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4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage

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Film
Titel 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage
Originaltitel 4 luni, 3 săptămâni şi 2 zile
Produktionsland Rumänien
Originalsprache Rumänisch
Erscheinungsjahre 2007
Länge 113 Minuten
Stab
Regie Cristian Mungiu
Drehbuch Cristian Mungiu,
Oleg Mutu
Produktion Cristian Mungiu
Kamera Oleg Mutu
Schnitt Dana Bunescu
Besetzung

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4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage (Originaltitel: 4 luni, 3 săptămâni şi 2 zile) ist ein rumänisches Filmdrama von Cristian Mungiu, das von existenzieller Angst und Demütigung im kommunistischen Rumänien unter Diktator Nicolae Ceauşescu handelt. Es wurde mit der Goldenen Palme und dem Europäischen Filmpreis 2007 ausgezeichnet und fand große Zustimmung bei den Kritikern, weil es mit einem nüchternen formalen Stil eine enorme innere Spannung entwickle.

Handlung

Geschichtliche Ausgangslage: Rumänien unter Ceauşescu

Der allgemeine historische Hintergrund, vor dem sich die Handlung abspielt, wird im Film nicht direkt erläutert. Im kommunistischen Rumänien kam 1965 Nicolae Ceauşescu an die Macht. Er führte das Land auf einen nationalen Sonderweg, ordnete sich Moskau nicht unter und pflegte einen extremen Führerkult. Die Bespitzelung der Bevölkerung durch den Geheimdienst Securitate war totalitär, die Wirtschaftslage miserabel. Im Unterschied zu anderen mitteleuropäischen Volksrepubliken, wo sich eine freiheitliche Sexualmoral und Familienpolitik durchsetzte, griff Ceauşescus Ideologie vom nationalen Bevölkerungswachstum mit strengen Vorschriften (Dekret 770) tief ins Privatleben hinein. Verhütungsmittel wurden nicht angeboten, und auf Abtreibung standen mehrere Jahre Gefängnis. Dennoch wurde sie von Laien im Verborgenen unter prekären Bedingungen weithin durchgeführt, was zum Tod von etwa 100.000 Frauen geführt haben soll.[1] Wenn sich unerwartete Komplikationen ergaben, kam es vor, dass die Polizei den Zugang zum Spital verwehrte, solange die Frau die Beteiligten nicht nannte.[2] Nach 1989 wurde das Abtreibungsverbot bald aufgehoben.

Erzählhandlung

Die Filmfachzeitschrift Positif gibt dem Leser die – in solchen Zeitschriften sonst selten ausgesprochene – Empfehlung, vor dem Kinobesuch nichts über den Film zu lesen. So könne er beim Ansehen des Films denselben Überraschungseffekt erleben wie das Festivalpublikum in Cannes.[3]

Rumänien 1987. Die Studentinnen Gabiţa und Otilia teilen sich ein enges Zimmer im Studentenwohnheim, wo ein reger Schwarzhandel mit Kosmetika und Zigaretten stattfindet. Die beiden planen für den Abend ein unausgesprochenes Vorhaben. Gabiţa ist nervös und unsicher, während Otilia die Vorbereitungen vorantreibt.Sie unterhält sich mit ihrem Freund Adi, der sie am Abend an die Geburtstagsfeier seiner Mutter mitnehmen will. Sie windet sich, ohne ihren mit Gabiţa verfolgten Plan zu verraten, und verspricht schließlich zu kommen. Wegen einer gescheiterten Hotelzimmerreservation muss sie in einem anderen Hotel mühsam versuchen, bei der Empfangsdame ein Zimmer zu erbetteln. Als sie das Zimmer erhält, holt sie den ihr unbekannten Herrn Bebe ab, der Gabiţa empfohlen wurde. Gabiţa ist inzwischen im Hotelzimmer eingetroffen, wo sich nun die zentrale Sequenz des Films abspielt.

