Erich Kästner
Dieser Artikel beschreibt den Schriftsteller Erich Kästner. Für den gleichnamigen Konstrukteur siehe Erich Kästner (Konstrukteur).
Erich Kästner (* 23. Februar 1899 in Dresden; † 29. Juli 1974 in München) war ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Kabarettist, der breiten Kreisen der deutschen Bevölkerung bis heute vor allem für seine humoristischen bis zeitkritischen Gedichte und seine humorvollen, scharfsinnigen Kinderbücher bekannt ist.
Leben
Dresden 1899 - 1919

Kästner wuchs in Mietshäusern der Königsbrücker Straße in der Äußeren Neustadt von Dresden auf. In der Nähe, am Albertplatz, befindet sich in der damaligen Villa seines Onkels Franz Augustin heute das Erich Kästner Museum.
Kästners Vater Emil Kästner war Sattler. Seine Mutter Ida, geb. Augustin, war Dienstmädchen und Heimarbeiterin und wurde mit Mitte Dreißig Friseuse. Mit seiner Mutter pflegte er eine fast pathologisch intensive Beziehung: in seiner Leipziger und Berliner Zeit verfasste er täglich intimste Briefe oder Postkarten an seine Mutter. Auch in seinen Romanen lässt sich immer wieder das Motiv einer "Übermutter" finden. Später kamen Gerüchte auf, dass der jüdische Arzt Emil Zimmermann (1864-1953) - der Hausarzt der Familie - sein leiblicher Vater gewesen sei. Zimmermann selbst hat dies aber nicht bestätigt.
Seine Kindheit beschrieb Kästner in dem 1957 erschienenen autobiographischen Buch "Als ich ein kleiner Junge war".
Kästner besuchte seit 1913 in Dresden ein Lehrerseminar, brach die Ausbildung zum Volksschullehrer jedoch drei Jahre später ab. 1917 wurde er zum Militärdienst einberufen und absolvierte seine Ausbildung in einer Einjährig-Freiwilligen-Kompanie der schweren Artillerie. Die Brutalität der Ausbildung prägte Kästner nachhaltig und machte ihn zum Anti-Militaristen; zudem zog er sich durch den harten Drill eine lebenslange Herzschwäche zu. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs, den er zwar im Militärdienst, jedoch nicht an der Front erlebte, brach Kästner die Lehrerausbildung ab und machte das Abitur, das er mit Auszeichnung bestand, wofür ihm das Goldene Stipendium der Stadt Dresden verliehen wurde.
Leipzig 1919 - 1927
Im Herbst 1919 begann Kästner in Leipzig das Studium der Geschichte, Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaft. Kästner promovierte 1925 zum Thema "Friedrich der Große und die deutsche Literatur". Sein Studium finanzierte Kästner schon bald aus eigenen Einnahmen als Journalist und Theaterkritiker für das Feuilleton der "Neuen Leipziger Zeitung". 1927 wurde dem zunehmend kritisch werdenden Kästner gekündigt, nachdem seinem von Erich Ohser illustrierten erotischen Gedicht "Abendlied des Kammervirtuosen" Frivolität vorgeworfen worden war. Im selben Jahr zog Kästner nach Berlin, von wo aus er jedoch unter dem Pseudonym Berthold Bürger weiter als freier Kulturkorrespondent für die Neue Leipziger Zeitung schrieb. Kästner veröffentlichte später noch unter vielen anderen Pseudonymen, wie z.B. Melchior Kurtz, Peter Flint, Robert Neuner.
Berlin 1927 - 1933
Kästners Berliner Jahre von 1927 bis zum Ende der Weimarer Republik 1933 gelten als seine produktivste Zeit. In wenigen Jahren stieg er zu einer der wichtigsten intellektuellen Figuren Berlins auf. Er publizierte seine Gedichte, Glossen, Reportagen und Rezensionen in verschiedenen Periodika Berlins. Regelmäßig schrieb er als Theaterkritiker und freier Mitarbeiter in der Zeitschrift Die Weltbühne und für verschiedene Zeitungen, wie das Berliner Tageblatt und die Vossische Zeitung.
1928 folgte Kästners erste Buchveröffentlichung "Herz auf Taille", eine Sammlung von Gedichten aus der Leipziger Zeit. Bis 1933 folgten drei weitere Gedichtbände. Mit seiner Gebrauchslyrik avancierte Kästner zur wichtigsten Stimme der Neuen Sachlichkeit.
