Neckar-Enz-Stellung

Die Neckar-Enz-Stellung war eine von 1935 bis 1938 errichtete Festungslinie in Baden und Württemberg, die von Eberbach nach Besigheim entlang des Neckars und von Besigheim bis Enzweihingen entlang der Enz verlief. Sie sollte einen Angriff französischer Truppen über das Kraichgau aufhalten und ihnen den Weg ins deutsche Hinterland versperren. Gemeinsam mit der Wetterau-Main-Tauber-Stellung und der Bayerisch-Tschechischen Grenzstellung sollte so verhindert werden, dass einem französisch-tschechoslowakischen Bündnis im Rahmen einer Miltäroffensive gegen des Deutsche Reich eine schnelle Vereinigung und damit die Abschnürung Süddeutschlands gelingt.
Die Neckar-Enz-Stellung erstrecke sich über 86 km und umfasste 450 Bunker. Die Baukosten betrugen rund 15 Millionen Reichsmark. Zu Ende des Zweiten Weltkriegs erfüllte die Stellung in beschränktem Umfang ihre Funktion und ermöglichte es der Wehrmacht, die alliierte Eroberung Süddeutschlands um zwölf Tage herauszuzögern.
Geschichte


Hintergrund und Vorgeschichte
Der Friedensvertrag von Versailles, den das Deutsche Reich am 28. Juni 1919 in Folge des Ersten Weltkriegs unterzeichnete, beschnitt die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands erheblich. So beschränkte er das Heer der Reichswehr auf eine Stärke von 100.000 Mann und verbot die Beschaffung und Unterhaltung von schweren Waffen, wie Panzern oder Flugzeugen. Darüber hinaus untersagte der Vertrag den Aufbau und die Unterhaltung von militärischen Verbänden und von Befestigungsanlagen westlich und 50 km östlich des Rheins. Die Festungen Köln, Germersheim und der Isteiner Klotz mussten geschleift werden. Französische Streitkräfte besetzten das linke Rheinufer. Durch diese Maßnahmen erreichte Frankreich militärische Sicherheit: Die Besetzung des Rheinlands und die entmilitarisierte Zone östlich des Rheins sollten im Falle eines militärischen Konflikts gewährleisten, dass sich das Kampfgebiet auf Deutschen Boden befindet, nachdem der Stellungskrieg während des Ersten Weltkriegs weite Gebiete im Osten Frankreichs, Belgiens und der Niederlande verwüstete.
Bald nach Gründung der Weimarer Republik stelle das deutsche Militär erste Überlegungen für eine Strategie zum Schutz des Deutschen Reichs an. Spätestens durch die Ruhrbesetzung 1923 wurde das Bedrohungspotential für einen Angriff aus dem Westen offenbar, zudem stärkte der Konflikt die Macht des Militärs innerhalb der deutschen Politik. Das Reichswehrministerium kam zu dem Schluss, dass die neuen deutschen Grenzen – bedingt durch die Änderungen am Grenzverlauf und durch die entmilitarisierten Zonen – ungleich schwerer zu verteidigen seien als die alten. Zudem musste wegen der Beschränkungen des Versailler Vertrags von einer materiellen und personellen Überlegenheit des Gegners ausgegangen werden; Frankreich galt in der damaligen Zeit als stärkste Militärmacht weltweit.
Daher reifte innerhalb der Reichswehr die Ansicht, dass sich eine Landesverteidigung für Deutsche Reich an den gegebenen Randbedingungen orientieren musste, anstatt traditionelle Konzepte zu verfolgen, wie sie der damalige Chef der Heeresleitung, General von Seeckt, vertrat. Ein Vordenker war der damalige Chef der Heeres-Organisationsleitung im Truppenamt, Oberstleutnant Joachim von Stülpnagel, Autor der Denkschrift "Gedanken über den Krieg der Zukunft" vom 26. Februar 1924. In diesem Sinne erkundete die Heeresabteilung T 1 I B des Truppenamts 1924 und 1925 Widerstandszonen entlang der 50-km-Zone. Im Falle eines Angriffs sollten die Gefechte auf strategischem und operativem Weg gezielt in diese vorbereiteten Gebiete gelenkt werden, um den Gegner hier möglichst früh in verlustreiche Kämpfe zu verwickeln. Durch diese "strategische Defensive" oder auch "operatives und strategisches Hinhalten" hielt es das Heer damals für möglich, einem überlegenen Gegner über längere Zeit Widerstand leisten zu können. Aus den Stellungskriegen im Ersten Weltkrieg verfügte das Heer zudem über umfangreiche Erfahrungen mit dem Konzept der Stellung. Bis Dezember 1925 vervollständigte das Heer die Planungen um Vorgaben für Taktik, Organisation, Technik und Operation: So sollten die Widerstandszonen in vorderer Linie von Eisenbeton-Unterständen für Maschinengewehre und Artillerie aus verteidigt werden. In der Tiefe der Zonen sollten Hindernisse, Sperranlagen und weitere Befestigungen ein Vorwärtskommen des Angreifers verhindern. Eine solche Widerstandszone sollte ihren Ausgang bei Coesfeld nehmen, westlich und südlich von Münster und weiter über Fritzlar, Gießen, Nidda, Gelnhausen, Mosbach, Heilbronn, Pforzheim, Rottweil bis nach Fützen verlaufen. Eine zusätzliche Zone sollte weiter im Landesinneren verlaufen. Die erstere Linie nahm damit den Verlauf der Wetterau-Main-Tauber- und der Neckar-Enz-Stellung vorweg.
