Komplexe Wechselstromrechnung
Die Komplexe Wechselstromrechnung wird in der Elektrotechnik angewendet um Verhältnisse von Strom und Spannung in einem Netzwerkmodell zu bestimmen. Hierzu werden sinus- bzw. kosinus-förmige Ströme bzw. Spannungen gleicher Frequenz vorausgesetzt, es wird dann nur noch mit Betrag und Phase gerechnet.
Allgemein
Die Bestimmung des Verhältnisses von Strom zu Spannung in einem elektrischen Stromkreis ist eine der Grundaufgaben der Elektrotechnik.
Wird die Spannung U vorgegeben und der Strom I bestimmt, so identifiziert man das Verhältnis U / I als den Widerstand R. Wird der Strom I vorgegeben und die Spannung U bestimmt, so identifiziert man das Verhältnis I / U als den Leitwert G.
Als (passive) Elemente des Stromkreises können ohmsche Widerstände, Induktivitäten oder Kapazitäten auftreten. Für diese Elemente gilt:
Ohmscher Widerstand (R): der Strom ist der Spannung proportional:
- .
Induktivität (L): die Stromänderung ist der Spannung proportional:
- .
Kapazität (C): die Spannungsänderung ist dem Strom proportional:
- .
Ist die vorgegebene Größe (Spannung respektive Strom) konstant, so ist die resultierende Größe nur bei rein ohmschen Stromkreisen ebenfalls konstant. Die angewendeten Verfahren der Berechnung sind dann die der Gleichstromrechnung.
Ist die vorgegebene Größe nicht konstant, oder ist der Stromkreis nicht rein ohmsch, so ist die Strom/Spannungsbeziehung kompliziert.
Ein Sonderfall liegt vor, wenn die vorgegebene Größe einen sinusförmigen periodischen Verlauf hat, z.B. der Strom sinusförmig ist (siehe Wechselstrom):
- .
Dabei ist |i| der Maximalwert, ω = 2 π f ist die Kreisfrequenz, φ ist die Phasenverschiebung der Wechselgröße.
Dann hat auch die sich einstellende Größe einen sinusförmigen, phasenverschobenen periodischen Verlauf, der sich allerdings in der Phasenlage und dem Amplitudenverhältnis mit der Frequenz (Periodendauer) verändert.
Die mathematische Behandlung diesbezüglicher Rechnungen erfolgt vorteilhaft unter Verwendung komplexer Zahlen, da diese die Lösung trigonometrischer Aufgaben wesentlich erleichtern.
Zeigerdiagramm
Im Zeigerdiagramm wird eine harmonische Schwingung (Sinusschwingung) durch einen um den Nullpunkt rotierenden Zeiger in der komplexen Ebene dargestellt, dessen Länge die Amplitude repräsentiert. Sein Realteil (Projektion auf die reelle Achse) ist die tatsächliche Messgröße, sie nimmt einen sinusförmigen Verlauf, während der Zeiger mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω umläuft.
Ohmscher Widerstand
Stellt man den Strom als Zeiger i und die Spannung als Zeiger u dar, so sind diese am ohmschen Widerstand stets in Phase. In komplexen Polarkoordinaten ist mit i = |i| ( cos φ + j sin φ ), kurz i = |i| E (φ) und u = |u| ( cos φ + j sin φ ) = ...
- und .
(Für die komplexe Einheit verwendet man in der Wechselstromlehre den Buchstaben j (mit j2 = - 1), um Verwechslungen mit i, das ist hier der Strom, zu vermeiden.)
Der Widerstand ist dann:
- .
Kondensator
Im Falle eines Kondensators ist i gegenüber u um +90° in der Phase verschoben.
- und .
Der Widerstand ist dann
- .
Da im Komplexen bei einer Division die Winkel subtrahiert werden, ist hierin
- .
Damit folgt
- .
Der (komplexe) Widerstand eines Kondensators wird also auf der negativen imaginären Achse abgetragen. Das Verhältnis der Beträge |u| / |i| hängt von der Frequenz f und der Kapazität C ab und ist
- .
2πf ist die Kreisfrequenz ω, sie entspricht der Winkelgeschwindigkeit des rotierenden Zeigers. Folglich ist
- .
Spule
Bei einer Spule läuft der Strom der Spannung um 90° nach, also
- und .
Entsprechend folgt dann
- .
Wegen
liegt der komplexe Widerstand einer Spule auf der positiven imaginären Achse:
- .
Für den Betrag gilt
- ;
also
- .
Die Wahl der vorgegebenen Größe hängt von der vorgelegten Aufgabe ab: Sind alle Bauelemente in Reihe geschaltet, so ist es zweckmäßig, den Strom vorzugeben, da man so für jedes Element, durch das derselbe Strom fließt, die angelegte Spannung bestimmen kann und dann alle Spannungen zusammenfasst. Sind jedoch alle Bauelemente parallel geschaltet, so wird man eine Spannung anlegen und den Strom durch die Elemente getrennt berechnen und dann addieren.
Ist die Schaltung eine Mischform, so ist man gezwungen, sie elementar zu zerlegen und jede Teilschaltung getrennt zu berechnen, bevor man sie wieder zusammensetzt.
Beispiel
An einer Reihenschaltung eines Widerstands R = 150 Ω und eines Kondensators C = 10 μF = 0,00001 F liegt eine Wechselspannung mit ω = 500 s-1.
Dann ist
- und .
Da sich die Widerstandswerte bei einer Reihenschaltung addieren, ist der Gesamtwiderstand
- .
Der Betrag des Gesamtwiderstandes (Impedanz) ergibt sich aus dem Satz von Pythagoras zu
- ,
Er ist also das Verhältnis der Beträge von Spannung und Stromstärke. Für die Phasenverschiebung φ zwischen Spannung und Strom in dieser Schaltung folgt
- .
Es ist zu beachten, dass die komplexe Wechselstromrechnung nur für den eingeschwungenen Zustand anwendbar ist, das heißt, das Anschalten und Ausschalten der periodischen Erregung wird durch diese Methoden nicht abgedeckt. Insbesondere kann sie keine Pulse oder Pulsfolgen behandeln.
siehe auch: Wechselstrom, Schwingkreis, Zeigerdiagramm, Smith-Diagramm