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Fritz Mandl (Industrieller)

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Fritz Mandl (* 9. Februar 1900 in Wien; † 8. September 1977 in Wien) war ein international tätiger österreichischer Industrieller, der in der Metall- und Rüstungsindustrie aktiv war.

Leben

Mandl, der spätere „Patronenkönig“, war der Sohn Alexander Mandls, eines österreichischen Industriellen jüdischen Glaubens und Generaldirektor der Hirtenberger Patronenfabrik. Mandls Mutter war Katholikin und der Junge wurde katholisch erzogen.

1921 belieferte die Hirtenberger Patronenfabrik Polen mit Rüstungsgütern im Krieg gegen Sowjetrussland. Kommunistische Arbeiter setzten die Fabrik deswegen in Brand. Außerdem kämpfte die Fabrik im Laufe der 1920er Jahre mit dem aus dem Vertrag von Saint-Germain resultierenden Verbot, Waffen zu exportieren.

Es war der junge Mandl, der Umwege fand, um solche Schwierigkeiten zu beseitigen. Ab 1924 leitete er die Fabrik. Später war er auch Besitzer der Lichtenwörther Patronenfabrik und des Grünbacher Steinkohlenbergbaus. 1928 vertrat er die Hirtenberger Patronenfabrik als österreichischer Partner eines Joint-Venture im schweizerischen Solothurn. Der andere Partner, der Großkonzern Rheinmetall, mit Krupp der zweitgrößte deutsche Rüstungshersteller, war durch den Waffeningenieur Hans Eltze vertreten. So wurde die Waffenfabrik Solothurn als Tarnung für den Export deutscher und österreichischer Waffen, insbesondere Panzerabwehrkanonen und Flugabwehrkanonen unter Schweizer Etikett, benutzt.

Mittlerweile engagierte sich Mandl auch im politischen Kampf. Er finanzierte die austrofaschistische Heimwehr-Miliz, die von seinem Freund Ernst Rüdiger Starhemberg geleitet wurde. Seine engen Verbindungen mit Benito Mussolini und mit der ungarischen Horthy-Diktatur nützte er auch, um die Heimwehr mit Waffen zu versorgen. Die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung enthüllte im Januar 1933 dies als die so genannte Hirtenberger Waffenaffäre.

Über viele seiner Gespräche mit faschistischen Persönlichkeiten wurde später von seiner damaligen Frau, der jungen Schauspielerin Hedy Lamarr, öffentlich berichtet. Hedy Lamarr war seit 10. August 1933 seine Frau, verließ ihn aber 1937, als er ihr nach ihrem Erfolg in Ekstase (1933), wo sie in Nacktszenen zu sehen war, jahrelang die Schauspielerei verbot. Der eifersüchtige Ehemann hielt sie am gemeinsamen Wohnsitz, dem Schloss Schwarzenau (Niederösterreich) wie eine Gefangene. Außerdem trennten das Paar auch in politischer Hinsicht Welten, da Lamarr in liberalem Milieu aufgewachsen war. Von seiner 14 Jahre jüngeren Frau, die er am 10. August 1933 in der Wiener Karlskirche geheiratet hatte, hatte er auch verlangt, dass sie vom mosaischen zum katholischen Glauben übertrat. Jahre zuvor wollte ihn seine Cousine die Schauspielerin Eva May heiraten, was er aber ablehnte. Sie beging daraufhin im September 1924 Selbstmord.

Durch seine Verbindungen zur Heimwehr befreundete sich Mandl auch mit deren Stabschef, dem deutschen Major Waldemar Pabst, der den Doppelmord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht organisiert und sich an mehreren Putschversuchen beteiligt hatte. An diesen übertrugen Mandl und Eltze die Verantwortung für die Waffenfabrik Solothurn. Eltze ging 1933 nach der Machtergreifung der NSDAP nach Deutschland, dann später nach Spanien und Portugal. Mandl ging 1938 nach dem Anschluss nach Argentinien, denn die Nationalsozialisten bezeichneten ihn als Juden. Daher brauchten die Beiden eine Vertrauensperson, die sich um die Waffenfabrik Solothurn kümmerte und überließen Pabst die Aufgabe.

Das Reich Mandls erstreckte sich über mehrere Länder. Es hatte praktisch ein Monopol für Patronenlieferungen an Italien. In Polen konnte es als Ausgleich für die Lieferungen im polnisch-sowjetischen Krieg eine Fabrik erwerben. Außerdem besaß er eine Waffenfabrik im südholländischen Dordrecht.

1938 versuchte Mandl, eine Patronenfabrik für das portugiesische Kriegsministerium aufzubauen. Mittelsmänner des Geschäfts waren der exilierte österreichische Bankier Friedrich Ehrenfest und der Schweizer Waffeningenieur Hans de Steiger. Doch die deutschfreundliche Lobby im Ministerium wollte keinen Vertrag mit dem "Juden" Fritz Mandl unterschreiben und konnte eine Entscheidung für Partnerschaften mit deutschen Firmen wie der Fritz Werner AG durchsetzen.