Da die Reichsregierung, namentlich Außenminister Gustav Stresemann um eine Verständigung mit Frankreich und um eine Revision der Versailler Vertrags bemüht war, versuchte die Politik in der Zeit nach 1925 jegliche militärische Provokation zu vermeiden. So verließen die Widerstandszonen vorerst nicht das Planungsstadium [1]. Das Pariser Abkommen vom 31. Dezember 1927 gestattete Deutschland erstmals den Bau leichter Festungen. Zuvor wachte die Interalliierte Militär-Kontrollkommission (IMKK) über die Einhaltung der Verbote des Versailler Vertrags durch Inspektionen genauestens. Die Emanzipation führte während der großen Koalition unter Reichskanzler Müller zum ersten Rüstungsprogramm der Weimarer Republik von 1929 bis 1932. In dessen Rahmen entstanden an den Ostgrenzen Ende der 1920er Jahre einfache Sumpf- und Wasserhindernisse. 1931 erfolgte die Befestigung des Heilsberger Dreiecks südwestlich von Königsberg. Entlang der westlichen Grenzen wurden nur einfache Maßnahmen umgesetzt, so wurden wichtige Durchgangsstraßen mit Sprengkammern versehen, Schlagbäume verstärkt und Grenzschutzeinheiten gebildet.
Bei ihren weiteren Bemühungen um eine Gleichberechtigung scheiterte die Deutsche Regierung Anfang 1932 auf der Genfer Abrüstungskonferenz am Widerstand Frankreichs. Nach seiner Machtergreifung verfolgte Hitler das Ziel, eine militärische Gleichstellung im Alleingang zu erreichen; in Folge verließ das Deutsche Reich den Völkerbund. Aus der neuen Verteidigungspolitik fernab internationaler Abkommen resultierte 1933 und 1934 in der Wiederbewaffnung und im zweiten Rüstungsprogramm von 1933 bis 1938, das unter anderem den Bau von Landesbefestigungen vorsah.

Bau der Stellung
Zu Beginn seiner Herrschaft wollte Hitler keinen Konflikt mit den Alliierten riskieren: Hätte er zu diesem Zeitpunkt Bunkeranlagen an der deutsch-französischen Grenze errichten lassen, so wäre er das große Risiko einer militärischen Auseinandersetzung eingegangen, aus der die noch junge und schwache Wehrmacht sicher als Verlierer hervorgegangen wäre. 1934 verfügte das deutsche Heer nur über den leichten Panzerkampfwagen I, der den alliierten Panzern in keiner Weise gewachsen war.
Daher fiel die Entscheidung, entlang von Neckar und Enz möglichst viele kleine Bunker zu verstecken, die im Verteidigungsfall mit Infanterieeinheiten besetzt werden konnten. Von den Kampfbunkern und von vorbereiteten Feldstellungen aus konnten die natürlichen Hindernisse mit Maschinengewehren bestrichen werden. Die Verteidigungslinie sollte durch zusätzlich errichtete künstliche Hindernisse (teilweise in Armierungsschuppen vorgehalten), Beobachtungsposten und Gefechtsstände zur Führung der Truppen vervollständigt werden.
1934 wurden in Ludwigsburg und in Heilbronn Festungsdienststellen gebildet, die sich später zu Festungspionierstäben entwickelten. Sie erkundeten Bunkerstandorte, legten die Details der Anlage fest und koordinierten und überwachten 1935 bis 1938 den Bau der Bunkeranlagen. Zugleich erstellten sie für jeden Bunker Karten mit Schussfeldern und legten Trinkwasserquellen fest. Weiter erkundeten sie im Kriegsfall anzulegende Feldstellungen und Artilleriestellungen im Hinterland.