Gabiţa ist schwanger und will trotz des strengen Verbots abtreiben. Die beiden Frauen haben weniger Geld dabei, als Herr Bebe erwartet. Bei der ersten Untersuchung stellt sich heraus, dass Gabiţa nicht wie behauptet im zweiten, sondern schon im vierten Monat ist. Herr Bebe erreicht in einer harten, demütigenden Verhandlung, dass zusätzlich zur finanziellen Bezahlung beide mit ihm schlafen. Als er ins Bad geht, entdeckt Otilia in seinem Koffer ein Klappmesser und nimmt es an sich. Die Abtreibung findet ohne Narkose, nur mit den von Bebe mitgebrachten Utensilien statt. Er führt Gabiţa eine Sonde ein und Gabiţa muss nun bis zur Abstoßung des Fötus im Bett liegen bleiben, was zwei Stunden oder auch zwei Tage dauern kann. Nachdem Bebe gegangen ist, bricht Otilia zur Geburtstagsfeier auf und lässt Gabiţa allein zurück. Bei Adis Eltern findet sie keine innere Ruhe, da sie Gabiţa telefonisch nicht erreicht.

Sie verlässt die Feier vorzeitig. Als sie wieder bei Gabiţa ist, hat diese die Abstossung schon hinter sich. Gabiţa liegt im Bett und der Fötus im Bad auf dem Boden. Otilia packt ihn in eine Tasche und bricht in die Nacht auf, um ihn irgendwo in einen Müllschlucker zu werfen. Zurück im Hotel, klopft sie vergeblich an die Zimmertür. Vor dem Hotel steht ein Krankenwagen, doch wie sich herausstellt nicht wegen Gabiţa, sondern wegen einer Schlägerei. Gabiţa war in ein Restaurant gegangen. Die beiden Freundinnen vereinbaren, über all das nicht mehr reden zu wollen.

Thematik und Charakter des Werks

Eine Stimmung von Spannung und Angst

Gemäß Rezensionen ist 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage vor allem ein Thriller[4], oder er habe wegen der Suggestivität harmloser Gesten, dumpfer Aggressionen und bedrohlicher Verzögerungen die Spannung eines Thrillers.[3] „Die Atmosphäre der Unterdrückung ist nahezu mit Händen zu greifen.“[1][5] Und dazu „braucht Mungiu keine Parteikader oder Geheimdienstler aufzufahren.“[6] Mungiu entwickelt die Handlung, ohne spektakuläre Wendungen beizufügen[4], sodass die Ereignisse ihren zwingenden Lauf nehmen. Im ersten Teil verfolgt er eine Strategie, die wichtige Angaben vorenthält.[7] Doch die Spannung fällt auch dann nicht zurück, als klar wird, dass es um eine Abtreibung geht.[4] Der Zuschauer wird durch eine Bedrohung beklemmt, die ihn heimtückisch beschleicht.[4][3] Die Szene mit dem Abendessen zum Beispiel ist für das Publikum ebenso unerträglich wie für Otilia, da der Zuschauer im Ungewissen über Gabiţas Zustand ist.[8] Mungius Absicht war ein harter, nüchterner Film.[2]

Gezeigt wird „ein Gesellschaftssystem in Agonie“[9], eine verlogene, polizeiliche, kleinbürgerliche und machistische Gesellschaft.[3][10] Die Darstellung des kommunistischen Rumäniens erfolgt aus subjektiver Perspektive, ohne jede direkte Behandlung des politischen Systems, um den oft begangenen Klischees politischer Filme auszuweichen.[8] Die graue, freudlose Stimmung im Land rührte auch vom Verhalten der Menschen her. In der Öffentlichkeit bemühte man sich, nicht aufzufallen, weil man beobachtet wurde. Es gab auch keine Möglichkeit, Missbräuche ahnden zu lassen. Daher gehörten sie ebenso wie „peinliche Verhandlungen“[7] mit Menschen in allerlei Funktionen zum Leben.[2] Das autoritäre System beruhte nicht allein auf einer Geheimpolizei, sondern auch auf jenen Bürgern, denen es ein Stück Autorität über andere überließ, die sich nicht wehren konnten.[2] „Ein jeder, der einen Anflug von Macht besitzt, benutzt ihn, um den nächsten zu erniedrigen.“[1]