Das Scheitern des portugiesischen Geschäfts ist vielleicht das letzte Beispiel des langsamen Untergangs der politischen Verbindungen Mandls unter faschistischen Regimen, die jedoch dem Weg NS-Deutschlands nur noch widerstrebend folgten. Auch in Italien konnte er sich auf die Freundschaft Mussolinis nicht mehr verlassen. Sogar sein Schützling Starhemberg wollte dem "Juden" Fritz Mandl keine Dankbarkeit zeigen und veröffentlichte ein Memoiren-Buch, in dem er keine Rolle spielt.

Dennoch versuchte Mandl seine Beziehungen mit dem Dritten Reich zu verbessern. Er ließ verlauten, dass sein Engagement in der austrofaschistischen Miliz nicht gegen den deutschen Anschluss sondern gegen die Sozialisten gemeint war. Er verbreitete auch, dass er der Sohn einer außerehelichen Beziehung seiner Mutter mit einem katholischen Bischof und deswegen kein Jude sei. Und schließlich rief er die Arbeiter der Hirtenberger auf, im Plebiszit für den Anschluss abzustimmen.

Doch all dies tat Mandl aus sicherer Entfernung in der Schweiz. Gleichzeitig hatte er eine schweizerische Firma gegründet, die sämtliche Vermögen der Hirtenberger und Mandls erwarb. Die NS-Behörden konnten ihn daher nicht enteignen, ohne dass ein politisches Problem mit der Schweiz entstehen würde. Sie verhandelten mit Mandl im Zürcher Dolder Hotel, ließen seinen Vater Alexander Mandl frei und gestanden ihm eine erhebliche Monatsrente zu.

In Argentinien führte Mandl noch einen Briefwechsel mit Görings Amt, um die Möglichkeit abzuschätzen, ob ein Joint-Venture für die Herstellung von Eisen möglich wäre. Als sich Großbritannien im Herbst 1940 nicht geschlagen gab, merkte Mandl, dass der Transport von Eisen über den Atlantik zu unsicher war und brach den Briefwechsel ab. Mandl investierte in den Wahlkampf von Juan Perón, die Industria Metalúrgica Plástica Argentina (IMPA) einen Hersteller von Handfeuerwaffen in es:San Martín (Buenos Aires) und einen Fahradhersteller Cometa im Stadteil Almagro, von Buenos Aires. Mandls Verbindungsoffizier in Argentinien war Oberst Rudolfo Jeckeln [1]. Mandl nutzte die Dienste der Johann Wehrli & Co. AG. Mandls Freund Mussolini intervenierte für Mandl bei Adolf Hitler was zu folgender Regelung führte: Für die Aufgabe der Geschäftsführung wurden Mandl 170.000 Pfund Sterling und 1.240.000 Reichsmark übergeben sowie sein Vater aus deutscher Geiselhaft entlassen [2]. Die Achsenmächte liesen ihre Schiffe, welche zum 1. September 1939 in argentinischen Häfen lagen in das Eigentum Argentiniens übergehen, wodurch diese unter Argentinischer Flagge unbehelligt navegieren konnten. Den Norddeutschen Lloyd vertrat Thilo Martens in Buenos Aires [3]. William Mosetti (*25. November 1914 Triest - 1992 Bern) sollte diese Aufgabe für Lloyd Triestino übernehmen, wurde 1960 Geschäftsführer von Mercedes Benz Argentina. Auf Intervention der usamerikanischen Botschaft in Buenos Aires wurde Mandl am 27. März 1945 verhaftet und ausgewiesen. Mandls Anteile an Unternehmen in Argentinien wurden verstaatlicht und als Rüstungsbetriebe zusammengefasst [4].

Mandl kam 1955 nach Österreich zurück, übernahm wieder die Hirtenberger Fabrik und wurde nach seinem Tod 1977, am Hirtenberger Friedhof begraben.

Literatur

  • Ramón Bill: Waffenfabrik Solothurn. Schweizerische Präzision im Dienste der deutschen Rüstungsindustrie. In: Schriftenreihe des Kantonalen Museums Altes Zeughaus Solothurn. Heft 14. Solothurn 2002
  • Peter Hug: Schweizer Rüstungsindustrie und Kriegsmaterialhandel zur Zeit des Nationalsozialismus. Unternehmensstrategien – Marktentwicklung – politische Überwachung. Band 11 der Publikationen der Unabhängigen Expertenkommission. Chronos Verlag. Zürich 2002.
  • Lajos Kerekes: Abenddämmerung einer Demokratie. Mussolini, Gömbös und die Heimwehr. Europa Verlag. Wien-Frankfurt-Zürich 1966.
  • Edith Linder: Die Hirtenberger Waffenaffäre 1933. Ein innen- und außenpolitischer Konflikt für Österreich. Ungedr. Diplomarbeit. Wien 1997.

Vorlage:Aeiou

  1. Uki Goñi: Odessa - Die wahre Geschichte. Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher. Aus dem Engl. v. Theo Bruns und Stefanie Graefe. Assoziation A, Berlin/Hamburg, 2006. ISBN 3935936400 S. 143
  2. La voz 25 de febrero de 2007 Los secretos del castillo de Fritz Mandl[1]
  3. Uki Goñi S. 17
  4. Bryce Wood The dismantling of the good neighbor policy, University of Texas Press, Austin, 1985 [2]