Die Stellung entstand in drei Bauabschnitten. Abschnitt I lief von Jagstfeld bis Unterriexingen und wurde von 1935 bis 1938 erbaut. Erst nachdem sich Hitler ab 1936 nicht mehr an den Versailler Vertrag hielt, entstanden 1936 bis 1937 mit den Abschnitt II von Eberbach bis nahe Jagstfeld und 1937 mit dem Abschnitt III von Unterriexingen bis nach Enzweihingen die äußeren Flügel der Neckar-Enz-Stellung, die sich bereits innerhalb der 50 km-Zone befanden. Die Bauarbeiten wurden von zivilen Baufirmen durchgeführt, deren Arbeiter auf Verschwiegenheit vereidigt wurden. Die Baustellen durften nicht einsehbar sein und mussten gegebenenfalls getarnt werden, auch gegen Luftaufklärung.
Die Anlieferung von Panzerkuppeln und andere Schwertransporte durften nur im Schutze der Dunkelheit erfolgen. Die Qualitätsanforderungen waren sehr hoch, regelmäßig wurden Betonproben entnommen und untersucht. Jeder Teilbauabschnitt (Fundament, Verschalung, Armierung, Betonierung usw.) wurde einzeln geprüft und abgenommen, bevor weitergearbeitet werden durfte. Um spätere Schwach- und Bruchstellen zu vermeiden, musste die Betonierung in einem Zug erfolgen.

Staustufe Gundelsheim
Mit dem Ausbau des Bauabschnittes II von Eberbach bis in die Nähe von Jagstfeld konnte wegen der 50 km-Sicherheitszone erst nach Aufkündigung des Versailler Vertrags begonnen werden. 1935 wurde jedoch in Gundelsheim im Zuge der Neckarkanalisierung eine Staustufe mit Schleuse, Kraftwerk und Brücke errichtet. Mit Blick auf die angenommene besondere Gefährdung dieses Raumes wurde in die Schleusenanlage auch ein Kampfbunker integriert, der über unterirdische Gänge mit anderen Bunkern in Verbindung stand. Offiziell wurden diese Kampfbunker als zivile Luftschutzbauten deklariert. Jedoch lag diese Staustufe etwa 1000 m innerhalb des 50 km-Sicherheitsbereiches. In einem Schreiben hieß es damals: „… Die dadurch bedingte Überschreitung der 50 km-Grenze um etwa 1000 m ist nach Auffassung des Herrn Reichswehrministers, der sich den Entscheid hierfür noch vorbehalten hat, unbedenklich. …“[2] Ganz so unbedenklich erschien dies Frankreich jedoch nicht, denn dort wurde der Bunkerbau bemerkt und auch Protest dagegen eingelegt, was allerdings den Weiterbau nicht beeinflusste. Alle weiteren Bunkeranlagen in Gundelsheim entstanden erst 1936 und 1937 im Rahmen des Bauabschnitts II.

Nach Beginn der Westwallarbeiten
Die Neckar-Enz-Stellung galt in den frühen Jahren des NS-Regimes im Deutschen Reich als die wichtigste und stärkste Bunkerlinie Europas. Strittig ist, ob die französische Maginot-Linie diesen Titel nicht eher verdiente.
Als 1937 mit dem Bau des Westwalls begonnen wurde, rückte die Neckar-Enz-Stellung immer weiter in den Schatten des „großen Bruders“, wie es unter Angehörigen der Wehrmacht hieß. So wurden oftmals bereits wenige Monate nach der Fertigstellung von Anlagen dringend benötigte Einrichtungsgegenstände und Materialien aus den Bunkern und den Armierungsschuppen der Neckar-Enz-Stellung entfernt und für den Westwall weiterverwendet. Auch Telefonleitungen wurden – teilweise kurz nach deren Verlegung – wieder ausgegraben, um für den Westwall eingesetzt zu werden.
Bei Kriegsbeginn im September 1939 wurde die Bunkerlinie vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) bereits als absolut kriegsunwichtig angesehen, und sämtliche noch ausstehenden Arbeiten wurden eingestellt. Die wenigen Soldaten, die die Bunker betriebsbereit hielten, wurden bis Januar 1942 komplett abgezogen, verbliebene Waffen und sonstiges Gerät wurden demontiert und zum West- oder zum Atlantikwall transportiert und dort wieder eingebaut.
Zweiter Weltkrieg
Fast vier Jahre lang wurden die Bunker nicht militärisch genutzt, doch bei Bombenangriffen suchten immer wieder Tausende Zivilisten der Region Schutz in den Bunkern [3]. Einige Bunker wurden wieder mit Maschinen zur Luft- und Wasserversorgung der Insassen ausgestattet und mit Personal besetzt. Schießscharten wurden mit Metallplatten verschlossen, um ein Eindringen von Splittern oder Geschossen zu verhindern. In einigen Bunkern befanden sich bei Luftangriffen bis zu 300 Menschen. Sie besetzten nicht nur die gesamten Räume der Anlagen, sondern auch Treppen und Toiletten, in denen teilweise schlechteste hygienische Zustände herrschten. Viele Bewohner der umliegenden Dörfer hatten sich bereits auf die Bombennächte eingestellt und legten in den Bunkern Nahrungsmittel und private Gegenstände für den Notfall bereit.