Die zentrale Szene des Films spielt sich mit dem Huis-clos im Hotel ab.[11] Daneben gibt es auch einige spannende falsche Fährten: das Messer und der am Empfang vergessene Pass Bebes.[4] Das eingesteckte Messer ist elliptisch zu verstehen[3], das Ende somit offener als auf den ersten Blick vermutet.

Mungiu selbst sieht eine Mehrzahl möglicher Interpretationen seines Films – Systemkritik, Überlebensgeschichte, existenzielles Gleichnis – keine sei falsch.[2] Jedoch will er sein Werk nicht als Anti-Abtreibungsfilm verstanden wissen und enthalte sich der Stellungnahme.[8][12] Er erbringe eine Hommage an jene Frauen, die trotz der Repression den Mut hatten, abzutreiben.[2] Es konnte als Akt des Widerstandes gelten.[13] Er sieht es als Pflicht eines Filmemachers, an das damalige System zu erinnern, da es heute in Rumänien gelegentlich verharmlost oder gar schöngeredet werde.[14][12] Einige Zuschauerinnen erkannten ihr Schicksal wieder, andere meinten, die Schilderung sei noch sehr gemäßigt im Vergleich zur eigenen Erfahrung.[2]

Epd Film entdeckt „Themen von geradezu existentieller Wucht: Hilflosigkeit, Angst und Verantwortung, Leben und Tod, Freundschaft und Verrat“.[7] Positif stellt fest, dass es kein Film über Abtreibung sei, sondern über Freiheit.[3] Cristian Mungiu: „Das Schlimmste, was das Regime in uns bewirkt hat, war die Beeinflussung unseres Denkens dahin, dass wir beim Treffen von Entscheidungen die moralische Dimension nicht erwägen. Das ist eine unterschwellige, schädliche Vereinnahmung. Ich brauchte Jahre, um mir bewusst zu werden, dass der Kampf gegen den Kommunismus nicht nur ein Kampf um die Freiheit selbst war, sondern auch um frei denken zu lernen.“[8]

Die Figuren Otilia und Gabiţa

Obwohl Gabiţa schwanger ist, liegen das Zentrum des Handelns, das Eingehen von Risiken, die Angst und der Mut bei Otilia, die zudem für sie denkt und redet.[4][3] Es wurden Ähnlichkeiten Otilias mit der Figur Rosetta der Brüder Dardenne festgestellt.[2] Parallelen bestehen auch zur aufopfernden Bess in Breaking the Waves, der in Cannes 1996 den Großen Preis der Jury erhalten hat.

Gabiţa ist das Gegenteil von Otilia. Gabiţa ist unselbstständig, naiv, unzuverlässig, „etwas weltfremd“[7], verwendet bequeme Lügen und ist außerstande, außerhalb der vom Regime vorgegebenen Muster zu agieren. Ein Kritiker findet sie sogar sehr unsympathisch und von seltener Niedertracht.[4] Der Titel trägt eine zu denkende Fortschreibung in sich, die 1 Stunde lauten müsste. Als Otilia zur Geburtstagsfeier aufbricht, verspricht sie Gabiţa, in einer Stunde zurück zu sein. In dieser Stunde ist Gabiţa in Einsamkeit einer sehr existenziellen Erfahrung ausgesetzt, bei der sie durchaus auch sterben könnte. Hat sie das verändert? Sie begibt sich selbstständig ins Restaurant. Regisseur Mungiu sagt dazu, dass sie nach dem Durchgemachten Energie und Appetit bekommen habe.[2]

Durchgängig schlecht kommen die Männer im Film weg. Bebe erweist sich als Dreckskerl. Und als sich Otilia ihrem Freund Adi in der Hoffnung auf Verständnis und Beistand anvertraut, lässt dieser sich nicht zu mehr bewegen als einem Versprechen, sie im Falle einer Schwangerschaft gesellschaftskonform zu heiraten.