1929 erschien mit Emil und die Detektive Kästners erstes und bis heute berühmtestes Kinderbuch. Die Detektivgeschichte wurde allein in Deutschland über zwei Millionen Mal verkauft und bis heute in 59 Sprachen übersetzt. Für die Kinderliteratur der damaligen Zeit mit ihren aseptischen Märchenwelten äußerst ungewöhnlich war, dass der Roman im Hier und Jetzt der Großstadt Berlin spielte. Mit Pünktchen und Anton (1931) sowie dem Fliegenden Klassenzimmer (1933) schrieb Kästner in den folgenden Jahren zwei weitere "realistische" Kinderbücher. Einen wesentlichen Anteil am großen Erfolg der Bücher hatten die Illustrationen von Walter Trier.
Gerhard Lamprechts Verfilmung von Emil und die Detektive wurde 1931 ein großer Erfolg; Kästner jedoch war mit dem Drehbuch unzufrieden. In der Folge arbeitete er als Drehbuchautor für die Studios in Babelsberg.
Als Kästners einziger Roman von literarischer Bedeutung gilt das 1931 veröffentlichte Werk Fabian - Die Geschichte eines Moralisten. Der in fast filmischer Technik geschriebene Roman - schnelle "Schnitte" und Montagen sind wichtige Stilmittel - spielt im Berlin der frühen 1930er Jahre. Am Beispiel des arbeitslosen Germanisten Jakob Fabian beschreibt Kästner darin das Tempo und der Trubel der Zeit wie auch den Niedergang der Weimarer Republik.
Berlin 1933- 1945
Im Gegensatz zu fast allen seinen Kollegen emigrierte Kästner nach der (NS-)Machtergreifung am 30. Januar 1933 nicht. Zwar fuhr er unmittelbar danach für kurze Zeit nach Meran und in die Schweiz, wo er auch bereits emigrierte Kollegen traf, dann jedoch kehrte er nach Berlin zurück. Kästner begründete diesen Schritt u.a. damit, dass er vor Ort Chronist der Ereignisse sein wolle. Mindestens genauso wichtig dürfte aber sein, dass er seine Mutter nicht alleine lassen wollte. Kästner wurde mehrmals von der Gestapo vernommen und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Seine Werke wurden bei der Bücherverbrennung als "wider den deutschen Geist" verbrannt, was er selbst aus erster Reihe beobachtete. Der Aufnahmeantrag Kästners in die Reichsschrifttumskammer wurde wegen seiner "kulturbolschewistischen Haltung im Schrifttum vor 1933" abgelehnt. Dies war gleichbedeutend mit einem Publikationsverbot für das Deutsche Reich. In der Schweiz konnte Kästner harmlose Unterhaltungsromane wie "Drei Männer im Schnee" (1934) veröffentlichen. Mit einer Ausnahmegenehmigung lieferte Kästner 1942 unter dem Pseudonym "Berthold Bürger" das Drehbuch zu "Münchhausen", dem prestigeträchtigen Jubiläumsfilm der UFA. 1944 wurde Kästners Wohnung durch Bomben zerstört. Anfang 1945 gelang es ihm, mit einem Filmteam zu angeblichen Dreharbeiten nach Mayrhofen in Tirol zu reisen, wo er das Kriegsende erlebte. Diese Zeit hielt er in einem 1961 unter dem Titel Notabene 45 veröffentlichten Tagebuch fest.
München 1945 - 1974
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog Kästner nach München, wo er bis 1948 das Feuilleton der Neuen Zeitung leitete und die Kinder- und Jugendzeitschrift Pinguin herausgab. Gleichzeitig widmete sich Kästner in München verstärkt dem literarischen Kabarett. So arbeitete er für die Schaubude (1945 - 1949) sowie Die kleine Freiheit (ab 1951) und für den Hörfunk. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Nummern, Lieder, Hörspiele, Reden und Aufsätze, die sich mit dem Nationalsozialismus, dem Krieg und der Realität im zerstörten Deutschland auseinander setzten, u.a. das Marschlied 1945, das Deutsche Ringelspiel und das Kinderbuch Die Konferenz der Tiere.