Herannahen der Front
Als 1945 die Front näher rückte, versuchte das Oberkommando des deutschen Westheeres, die Bunkeranlagen wieder einsatzbereit zu machen. Zahlreiche davon waren in einem äußerst schlechten Zustand: Viele Bunker waren mit Wasser vollgelaufen, wiesen schwere Beschädigungen durch alliierte Fliegerbomben auf oder waren vollkommen marode, so dass sie kaum noch militärisch genutzt werden konnten. Halterungen für schwere Geschütze, die in die Wände eingelassen worden waren, litten unter Rostschäden und mussten ausgetauscht werden.
In die Reichweite der Front geriet die Neckar-Enz-Stellung, als amerikanische Truppen am 22./23. März bei Oppenheim den Rhein überschritten und ihren Brückenkopf rasch erweitern konnten: Am 25. März nahmen sie Darmstadt ein und am 30. Heidelberg. Die deutsche Führung plante zunächst, eine neue Verteidigungslinie entlang der ausgebauten Stellungen zu errichten, also unter Verwendung der Neckar-Enz-Stellung und der Sperrlinie Odenwald-Miltenberg.
Im Norden wurden diese Pläne durch den schnellen Vorstoß des Gegners im Odenwald gegenstandslos gemacht: Bereits in den letzten Märztagen durchquerten die Amerikaner ohne großen Widerstand den Odenwald in östliche Richtung, und der nördliche Teil Badens bis zur Tauber fiel am 30. und 31. in ihre Hände. Die Amerikaner konnten nun östlich des Neckars, also im Rücken der Neckar-Enz-Stellung, weiter nach Süden vorrücken. Wegen dieser Entwicklung musste der gesamte nördliche Abschnitt der Stellung bis zur Jagst-Mündung aufgegeben werden. Gundelsheim wurde nach heftigem Artilleriebeschuss von den Verteidigern verlassen und am 2./3. April von Norden her besetzt. Ebenfalls am 3. April erreichten die Angreifer auf der anderen Neckarseite, durch den Kraichgau kommend, Neckargartach gegenüber von Heilbronn. Das übrige Gebiet westlich des Neckars und nördlich der Enz wurde relativ rasch bis zum 8./9. April besetzt, südlich des Heuchelbergs von französischen Truppen, die am 29. März bei Germersheim den Rhein überschritten hatten.

Kampfhandlungen entlang der Neckar-Enz-Stellung
War der Vormarsch für die Alliierten vom Rhein bis hierher recht reibungslos verlaufen, so kam er nun entlang einer Linie entlang von Enz, Neckar und Jagst ins Stocken. Die deutschen Truppen hatten unter Einbeziehung der Neckar-Enz-Linie eine neue Stellung entlang dieser Flüsse bezogen und verteidigten diese, so gut sie konnten. Die Verteidiger bestanden hauptsächlich aus Infanterie mit einigen Sturmgeschützen, die gelegentlich durch Artillerie unterstützt wurde. Unterstützung durch Panzer oder Luftwaffe stand ihnen kaum noch zur Verfügung, so dass sie von vornherein auf verlorenem Posten standen. Beim Kampf um Heilbronn kam ihnen zumindest zugute, dass der Gegner seine große Überzahl an Panzern aufgrund der gesprengten Brücken kaum einsetzen konnte. Als die Amerikaner dies einsahen, schickten sie ihre 10. Panzerdivision von Heilbronn in die Taubergegend, die dort einen Vorstoß nach Crailsheim unternahm, von dem sie sich jedoch nach einigen Tagen zurückziehen musste (Schlacht um Crailsheim).
Größere Kampfhandlungen entlang der Neckar-Enz-Stellung gab es an drei Abschnitten: an der Kocher-Jagst-Mündung, in Heilbronn und um Nußdorf oberhalb von Enzweihingen.