Formale Inszenierung

Der Film sei in einem dokumentarischen Naturalismus gehalten, „so karg und spröde“ wie das Land damals war.[7] Mungiu und sein Kameramann Mutu haben sich strenge formale Regeln auferlegt. Sie verwenden lange Plansequenzen, um Schnitte möglichst zu vermeiden, die immer einen interpretierenden Eingriff darstellen. Es soll kein Filter einer formellen Konstruktion zwischen den Emotionen der Szene und dem Publikum stehen. Ebenso verzichten sie auf den Einsatz von Musik – „keine Violinen“. Sie wollten eigene formelle Stellungnahmen möglichst vermeiden und die Szene für sich sprechen lassen.[8][2][5]

Die Plansequenzen waren anstrengend zu filmen, vor allem für die Darsteller. Mungiu stellte ihnen bei der Rollenvergabe die Bedingung, bis zu zehn Seiten Text auswendig zu lernen.[8][2] Doch der Lohn der Mühe ist, dass sich der Film wegen der langen Einstellungen wie Realzeit anfühle.[7]

Obwohl mit der Handkamera erfasst, hat das Bild Panoramaformat. Die Kadrierung ist statisch, fest auf die Szene gerichtet, doch die Kamera bewegt sich dabei leicht, ohne zu zittern. Damit steht sie im Spannungsfeld zwischen Expression und Repression, zwischen dem Wunsch nach Bewegung und dessen Verhinderung.[4][3] Wir sehen „totalitäre Totalen – totalitär, weil ihnen nichts entgeht“.[15] Mungiu selbst hat die Verwendung der Handkamera damit begründet, dass es natürlicher wirkt, aber dass sie möglichst ruhig gehalten werden muss, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen. Mutu musste feste Einstellungen verwenden und durfte den Personen nicht nachschwenken, wenn sie das Bild verlassen.[8] Dass die Darsteller von außerhalb des Bildes sprechen suggeriert, dass sich das Leben dort fortsetzt, dass das Leben größer ist als der Film.[2]

Die Szenerie ist tagsüber „in ein bleiernes Licht getaucht, das jede Lebensregung zu verschlucken scheint.“[7] Als Otilia durch das unbeleuchtete Bukarest irrt, herrscht „stockfinstere rumänische Nacht, keine ‚amerikanische‘, wo milder Blauschleier auf den Schatten liegt“.[7] Ihre Angst bei diesem Gang verständlicher zu machen, ist für Mungiu mit ein Grund gewesen, den Fötus ins Bild zu bringen. Außerdem wäre es unehrlich gewesen, ihn nicht zu zeigen.[2] „Es ist, wenn es so etwas gibt, eine objektive Kameraeinstellung. Sie überlässt dem Zuschauer ein Bild, das er ganz allein, ohne moralische oder emotionale Gebrauchsanweisung aus dem Kino mitnehmen muss.“[16]

Herstellung und Rezeption

Finanzierung und Herstellung

Es handelt sich um den zweiten Spielfilm von Cristian Mungiu, der bei der Entstehung 39 Jahre alt war. Er schrieb zunächst ein Drehbuch aus mehreren Kurzgeschichten über die letzten Tage von Ceauşescus Herrschaft. Er gab es einigen Leuten zu lesen, die sein Buch als komödiantisch empfanden, was ihn erschreckte. Daher verfasste er ein dramatischeres Drehbuch. Einige Episoden des ersten Buchs überließ er anderen Filmemachern.[8][2] Die verwendete Fassung basiert auf den Erlebnissen einer Frau, die Mugiu ihre Geschichte erzählt hat. Er war davon sehr aufgewühlt und erkannte das Potential zu einem Film.[2] 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage ist der erste Teil einer geplanten Trilogie Erzählungen aus dem Goldenen Zeitalter. Das Goldene Zeitalter war ein Propagandabegriff Ceauşescus.

