Stachelhäuter
Stachelhäuter | ||||||||||||
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![]() Seeigel (Prionocidaris hawaiiensis) | ||||||||||||
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Unterstämme | ||||||||||||
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Die Stachelhäuter (Echinodermata) (von lat. echinatus = stachelig und gr. dermis = Haut) sind ein zu den Deuterostomiern gehörender Tierstamm. Weltweit sind etwa 6.300 Arten der Stachelhäuter bekannt, womit sie die zweitgrößte Tiergruppe innerhalb der Neumundtiere (Deuterostomia) nach den Chordatieren (Chordata) bilden. Es handelt sich bei ihnen durchweg um Meeresbewohner, die bis auf wenige Tiefseearten reine Bodenbewohner sind.
Die Echinodermata lassen sich unterteilen in die meistens gestielten Pelmatozoa sowie die freilebenden Eleutherozoa. Zu den Pelmatozoa zählen mehrere "Seelilien" zusammengefasste Taxa sowie die sekundär freilebenden Haarsterne (Crinoidea). Die Eleutherozoa umfassen die bekannteren Gruppen der Stachelhäuter: die Seesterne (Asteroidea), die Seeigel (Echinoidea), die Seewalzen (Holothuroidea) und die Schlangensterne (Ophiuroidea). In jüngster Zeit wurde eine weitere Klasse identifiziert, die Seegänseblümchen (Concentricycloidea).
Merkmale
Aufbau
Obwohl die Stachelhäuter zu den Bilateria und damit zu den bilateralsymmetrischen Tieren gehören, hat sich bei ihnen eine Symmetrieform entwickelt, die auf fünf Symmetrieachsen aufbaut (sekundäre Pentamerie bzw. fünfstrahlige Radiärsymmetrie). Diese ist besonders deutlich bei den fünfarmigen Seesternen, kann jedoch auch bei allen anderen Vertretern der Tiergruppe festgestellt werden. Bei vielen Pelmatozoa und auch bei einigen Seesternen kommt es dabei zu einer Verfielfachung der Fünfstrahligkeit, sodass Seesterne wie Heliaster spec. 50 Arme besitzen können, Seenelken wie Comanthina schlegelii sogar 200. Diese Symmetrieeigenschaften entwickeln sich erst im Laufe der Individualentwicklung (Ontogenese), an deren Anfang eine zweiseitig symmetrische Larve steht. Das Zentrum der Symmetrie bilden fünf Radien, die ein Kanalsystem und Radiärnerven enthalten. Zwischen diesen befinden sich die Interradien.
Zugleich wandern auch der Mund und der After von den ehemaligen Vorder- und Hinterenden der Tiere auf die Ober- und Unterseite. Bei den freilebenden Eleutherozoa liegt dabei die Mundöffnung an der Unterseite der Tiere (Oralseite) auf dem Substrat, die Afteröffnung entsprechend auf der Oberseite (Aboralseite). Bei den Seewalzen bildeten sich durch die Streckung wieder ein Vorder- und ein Hinterpol mit Mund und After aus, diese entsprechen jedoch der Ober- und Unterseite anderer Stachelhäuter (die Seewalzen liegen also auf der Seite).
Durchbrochen wird die Symmetrie durch die Medreporen- oder Siebplatte. Diese liegt auf der Aboralseite neben dem After in einem Interradius. Diese Platte legt als sichtbarer Punkt die Nomenklatur des Körpers fest, der ihr gegenüberliegende Radius wird als Radius A bezeichnet und alle folgenden im Uhrzeigersinn von B bis E benannt. Die Madreporenplatte liegt damit immer im Interradius CD.
Kalkskelett und Außenhaut
Ambulacralsystem
Einzigartig ist das Kanalsystem (Ambulacralsystem), dessen äußere Fortsätze als Saugfüßchen der Fortbewegung der Tiere oder als Tentakel dem Nahrungserwerb dienen. Es hat sich in der Ontogenese aus dem Hydrocoel entwickelt und besteht aus einem Ring um den Darm sowie die in die einzelnen Radien führenden Ambulacralkanäle. Auch die Madreporenplatte ist über einen verhärteten Kanal, den Steinkanal, mit dem System verbunden.