Jagst- und Kocher-Mündung
Die Mündungen von Kocher und Jagst wurden von Teilen der 17. SS-Division verteidigt, die sich der von Norden angreifenden amerikanischen 63. Infanteriedivision sowie Teilen der 100. Infanteriedivision gegenüber sah. Die Verteidiger bezogen zunächst Stellungen in Jagstfeld sowie auf den Höhen zwischen Jagst und Kocher, wobei sie auch die dortigen Bunker besetzten. Obwohl die Amerikaner zahlenmäßig klar überlegen waren, Panzer einsetzen konnten und dem Ort mit heftigem Artilleriefeuer und Luftangriffen zusetzten, kostete es sie vier Tage und beträchtliche Verluste, Jagstfeld im Kampf von Haus zu Haus einzunehmen; die Kämpfe dauerten vom 6. bis zum 9. April. Kochendorf wurde vier Tage später nach dem Rückzug der Verteidiger infolge der Situation in Heilbronn eingenommen.
Heilbronn
Heilbronn, das durch den Luftangriff vom 4. Dezember bereits weitgehend zerstört worden war, wurde von zusammengewürfelten Resten der Wehrmacht gegen Teile der 100. Infanteriedivision verteidigt, die Kämpfe hier dauerten vom 3. bis zum 13. April. Die Angreifer bildeten zunächst einen Brückenkopf am Salzwerk im Norden der Stadt, wo sie den Widerstand am 6. April brechen konnten. Durch Beschuss aus den Höhen der Weinberge, unter anderem von Bunkern der Neckar-Enz-Stellung, konnten deutsche Truppen ein Vorwärtskommen zunächst verhindern. Ein zweiter Brückenkopf entstand am 5. April weiter südlich bei der Innenstadt und an den Knorr-Werken; in diesem Bereich fanden besonders zähe und erbitterte Häuserkämpfe statt. Erst nachdem es den Amerikanern am 8. April gelang, eine Pontonbrücke über den Neckar zu bauen (dies war zuvor von der deutschen Artillerie auf den Höhen um Heilbronn herum verhindert worden), konnten Panzer in den Kampf eingreifen. Dies führte zur Vereinigung der Brückenköpfe und entschied letztlich den Kampf. Die letzten Gefechte wurden am 12. April um die Kasernen im Süden der Stadt geführt.

Nach der Eroberung von Heilbronn gingen die Amerikaner nach Süden durch das Schozachtal auf Talheim vor. Bei einem Gefecht vor Talheim am 13. April konnten die deutschen Soldaten sie nochmals zurückweisen, hierbei kamen wahrscheinlich die Bunker am Ausgang des Schozachtals zum Einsatz. Die dortigen Stellungen wurden jedoch in der darauffolgenden Nacht aufgegeben. Im weiteren Verlauf führten die Verteidiger hauptsächlich hinhaltende Rückzugsgefechte, bis die Amerikaner am 20. April das Bottwartal erreicht hatten. Von hier konnten sie innerhalb von zwei Tagen nach Bad Cannstatt vorstoßen.
Entlang der Enz
Am südwestlichen Rand der Neckar-Enz-Stellung standen sich Deutsche und Franzosen gegenüber. Letztere hatten sich am 7./8. April in Mühlacker den Übergang über die Enz erkämpft. Noch am 8./9. April wurden Großglattbach, Aurich und Pinache besetzt, die Infanterieangriffe auf die höher gelegenenen Orte der Platte (insbesondere Serres, Nußdorf, Wiernsheim) scheiterten aber unter hohen Verlusten. Die Angreifer begnügten sich daher zunächst damit, diese Orte mit Artillerie und Luftangriffen zu belegen, die schwere Zerstörungen verursachten, insbesondere in Nußdorf, das zu drei Vierteln zerstört wurde. Erst nach dem Fall von Pforzheim machten die Angreifer an diesem Frontabschnitt wieder Fortschritte, Nußdorf wurde schließlich am Abend des 19. April von ihnen eingenommen. Dieser Vorgang führte zur Aufgabe der Enzlinie. Bereits drei Tage später konnten die Franzosen kampflos in Stuttgart einrücken, zeitgleich mit den Amerikanern am anderen Neckarufer.
Zwischen Heilbronn und Nußdorf war es in dieser Zeit weitgehend ruhig geblieben. In Besigheim und Bietigheim hatten die Franzosen am 9. April jeweils die Westhälfte der Stadt besetzt, die Deutschen zogen sich nach Sprengung der Brücken in die Osthälfte zurück. Die Kampfhandlungen beschränkten sich jedoch weitgehend auf Artillerieduelle. Zu einem tragischen Zwischenfall kam es am 12. April, als die Franzosen die männliche Bevölkerung Bietigheims nach Kleinsachsenheim abtransportierten. Die deutschen Soldaten auf der anderen Enzseite hielten diese für eine französische Kolonne und beschossen sie mit Artillerie. Dabei kamen nach unterschiedlichen Angaben 19 bis 25 Zivilisten ums Leben.