Kästners Optimismus der unmittelbaren Nachkriegszeit wich umso mehr der Resignation, wie die Westdeutschen mit Währungsreform und Wirtschaftswunder versuchten, zur Tagesordnung überzugehen. Hinzu kamen die bald erstarkenden Stimmen für eine Remilitarisierung. Seinem Anti-Militarismus blieb Kästner treu - er trat bei Ostermärschen als Redner auf und wandte sich später auch entschieden gegen den Vietnamkrieg. Seine Veröffentlichungen jedoch wurden immer weniger, wozu auch sein zunehmender Alkoholismus beitrug. Kästner fand keinen Anschluss an die Nachkriegsliteratur und wurde in den 50er und 60er Jahren überwiegend als Kinderbuchautor wahrgenommen und gewürdigt. Die Wiederentdeckung seines literarischen Werks aus der Zeit der Weimarer Republik begann erst ab den 70er Jahren (Fabian wurde erst 1980 verfilmt).
Dennoch - oder gerade deswegen - war Kästner sehr erfolgreich. Seine Kinderbücher verkauften sich gut und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und verfilmt, Kästner wurde vielfach geehrt. 1951 erhielt er für das beste Drehbuch (für den Film Das doppelte Lottchen) das Filmband in Gold, 1956 den Literaturpreis der Stadt München und 1957 den Georg-Büchner-Preis. 1959 wurde ihm das große Bundesverdienstkreuz verliehen und 1960 folgte der Hans-Christian-Andersen-Preis.
1951 wurde Kästner Präsident des westdeutschen PEN-Clubs, ein Amt das er bis 1962 inne hatte; 1965 wurde er zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Außerdem war er einer der Begründer der Internationalen Jugendbibliothek in München.
Kästner blieb lebenslang unverheiratet. Seine beiden letzten Kinderbücher (Der kleine Mann und Der kleine Mann und die kleine Miss) verfasste er für seinen 1957 geborenen Sohn Thomas.
Zitate
- "Satiriker sind Idealisten. Im verstecktesten Winkel ihres Herzens blüht schüchtern und trotz allem Unfug der Welt die törichte, unsinnige Hoffnung, dass die Menschen vielleicht doch ein wenig, ein ganz klein wenig besser werden könnten, wenn man sie oft genug beschimpft, bittet, beleidigt und auslacht."
- "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es."
- "Dummheiten sind nie überflüssig."
- "Was auch immer geschieht, nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken"
- "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch!"
- "Die Stecknadel, der man den Kopf abschlug, dachte, der Kopf sei entbehrlich - und war nun von vorn und von hinten gefährlich."
Werke
- Herz auf Taille, 1928
- Emil und die Detektive, 1928
- Lärm im Spiegel, 1929
- Ein Mann gibt Auskunft, 1930
- Arthur mit dem langen Arm, 1931
- Pünktchen und Anton, 1931
- Der 35. Mai, 1931
- Das verhexte Telefon, 1932
- Fabian. Die Geschichte eines Moralisten, 1932
- Gesang zwischen den Stühlen, 1932
- Das fliegende Klassenzimmer, 1933
- Drei Männer im Schnee, 1934
- Emil und die drei Zwillinge 1934
- Die verschwundene Miniatur, 1935
- Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke 1936
- Der Zauberlehrling (Romanfragment) 1936
- Georg und die Zwischenfälle, 1938
- Das doppelte Lottchen, 1949
- Die Konferenz der Tiere, 1949
- Die dreizehn Monate, 1955
- Die Schule der Diktatoren, 1957
- Als ich ein kleiner Junge war, 1957
- Notabene 45, ein Tagebuch, 1961
- Das Schwein beim Friseur, 1962
- Der kleine Mann, 1963
- Der kleine Mann und die kleine Miss, 1967
Filmographie
Mehr als 40 Filme sind in vielen Ländern nach Kästners Werken entstanden, die bekanntesten sind:
- 1931 - Emil und die Detektive - Regie: Gerhard Lamprecht (mit Rolf Wenkhaus und Käthe Haack)
- 1935 - Emil and the Detectives - Regie: Milton Rosmer
- 1936 - Tri muzi ve snehu - Tschechische Verfilmung von Drei Männer im Schnee
- 1936 - Stackars miljonärer - Schwedische Version von Drei Männer im Schnee
