 7,6 %. Im Jahr 2008 rechnet man mit einer Inflation von über 12%, wobei besonders die Lebensmittelkosten und Energiekosten erheblich gestiegen sind. Diese Steigerung ist auf die steigende Inlandsnachfrage im Zuge der boomenden Wirtschaft, den höhen Ölpreis und teureren Gasimporten zurückzuführen. Die Geldmenge wurde durch großzügige Vergabe von Privatkrediten stark ausgeweitet, ebenso stiegen die Löhne stark an. Entsprechend haben die Preise für Dienstleistungen und für Immobilien kräftig angezogen. Auch der Anstieg der Energiepreise sowie administrierter Preise (Heizkosten, Tabak, Benzin) trug seinen Anteil bei. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass viele Litauer im Ausland arbeiten und Teile ihres Einkommens an die Familien in der Heimat überweisen.
Nach einer Hyperinflation in den ersten Jahren der Unabhängigkeit ab 1990 führte die Einführung des Litas im Juni 1993 zu einer Abschwächung der Inflation von 45 % im Jahre 1994 auf 2,4% Ende 1998. Bis 2003 verharrte die Inflation auf niedrigem Niveau, in den Jahren 2002 und 2003 wurde sogar eine Deflation verzeichnet, für die der starke Euro-Kurs, an den die litauische Währung gebunden ist, und sinkende Telekommunikationskosten verantwortlich zeichneten. Inzwischen sinken die Immobilienpreise stark und es wird im Parlament über die Abkopplung des Litas vom Euro diskutiert, da die Inflationsrate beständig nach oben steigt.[1]
Zwischen 1992 und 2000 lag der Anteil der Staatsausgaben für
- das Gesundheitswesen bei 15%
- das Bildungswesen bei 6%
- das Militär bei 3%
Größte litauische Unternehmensgruppen
- Chemie: Achema (Konzern), Vorstandsvorsitzender Bronislovas Lubys
- Algos grupė, Vorstandsvorsitzender Andrius Linkus
- Rubicon group, Vorstandsvorsitzender Andrius Janukonis
- MG Baltic, Vorstandsvorsitzender Darius Mockus
- KDS grupė, Vorstandsvorsitzender Arvydas Kazakevičius
- Holz: Libra-Holding, Vorstandsvorsitzender Tomas Juška
- Möbel: SBA (Konzern), Vorstandsvorsitzender Arūnas Martinkevičius
- IT: SONEX, Vorstandsvorsitzender Arūnas Bartusevičius
- Vakarų Lietuvos pramonės ir finansų korporacija, Vorstandsvorsitzender Antanas Bosas
- Vikonda, Vorstandsvorsitzender Viktor Uspaskich
- Einzelhandel: VP (Konzern), Vorstandsvorsitzender Nerijus Numavičius.
- Bennet Distributors
Produktionszweige
Wichtige Zweige der Industrie sind
- Maschinenbau und Fahrzeugtechnik: AB Grąžtai in Vilnius und Raseiniai, Rokiškio mašinų gamykla in Rokiškis (Landmaschinen), Vienybė in Ukmergė, Vilma in Vilnius
- Elektrogeräteherstellung: Snaigė in Alytus (Kühlschränke), Tauras in Šiauliai (Fernseher)
- Metallprodukte: Vilmeta in Vilnius
- Erdöl und Erdölverarbeitung: Mažeikių Nafta in Mažeikiai und Butingė, Geonafta in Gargždai
- Holzverarbeitung und Möbelherstellung; Papier: SBA, Libra (Holding) (Vilnius), Vilniaus Baldai in Vilnius, Kauno Baldai in Kaunas, Klaipėdos Mediena in Klaipėda, Grigiškės in Vilnius (Papier)
- Glas und Keramik: Dvarčionių Keramika in Vilnius, Panevėžio Stiklas in Panevėžys
- Textilindustrie: Alytaus tekstilė in Alytus, Audėjas in Vilnius, Drobė in Kaunas, Kauno audiniai in Kaunas, Linas in Panevėžys, Utenos Trikotažas in Utena, Korelita in Kaunas (Chemiefasern), Vernita in Marijampolė (Garne)
- Nahrungsmittelindustrie:
- Milchprodukte: Žemaitijos Pienas in Telšiai, Pieno Žvaigždės in Vilnius, Kauno pieno centras in Kaunas, Klaipėdos Pienas in Klaipėda, Rokiškio sūris
- Bier: Švyturys-Utenos alus in Utėna und Klaipėda, Kalnapilis in Panevėžys, Gubernija in Šiauliai
- Spirituosen und Sekt: Alita (Unternehmen) in Alytus, Anykščių vynas in Anykščiai, Sema in Panevėžys, Stumbras in Kaunas, Vilniaus Degtinė in Vilnius
- Konserven: Vikonda in Kėdainiai
- Fleischwaren: Krekenavos Agrofirma im Bezirk Kėdainiai, Utenos Mėsa in Utena, Vilniaus Paukštynas
- Zucker: Danisco Sugar in Kėdainiai und Panevėžys
- Zigaretten: Philip Morris in Klaipėda
- Süßigkeiten: KraftFoods in Kaunas, Naujoji Rūta in Šiauliai, Vilniaus Pergalė in Vilnius
- elektronische Komponenten: Vilniaus Vingis, Sigma in Vilnius
- Düngemittel: Achema (Unternehmen) in Jonava, Lifosa in Kėdainiai
- Kunststoffprodukte: Plasta in Vilnius
- Schiffbau: Baltija, Klaipėdos laivų remontas, Laivitė und Vakarų laivų gamykla in Klaipėda.
Land- und Forstwirtschaft
Die Land- und Forstwirtschaft trägt noch gut 5 % zum BIP bei.