Zusammenfassung
Die Stellungen entlang von Neckar und Enz waren für die alliierten Truppen das letzte ernsthafte Hindernis bei der Eroberung Süddeutschlands, denn mit ihrer Hilfe gelang es, die Alliierten zwölf Tage lang aufzuhalten. Bis zum 20. April hatten sie weiter nordöstlich bereits Nürnberg erobert und die Saale erreicht, für die relativ kurze Distanz von Heilbronn nach Stuttgart jedoch 19 Tage gebraucht. Der Rest Württembergs und auch Bayern wurden demgegenüber in nur wenigen Tagen besetzt, München bereits am 30. April erreicht, nur acht Tage nach Stuttgart. Angesichts der materiellen Unterlegenheit der deutschen Truppen zu diesem Zeitpunkt konnten diese Kämpfe das endgültige Ende jedoch nur um wenige Tage hinauszögern.
Nach Kriegsende
Die verbliebenen Bunker wurden von den Alliierten ab 1947 so weit dies möglich war geschleift. Dies erfolgte, indem ein Sprengsatz im Bunkerinneren an einer stabilen Außenmauerecke platziert und gezündet wurde. Die Folge war, dass die Bunkerdecke abriss, sich meist in der Luft drehte und dann mit der Innenseite nach oben, oft auch geknickt oder gefaltet, auf Teile der Bunkeranlage zurückfiel, welche somit unbrauchbar wurde. Einige Bunker in der Nähe von Häusern wurden, da eine Sprengung zu gefährlich erschien, mit Beton vergossen. Zahlreiche Ruinen einstiger Bunker können noch heute entlang der östlichen Hänge von Neckar und Enz gefunden werden.
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Bunker 44 bei Gundelsheim
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Reste des Bunkers 65 bei Gundelsheim, der Durchgang in der Mitte verband den Gruppenraum (vorne) mit den MG-Ständen. (Dez. 2007)
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gefaltete Decke des früheren Bunkers 66 bei Gundelsheim (Dez. 2007)
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Weinberghäuschen mit Rest des Bunkers 244 als Sockel bei Heilbronn-Horkheim (Sept. 2007)
Nur ganz vereinzelt wurden Bunker vergessen, nicht gefunden, oder der Sprengversuch blieb erfolglos. Ein Bauwerk am Steilhang der Enz in Bissingen konnte nicht gesprengt werden, da es an einer Bahnlinie lag. Es wurde durch den Arbeitskreis Bunkerforschung des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen wieder freigelegt und dokumentiert heute als Museumsbunker die Geschichte der Neckar-Enz-Stellung.
Die Armierungsschuppen wurden nach dem Krieg von der Bevölkerung allmählich leergeräumt; das teilweise noch darin lagernde Baumaterial war ein begehrtes Gut in den Jahren des Wiederaufbaus. Teilweise wurden die Armierungsschuppen sogar abgetragen. Auch Stahlteile der Bunker wie Türen, Schartenplatten, Kuppeln und Stahlträger wurden entfernt und fanden meist den Weg zum Schrotthändler.
Taktisches Konzept

Das taktische Konzept der Neckar-Enz-Stellung beruhte auf möglichst kleinen und versteckten Bunkern entlang der natürlichen Panzer-Hindernisse Neckar und Enz. Die Bunker boten der gegnerischen Artillerie keine großen Angriffsziele. Sie waren so angelegt, dass sie die Hindernisse mit Maschinengewehren bestreichen und gegen feindliche Infanterie schützen konnten. Zugleich dienten sie, insbesondere an besonders gefährdeten Stellen wie Gundelsheim, auch als Beobachtungsposten für die rückwärtig zu stationierende eigene Artillerie. Um Bereiche unter Beschuss nehmen zu können, welche von den Bunkern nicht erreichbar waren, sollten im Kriegsfalle zwischen den Bunkern zusätzlich Feldstellungen angelegt werden. Die Ausrüstung hierfür wurde in den Armierungsschuppen vorgehalten, die entlang der Linie gut versteckt und geschützt angelegt wurden. Die gesamte Anlage war so ausgelegt, dass sie mit einer normalen Infanteriedivision besetzt werden konnte. Die zur Führung der Truppen notwendigen Gefechtsstände befanden sich teilweise in den Kampfbunkern, die Kompaniegefechtsstände etwas abgesetzt im Hinterland. Höhere Gefechtsstände sollten in zivilen oder feldmäßigen Unterkünften in Hinterland stationiert werden.
Ursprünglich war vorgesehen, etwa vier bis fünf Bunker je Kilometer nahe an den Flüssen zu errichten. Später sollten diese um weitere Bunker ergänzt werden. Tatsächlich schwankte der durchschnittliche Wert sehr stark, da zur Befestigung besonders gefährdeter Regionen besonders viele Bunker errichtet wurden. So erkannte man beispielsweise in der Planungsphase, dass sich insbesondere die Ebene zwischen Gundelsheim und Offenau für den Durchmarsch mit schweren Gerät am ehesten eignete. Die Folge war, dass alleine auf Gundelsheimer Gemarkung 71 Bunker errichtet wurden. Eine weitere starke Konzentration gab es in Raum Bietigheim-Bissingen mit 70 Anlagen.