Nervensystem und Sinnesorgane
Hämalsystem, Exkretion, Atmung
Darmtrakt
Geschlechtsorgane
Fortpflanzung und Entwicklung
Sexuelle Fortpflanzung und Brutpflege
Stachelhäuter werden nach etwa zwei bis drei Jahren geschlechtsreif, abhängig von der Art und den Umweltbedingungen. Die Eier und Spermien werden in das freie Wasser abgegeben, wo die Befruchtung stattfindet. Dies geschieht bei einigen Arten in dichten Populationen zeitlich aufeinander abgestimmt. Eine Paarung mit einer inneren Befruchtung konnte bislang nur bei drei Schlangensternen, drei Seesternen und einer Tiefsee-Seewalze beschrieben werden.
Bei einigen Haarsternen entwickeln sich die Embryonen in speziellen Bruttaschen (Marsupien). Auch bei einigen Seeigeln und Seesternen kommt eine Brutpflege vor. So tragen verschiedene Lanzenseeigel die Jungtiere zwischen den Stacheln der Oralseite, Herzseeigel haben speziell ausgebildete Brutkammern. Bei Seesternen können spezielle Kammern im Bereich der Atemkammern an der Aboralseite oder Magentaschen ausgebildet sein, in denen die Jugendentwicklung stattfindet. Bei einigen Seewalzen findet Brutpflege in Bereichen der Kriechsohle, zwischen den Tentakeln oder sogar in der Leibeshöhle statt. Die meisten Stachelhäuter betreiben allerdings keine Brutpflege.
Larvalentwicklung
Den Beginn der Entwicklung stellt eine Radiärfurchung dar mit annähernd äqualer Teilung. Es entwickelt sich erst eine Coeloblastula, aus der durch Einstülpung eine Gastrula wird. In den Hohlraum wandern Mesodermzellen ein, die später Skelettelemente bilden. Die sekundäre Leibeshöhle (Coelom) bildet sich durch Abschnürung von drei paarigen Blasen (Enterocoelie).
Mit der Metamorphose bilden sich für die verschiedenen Taxa der Stachelhäuter unterschiedliche typische Larvenformen. Dabei handelt es sich bei den Pelmatozoa immer um die dotterreichen Doliolaria- oder Vitellaria-Larven, die nach ihrem Festsetzen ein freßfähiges Pentacrinusstdium bilden, aus der sich später das fertige Tier entwickelt. Die Grundlarvenform aller Eleutherozoa ist die Dipleurula-Larve, die sich bei den Seesternen über eine Bipinnaria-Larve und eine Brachiolaria-Larve zum adulten Tier entwickelt. Bei den Seegurken ist die erste Larvenform die Auricularia-Larve mit einem einheitlichen Wimpenband, aus der sich dann die Doliolaria mit drei bis fünf Wimpernringen entwickelt. Die auffälligsten Larven bilden die Seeigel und die Schlangensterne. Dabei handelt es sich Pluteus-Larven mit langen Schwebestacheln.
In der Larvalentwicklung kommt es zur bereits angesprochenen Metamorphose, aus der aus den anfänglichen bilateralsymmetrischen Larven die fünfstrahligen Tiere entstehen. Dabei bildet sich aus dem linken Hydrocoel ein Ringkanal als Zentrum des Ambulacralsystems, der sich um den Darm legt. Dieses bleibt mit der Außenwelt über den Steinkanal, dem linken Axocoel und der Madreporenplatte mit der Außenwelt verbunden. Das linke und das rechte Somatocoel lagern sich übereinander und bilden die Leibeshöhle während das rechte Hydrocoel vollständig verschwindet und das rechte Axocoel auf eine kleine Dorsalblase reduziert wird. Bei den meisten Tieren bildet sich entsprechend die Oralseite auf der linken Körperseite
Regeneration und asexuelle Fortpflanzung
Sehr viele Stachelhäuter können verlorene Körperteile wieder neu anlegen. Seesterne und Schlangensterne schnüren ausserdem bewusst Körperteile ab (Autotomie), wenn sie in Gefahr sind. Die Seegurken stoßen Teile der inneren Organe aus und Seeigel verlieren ständig Pedicellarien oder Stacheln. Das Regenerationsvermögen für alle diese Körperteile ist sehr gut ausgeprägt.
Die Regenartionsfähigkeit erlaubt den Tieren auch eine Form der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, die als Fissiparie bekannt ist. Seesterne vermehren sich babei etwa über den Verlust von Armen, wobei aus jedem Armteil ein neuer Seestern entstehen kann. Bei einigen Arten, etwa den Coscinasterus-Arten, kommt es durch Fissiparie zu einer Vermehrung der Arme, wobei keine neuen Tiere entstehen. Eimige Schlangensterne vermehren sich in manchen Populationen offensichtlich über lange Zeiträume ausschließlich fissipar.