Zusammen mit Kameramann Oleg Mutu baute er eine eigene Produktionsfirma auf. Mit Kosten von 750.000 Euro wurde das Budget von 600.000 Euro deutlich überzogen. Der Film wurde fast vollständig von rumänischen Geldern finanziert, wobei das Budget etwa zur Hälfte aus der Siegerprämie in einem nationalen Drehbuchwettbewerb stammte.[8] Trotz des kontroversen Themas passierte der Film rasch die Förderinstanzen. Gemäß Mungiu würden die Drehbücher dort nicht gelesen, und man vertraute auf seien Ruf als früherem Cannes-Teilnehmer.[8] Die Hauptdarstellerinnen Anamaria Marinca und Laura Vasiliu sind für ihre Rollen eigentlich beide zu alt, aber Mungiu fand sie von allen antretenden Schauspielerinnen am überzeugendsten.[2] Geeignete, nach 20 Jahren nicht zu stark veränderte Drehorte fand man weniger im Zentrum als an der Peripherie Bukarests.[2] Die Dreharbeiten begannen im Januar 2007 und dauerten 32 Tage.[8] Das Team drehte chronologisch und auf 35mm-Film.[2] Am mühsamsten fand Mungiu die Szene mit dem Abendessen, da mehrere Schauspieler zu koordinieren waren;[2] zudem wurde ihm beim Dreh bewusst, dass es ans Letzte Abendmahl Christi erinnert und abgeändert werden muss.[8] Es gelang, das Werk rechtzeitig für Cannes fertigzustellen.

Die Goldene Palme und das rumänische Kino

Die Weltpremiere war am 17. Mai 2007 am Filmfestival von Cannes, wo das Werk den anwesenden Kritikern vom ersten Tag an trotz hervorragender Konkurrenz als Favorit für die Goldene Palme galt[14][17], die ihm auch zugesprochen wurde. Damit zeichnete die Jury zum ersten Mal in der Geschichte der Festspiele einen rumänischen Film mit dem Hauptpreis aus. Der Evangelische Pressedienst Film kommentiert, die Entscheidungen der Jury seien in den vergangenen Jahren oft faule Kompromisse gewesen, doch 2007 habe sie „den stärksten Film des sowieso schon starken Wettbewerbs ausgezeichnet“.[7][18] Regisseur Mungiu bedankte sich erfreut: „Es scheint so, dass man endlich keine großen Budgets mehr braucht und keine großen Stars für eine Geschichte, der alle Welt Gehör schenkt.“[19] Der Film erhielt auch den FIPRESCI-Preis der internationalen Filmpresse. Deutscher Kinostart war am 22. November 2007. Beim am 1. Dezember 2007 in Berlin vergebenen 20. Europäischen Filmpreis erhielt Mungius Regiearbeit die Preise für „Film“ und „Regie“ und war auch in den Kategorien „Drehbuch“ und „Beste Darstellerin“ (Anamaria Marinca) nominiert.

Das rumänische Kino war in der kommunistischen Ära völlig dem System unterworfen und künstlerisch bedeutungslos. Nach der Wende setzte zunächst ein quantitativer Niedergang ein. In der internationalen Wahrnehmung bildet sich im rumänischen Kino seit Ende der 1990er Jahre eine neue „Welle“ oder „Schule“, und 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage wird als stärkstes Beispiel für das Aufblühen des nationalen Films angesehen.[4][20][6] Kennzeichnend für diese Filme sei nebst ärmlichen Herstellungsbedingungen eine mit Düsternis gepaarte Ironie.[5][21] Als weitere markante Beispiele werden vor allem 12:08 östlich von Bukarest (2006) und Der Tod des Herrn Lăzărescu (2005) genannt.