Die Neckar-Enz-Stellung schloss im Norden an die schwach ausgebaute Sperrlinie Odenwald-Miltenberg an, welche wiederum zur Wetterau-Main-Tauber-Stellung weiterführte. Im Süden war der Anschluss an die Sicherungsstellung Stuttgart vorgesehen, die über Weil der Stadt nach Waldenbuch führen sollte. Für diese waren Pläne über Lage und Bau vorbereitet, sie sollte während der Mobilmachungsphase schnell errichtet werden.
Bauweise


Regelbauten
Grundsätzlich unterschied man zwischen vier Bunkertypen:
- Kampfbunker
- Unterstände mit und ohne Beobachtungsglocke
- Artilleriebeobachter
- Scheinstände
Oft wurden diese Bunkertypen vielfältig in einem Bauwerk miteinander kombiniert. Die Planung der Stellung sah vor, dass sich die Bunker gegenseitig decken konnten. Wo dies nicht möglich war, wurden Unterstände vorgesehen, aus denen eine (Kampf-) Gruppe zu Feldstellungen ausrückte. Oft waren diese Unterstände mit Kampfbunkern kombiniert, hießen dann beispielsweise „MG-Schartenstand mit Gruppe“ und konnten mit bis zu 21 Mann belegt werden. Etwa zwei Drittel der Bunker waren Kampfstände oder Kampfstände mit Gruppe. 69 Bunker waren Unterstände (ohne Kampfraum) und dienten auch als Befehlsstände und als Artilleriebeobachter mit Gruppe. Daneben gab es beispielsweise Artilleriebeobachter mit Kampfraum.
Die Bunker waren als Regelbauten weitgehend standardisiert, um eine schnelle Planung und Errichtung zu ermöglichen. Nur in Ausnahmefällen gab es sogenannte Sonderbauten, die aus taktischen Gründen oder wegen schwieriger Geländesituationen neu entworfen werden mussten. Teilweise waren die Bunker durch kleine Gänge miteinander verbunden.
Errichtet wurden überwiegend Regelbauten der Typen C, D, B1 und vereinzelt B alt. Die Außenmauerstärke betrug bis zu einem Meter. Durch eine sehr starke kubische Armierung sollten sich bei Artilleriebeschuss keine Risse in Decken und Wänden bilden können. Die Aufenthaltsräume waren auch gegen Gasangriffe geschützt. Man versuchte auch, die Bunker durch entsprechende Anstriche bestmöglich zu tarnen. Einige Bunker lagen in Weinbergen und wurden mit typischen Weinbergmauern verblendet.
Um den Angreifer zu täuschen, wurden auch Scheinstellungen angelegt. Oft wurden diese so angelegt, dass sie auch als Wechselstellung und Beobachtungsposten genutzt werden konnten. Da jedoch die ständige Besetzung mit Personal nicht vorgesehen war, wurden auch weniger große Qualitätsansprüche an den Beton gestellt und dieser teilweise mit Naturstein und anderem Material durchsetzt.
Ausstattung
Die Kampfbunker verfügten über einen oder mehrere Kampfräume, jeweils etwa 4 m² groß, mit kleinen Gasschleusen zum Bereitschaftsraum; einen Bereitschaftsraum, in dem auch die zurückklappbaren Hängebetten (bis zu drei Betten übereinander) untergebracht waren, etwa 20 m²; eine Gasschleuse zwischen Bereitschaftsraum und Bunkerzugang, etwa 5 m², und meist einen Zugführerraum, etwa 3 m², mit einem Sprachrohr zum Kampfraum und gelegentlich zum Bereitschaftsraum sowie einem Fernsprecher. Zur Verteidigung des Bunkerhofs und des Bunkerzugangs befanden sich in der Bunkertür kleine Scharten, manchmal ein zusätzlicher kleiner Kampfstand in der Gasschleuse oder in einem der Kampfräume. Hierdurch konnte die Besatzung mit ihren Infanteriewaffen einen möglichen Eindringversuch abwehren.
In der Regel verfügten die Bunker weder über Strom- oder Wasseranschluss noch über eine Toilette. Sie konnten jedoch mit einem Ofen beheizt werden, und als Leuchtmittel standen Karbid- oder Petroleumlampen zur Verfügung. Für die Lampen und für die Lagerung des Heizmaterials (Holz und Kohle) standen speziell dafür vorgesehene Mauernischen zur Verfügung. Nahezu jeder Bunker verfügte zudem über einen Notausstieg: eine einfache Backsteinmauer, die mit einem Hammer zertrümmert werden konnte, wodurch eine dahinterliegende Kiesaufschüttung ins Bunkerinnere fiel und einen Fluchtweg öffnete.