- 1938 - Paradise for Three - Regie: Edward Buzzell (mit Robert Young, Mary Astor und Sig Ruman)
- 1940 - Frau nach Maß - Regie: Helmut Käutner (mit Hans Söhnker)
- 1943 - Münchhausen - Regie: Josef von Báky, Drehbuch: Erich Kästner als Berthold Bürger - (mit Hans Albers und Brigitte Horney)
- 1943 - Der kleine Grenzverkehr - Regie: Hans Deppe (mit Willy Fritsch)
- 1950 - Das doppelte Lottchen - Regie: Josef von Báky (mit Antje Weisgerber)
- 1953 - Twice upon a Time - Regie: Emeric Pressburger (britische Version vom Doppelten Lottchen)
- 1953 - Pünktchen und Anton - Regie: Thomas Engel (mit Hertha Feiler, Paul Klinger und Jane Tilden)
- 1954 - Emil und die Detektive - Regie: Robert A. Stemmle (mit Peter Finkbeiner und Heli Finkenzeller)
- 1954 - Das fliegende Klassenzimmer - Regie: Kurt Hoffmann (mit Paul Dahlke, Paul Klinger und Erich Ponto)
- 1955 - Drei Männer im Schnee - Regie: Kurt Hoffmann (mit Paul Dahlke, Günther Lüders, Claus Biederstaedt und Nicole Heesters)
- 1961 - The Parent Trap - Regie: David Swift (mit Maureen O'Hara - US-amerikanische Version vom Doppelten Lottchen)
- 1963 - Liebe will gelernt sein - Regie: Kurt Hoffmann (mit Martin Held, Barbara Rütting und Götz George)
- 1964 - Emil and the Detectives - Regie: Peter Tewksbury (mit Walter Slezak und Heinz Schubert)
- 1969 - Konferenz der Tiere - Zeichentrickfilm von Curt Linda
- 1973 - Das fliegende Klassenzimmer - Regie: Werner Jacobs (mit Joachim Fuchsberger und Heinz Reincke)
- 1974 - Drei Männer im Schnee - Regie: Alfred Vohrer (mit Klaus Schwarzkopf, Roberto Blanco, Thomas Fritsch und Susanne Uhlen)
- 1980 - Fabian - Regie: Wolf Gremm (mit Hans Peter Hallwachs)
- 1994 - Charlie und Louise. Das doppelte Lottchen - Regie: Joseph Vilsmaier (mit Corinna Harfouch und Heiner Lauterbach)
- 1998 - The Parent Trap - Regie: Nancy Meyers (mit Dennis Quaid - noch eine US-Fassung des Doppelten Lottchen)
- 1999 - Pünktchen und Anton - Regie: Caroline Link (mit Juliane Köhler, August Zirner und Meret Becker)
- 2001 - Emil und die Detektive - Regie: Franziska Buch (mit Jürgen Vogel, Maria Schrader und Kai Wiesinger)
- 2003 - Das fliegende Klassenzimmer - Regie: Tomy Wigand (mit Ulrich Noethen, Sebastian Koch und Piet Klocke)
Literatur
- Erich Kästner: Gedichte, Reclam Stuttgart 1987, ISBN 3-15-008373-7
- Erich Kästner: Bei Durchsicht meiner Bücher, DTV München 1989, ISBN 3-85535-912-1
- Erich Kästner: Werke, 9 Bd., München: Hanser, 1998, ISBN 3-446-19563-7
- Isa Schikorsky: Erich Kästner, DTV Portrait, ISBN 3-423-31011-1
- Sven Hanuschek: Keiner blickt dir hinter das Gesicht. Das Leben Erich Kästners. München: Hanser 1999, ISBN 3-423-30871-0
- Sylvia List: Das große Erich Kästner Lesebuch, DTV, ISBN 3-423-12618-3
- Görtz Sarkowicz: Erich Kästner - Eine Biographie, Piper, ISBN 3-492-03890-5
Siehe auch
Weblinks
- http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/KaestnerErich/
- http://www.erich-kaestner-museum.de/
- http://www.kaestner-im-netz.de/leben/leben.html
- http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_ijk/kaestner.html Kommentierte Linksammlung
- http://www.kaestnerfuerkinder.net/
- http://www.erich-kaestner-kinderdorf.de
- http://www.erich-kaestner-bibliothek.de
- http://www.zeit.de/2004/30/kaestner Erich Kästner zum 30. Todestag am 29. Juli 2004
- [Verfilmungen von Kästner-Werken in der Internet Movie Database]
Personendaten | |
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NAME | Kästner, Erich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Kabarettist |
GEBURTSDATUM | 23. Februar 1899 |
GEBURTSORT | Dresden, Deutschland |
STERBEDATUM | 29. Juli 1974 |
STERBEORT | München, Deutschland |