Die Verwertung von 4 Monate in Rumänien traf auf schwierige Infrastrukturbedingungen. 2007 gab es im ganzen Land weniger als 50 Kinosäle; die häufigste Form des Filmeschauens ist zuhause auf dem Rechner. In einer einmaligen Aktion wurde der Film mittels einer mobilen Projektionsanlage aus Deutschland in 30 Tagen in 15 Städten gezeigt. Als Vorführstätten dienten Kulturhäuser und aufgegebene ehemalige Kinos; leicht gelangten dabei Staub und Dreck auf die Kopie. Viele der Zuschauer waren froh, sich den Film auf der Leinwand ansehen zu können. Die Vorführungen erreichten rund 18'000 Zuschauer.[22]

In der deutschen Presse hat 4 Monate fast ausschließlich positive Bewertungen erhalten, viele davon sind sogar begeistert. Die meisten Kritiker charakterisieren den Film als spannend und packend, einige greifen zu den Begriffen Horror und Thriller,[23] obwohl es sich um keinen Genrefilm handelt. Mehrfach wird die Vergabe der Goldenen Palme als völlig verdient bezeichnet.

Literatur

Kritikspiegel

  • Für Epd Film, die nur lobende Worte findet, ist das Werk „eine ebenso schlichte wie ergreifende Geschichte“ mit „genau durchkalkulierten“ Einstellungen.[7] Und: „Mungiu beweist ein erstaunliches Gespür dafür, wie sich gesellschaftliche Machtverhältnisse in Bilder umsetzen lassen.“[9]
  • Der film-dienst bewertet 4 Monate in einer positiven Besprechung als „sehenswert“: „Der Regisseur bedient sich betont minimalistischer Stilmittel, die adäquat und umso wuchtiger das latente Grauen des Alltags und die allgegenwärtige Unterdrückung zum Ausdruck bringen.“[5]
  • Die Süddeutsche Zeitung meint, der Film hätte die Goldene Palme allein schon für die Verhandlungsszene im Hotelzimmer verdient, die „einen erstarren lässt in Wut und Ohnmacht“. Er vermittle eine schreckliche, beklemmende Empfindung.[24]
  • Die Welt stellt die emotionale Spannung in den Mittelpunkt und meint, dass die Verleihung der Goldenen Palme unbestritten sei: „Selten hat in jüngster Zeit – trotz der Horrorfilmblüte – das Kino diesen Zustand so greifbar gemacht wie 4 Monate, und das völlig unspektakulär ohne Blut, Gewalt, Monster.[14]
  • Die taz ist beeindruckt, wie präzise das damalige Rumänien, die stickige, quälende Stimmung vermittelt werde: „Es ist ein Film, den man nicht mehr los wird, weil seine Bilder sich in unser Gedächtnis senken. Gerade in seiner Sachlichkeit und Nüchternheit entwickelt er eine emotionale Wucht, die den Zuschauer weder überwältigt noch überrollt, sondern nur gebannt auf die Leinwand starren lässt.“ Das Werk sei völlig zu Recht mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.[15]
  • Die Berliner Zeitung bedauert, dass deutsche Produktionen die DDR „auf Groschenheftniveau“ behandeln, und sieht in dem Film das Vorbild: „Die geistige Unabhängigkeit ist das Herausragende an diesem Film, am jungen rumänischen Kino überhaupt – sie ist die Bedingung für Genauigkeit, im Ästhetischen wie Historischen.“ Es sei ein „großer Film“ mit einer einfachen Handlung „von dramatischer Wucht.“ Zu Recht habe er die Goldene Palme erhalten. Und Hauptdarstellerin Marinca sei „überwältigend“.[25]
  • Die Neue Zürcher Zeitung ist überzeugt, dass das scheinbar Dokumentarische und Ungekünstelte einer ausgeklügelten inszenatorischen Strategie entspringe. Die Jury von Cannes sei klug; die Geschichte habe Wucht und die Atmosphäre sei stets stimmig, die Darsteller „hervorragend“ (Vlad Ivanov), „grossartig“ (Laura Vasiliu) und „beeindruckend“ (Anamaria Marinca).[26]