Nachrichtentechnik
Nach den verheerenden Erfahrungen mit unzureichender Nachrichtentechnik, insbesondere in der ersten Phase des zurückliegenden Weltkrieges, aber auch im Rahmen von Übungen in jenen Jahren, legte man zunehmend großen Wert auf zuverlässige und für die Kommunikationsanforderungen ausreichend dimensionierte Nachrichtentechnik. So auch bei der Neckar-Enz-Stellung, für die ein eigenes Nachrichtennetz verlegt und geschaltet wurde. Wie schon in den zurückliegenden Jahrzehnten und später auch bei der Bundeswehr geschah dies in enger Kooperation mit dem staatlichen Telekommunikationsanbieter, damals die Deutsche Reichspost (DRP). Postbautrupps verlegten hierzu etwa ein bis zwei Kilometer hinter der Linie und bevorzugt durch bewaldetes Gebiet eine Telefonleitung. Diese bestand aus einem vieladrigen Telefonkabel mit Stahlmantel und wurde zumindest an gefährdeten Stellen in zwei Meter Tiefe in einem Stahlrohr verlegt. Von den Bunkern liefen Leitungen zu Kabelsäulen, die – vergleichsweise massiv aus Beton errichtet – auch heute noch häufig in der Umgebung der Stellung anzutreffen sind, und wurden dort mit dem Netz verschaltet. So konnte jeder Bunker mit den Nachbarbunkern und Kommandostellen Kontakt halten. Für die im Übungs- und Kriegsfall anzulegenden Feldstellungen wurde in den Armierungsschuppen Feldkabel vorgehalten. Für den Fall, dass höhere Kommandostäbe zu Übungs- und Kriegszwecken hinter der Neckar-Enz-Stellung eingerichtet wurden, musste die Reichspost dieses Netz mit dem zivilen Telefonnetz und anderen Militärnetzen verschalten. Solche Schaltungen wurden besonders ab 1934 reichsweit geübt.
Literatur
- Götz Arnold: Die Neckar-Enz-Stellung. Militärischer Schutzwall nach dem Ersten Weltkrieg. In: Ludwigsburger Geschichtsblätter. Nr. 57, 2003, ISSN 0179-1842, S. 115–144.
- Friedrich Blumenstock: Der Einmarsch der Amerikaner und Franzosen im nördlichen Württemberg im April 1945. In: Darstellungen aus der württembergischen Geschichte. Band 41. Kohlhammer, Stuttgart 1957 (nachgedruckt in: Veröffentlichungen zur Ortsgeschichte und Heimatkunde in Württembergisch Franken, Band 8, Gerabronn/Crailsheim 1994. 264 Seiten, ISBN 3-87354-225-0).
- Hans Georg Kampe: Nachrichtentruppe des Heeres und Deutsche Reichspost. Meißler, Waldesruh bei Berlin 1999, ISBN 3-932566-31-9.
- Till Kiener: Die Neckar-Enz-Stellung. Gundelsheimer Bunkerwelten. 1. Auflage. L. Kiener, Nürtingen 2002, ISBN 3-00-010420-8 (Mit heimatgeschichtlichen Beiträgen von Leo Achtziger).
- Till Kiener: Die Neckar-Enz-Stellung. Einführung in die Geschichte und Technik. 2. Auflage. L. Kiener, Nürtingen 2003 (Begleitheft für den Besuch des Museumsbunkers Ro 1 in Bissingen).
- Wilhelm Schrode: Die Neckar-Enz-Stellung. Eine Befestigungslinie aus der Reichswehrzeit als erster Versuch einer Westverteidigung des Deutschen Reichs. Ludwigsburg 1977 (Manuskript, 52 Seiten).
Weblinks
- Museumsbunker Ro 1 in Bissingen auf der Website des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen
- Private Website zur Neckar-Enz-Stellung
Anmerkungen und Einzelnachweise
- ↑ nach Arnold. Schrode nennt dagegen die damalige Wirtschaftkrise und die instabilen Regierungsverhältnisse als Faktor.
- ↑ Till Kiener: Die Neckar-Enz-Stellung. Gundelsheimer Bunkerwelten. S. 24.
- ↑ Bis März 1943 war dies ein Verbrechen und konnte mit Zuchthaus bestraft werden, eine Maßnahme, die jedoch nie angewendet worden war. Danach wurde es gesetzlich erlaubt