Lebensweise
Ökologische Rolle
Evolution
Die Stachelhäuter sind bereits seit dem frühen Kambrium von über 540 Millionen Jahren bekannt. Besonders in der Frühzeit des Paläozoikum, zu der auch das Kambrium gehört, entwickelten sie eine Blütezeit, aus der etwa 10.000 Arten aus mehr als 20 verschiedenen Taxa bekannt sind.
Systematik
Von den etwa 20 fossil belegten Taxa der Stachelhäuter leben rezent nur noch sechs. Dabei werden die Pelmatozoa mit den Seelilien und Haarsternen (Crinoida) mit etwa 620 Arten allen anderen Gruppen (Eleutherozoa) als Schwestergruppe gegenüber gestellt. Die Seesterne (Asteroida) mit etwa 1.500 Arten sowie die erst 1986 entdeckten Seegänseblümchen (Concentricyclida) mit bislang 2 bekannten Arten stehen innerhalb der Eleutherozoa dem gemeinsamen Taxon aus Seeigel (Echinoida) mit etwa 950 Arten, Seewalzen (Holothuroida) mit etwa 1.200 Arten und den Schlangensternen (Ophiuroida) mit etwa 2.000 Arten gegenüber.
--- Stachelhäuter (Echinodermata) |-- Pelmatozoa | |-- "Seelilien": 4 Taxa, Systematik ungeklärt. | |-- Haarsterne (Comatulida) | |-- Eleutherozoa |-- N.N. | |-- Seesterne (Asteroida) | |-- Seegänseblümchen (Concentricycloida) | |-- N.N. |-- Schlangensterne (Ophiuroida) |-- N.N. |-- Seeigel (Echinoida) |-- Schlangensterne (Ophiuroida)
Stachelhäuter und Menschen
Die wirtschaftliche Bedeutung der Stachelhäuter ist vornehmlich lokal. So werden Im Jahr etwa 50.000 Tonnen Seesterne gefangen, von denen besonders in Japan, Peru und in Frankreich die Gonaden bzw. die Eier gegessen werden. In Japan sind die Eier als Uni bekannt und stellen eine Zutat der Sushi-Küche dar. Dabei wird der Geschmack als weich und schmelzend beschrieben. Die Qualität ist abhängig von der Farbe, die von hellgelb bis leuchtend orange reichen kann.
Auch Seewalzen stellen in einigen Ländern Südostasiens eine Delikatesse dar. Am bekanntesten sind sie als Trepang oder bêche-de-mer in China und Indonesien. Die Seewalzen werden dafür von den (häufig giftigen) Eingeweiden befreit und getrocknet. Besonders beliebt sind Thelenota ananas (susuhan) und die rote Halodeima edulis. Die starken Giftstoffe der Seewalzen, bekannt als Holothurin, sind leicht psychoaktiv, Nutzungen der entheogenen Wirkungen sind jedoch nicht bekannt. Allerdings konnte festgestellt werden, dass Holothurin hemmend auf die Wachstumsrate verschiedener Tumorzellen wirkt, wodurch es für die Krebsmedizin interessant wird.
Seesterne gelangen gemalen als Kalkzusatz in industrielles Tierfutter, jährlich werden für diesen Zweck etwa 4.000 Tonnen der Tiere verwendet. Vor allem in Gebieten, in denen kommerziell Muscheln, vor allem Austern, gezüchtet werden, können Massenauftreten von Seesternen einen großen wirtschaftlichen Schaden anrichten.
Literatur
- Anderson, DT (2001): Invertebrate Zoology, 2nd Ed., Oxford Univ. Press, Kap. 16, S. 374, ISBN 0195513681
- Barnes, RSK, Calow, P., Olive, PJW, Golding, DW, Spicer, JI (2001): The invertebrates - a synthesis, 3rd ed., Blackwell, Kap. 7.3, S. 151, ISBN 0-632-04761-5
- Brusca, RC, Brusca, GJ (2003): Invertebrates, 2nd Ed., Sinauer Associates, Kap. 22, S. 801, ISBN 0878930973
- Moore, J (2001): An Introduction to the Invertebrates, Cambridge Univ. Press, Kap. 17, S. 259, ISBN 0521779146
- Ruppert, EE, Fox, RS, Barnes, RP (2004), Invertebrate Zoology - A functional evolutionary approach, Brooks/Cole, Kap. 28, S. 872, ISBN 0030259827
Weblinks
- Stachelhäuter im Tree of Life (auf Englisch)
- The Virtual Echinoderm Newasletter (auf Englisch)
- Bildergalerie (Text auf Englisch)