Weitere Publikationen

  • L’Avant-Scène Cinéma, Juni 2007 (französisch). 4 Monate bildet den Schwerpunkt der Ausgabe, mit Beiträgen mehrerer Autoren zum Werk, über die jüngere Geschichte des Landes, das rumänische Kino, Abtreibung im Film, einem Gespräch mit Cristian Mungiu sowie der vollständigen Abschrift des Films.

Einzelnachweise

  1. a b c Die Welt, 21. November 2007, S. 27
  2. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Cristian Mungiu im Gespräch mit L’Avant-Scène Cinéma, Juni 2007, S. 3–8
  3. a b c d e f g h Positif, Nr. 559, September 2007, Paris, S. 14−16
  4. a b c d e f g h i Cahiers du cinéma, Nr. 626, September 2007, S. 26–27
  5. a b c d filmdienst 24/2007 vom 22. November 2007, S. 20−21
  6. a b Frankfurter Rundschau, 22. November 2007: „Eine Frauensache“
  7. a b c d e f g h i j epd Film 11/2007, S. 38
  8. a b c d e f g h i j k l Cristian Mungiu im Gespräch mit Positif, September 2007, S. 17–21
  9. a b epd Film 7/ 2007, S. 13
  10. taz, 20. November, S. 15
  11. Le Monde, zit. in: L’Avant-Scène Cinéma, Juni 2007, S. 12
  12. a b Hamburger Abendblatt, 22. November 2007, S. 10
  13. Süddeutsche Zeitung, 11. Juli 2007, S. 11, und 22. November 2007, S. 12
  14. a b c Die Welt, 29. Mai 2007, S. 26−27
  15. a b taz, 22. November 2007: Ohne Gebrauchsanweisung. S. 17
  16. Die Zeit, Hamburg, 24. Mai 2007
  17. Die Presse, 29. Mai 2007: Das Jubiläumsjahr des Konsens
  18. epd Film 7/2007, Ein grosser Jahrgang. Die Filmfestspiele von Cannes in ihrem 60. Jahr, S. 13
  19. Spiegel Online, 27. Mai 2007: Goldene Palme für Rumänen Mungiu, Drehbuchpreis für Akin.
  20. Sight & Sound, Oktober 2007, London, S. 36–39; siehe auch Positif Nr. 551/ 2007; L’Avant-Scène Cinéma, Nr. 563, Juni 2007, Paris, ISBN 978-2-84725-057-2, S. 21–24; taz, 20. November, S. 15
  21. L’Avant-Scène Cinéma, Juni 2007, S. 21
  22. Dokumenatation von Sorin Avram, produziert von C. Mungiu, auf DVD-Ausgabe von Concorde Home Entertainment (2008), EAN 4010324026453
  23. so auch in der Süddeutschen Zeitung, 22. November 2007, und in Paris Match, zit. in: L’Avant-Scène Cinéma, Juni 2007, S. 12
  24. Süddeutsche Zeitung, 22. November 2007, S. 12: Tot sind alle sowieso
  25. Berliner Zeitung, 21. November 2007: Erinnerung an eine kalte Heimat. S. 23
  26. Neue Zürcher Zeitung, 15. November 2007, S. 49: Das Gefühl latenter Bedrohung
  27. Le Figaro, zit. in: L’Avant-Scène Cinéma, Juni 2007, S. 11