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Rechnungsprüfungskommission

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Vorlage:Schweizlastig Die Rechnungsprüfungskommission (RPK) ist eine Institution, welche auf allen politischen Ebenen des schweizerischen Staatswesen vorkommt. In der Regel ist sie für alle Anträge von finanzieller Tragweite an die Gemeindeversammlung, insbesondere den Voranschlag, die Jahresrechnung und Spezialbeschlüsse zuständig. Ein anderer Name für Rechnungsprüfungskommission könnte auch Revisionsstelle sein.

Sie erstattet jährlich, manchmal auch halbjährlich oder noch kürzer, Bericht und Antrag zu Handen der Legislative. Die Legislative sind auf Gemeindeebene die Gemeindeversammlungen oder Gemeinderäte (z.Bsp. in der Stadt Zürich), auf Kantonsebene das Kantonsparlament und auf Bundesebene der National- und Ständerat.

Sie klärt die finanzrechtlichen Zulässigkeiten, die finanzielle bzw. die wirtschaftliche Angemessenheit, die rechnerische Richtigkeit und die Vollständigkeit der Einnahmen/Ausgaben sowie der Belege ab. Sie kontrolliert in der Regel auch das Kassen- und Rechnungswesen einer Gemeinde.

Die detaillierten Kompetenzen sind auf Gemeindeebene in der Gemeindeverordnung geregelt.

Die RPK hat in der Regel eine Beratetende Funktion und ist auch unabhängig vom Gemeinderat (der Exekutive). Sie besitzt somit keine Weisungsbefugnis, darf aber jeder Zeit z. Hd. der Legislative intervenieren. Sie darf auch keine anderen Expertisen einbeziehen, sondern nur die vorliegenden Unterlagen auf deren Rechtmässigkeit überprüfen.

Da die RPK auch nur beschränkte eigene Kompetenzen hat, ist sie in der Regel auch nicht persönlich haftbar, sofern nach Gutem Wissen und Gewissen gehandelt worden ist.

Abgrenzung zu Rechnungshöfen

Unabhängige Kontrollorgane in der Form von Rechnungshöfen gibt es in den meisten Ländern. Ihre Funktion besteht in der Sammlung, Aufbereitung, Interpretation und Veröffentlichung von Informationen. Die Wirkung traditioneller Rechnungshöfe haben wir anhand der Staaten der USA untersucht, wo unterschiedliche Kontrollrechte bestehen. Dabei zeigt sich, dass starke Kontrollrechte der Rechnungshöfe, die neben der Prüfung der Buchhaltung auch die Evaluation von Politikmassnahmen einschliessen, in Kombination mit der direkten Volkswahl des Rechnungshofpräsidenten zu einer besseren Verwendung der staatlichen Mittel führen.

Traditionelle Rechnungshöfe informieren und kritisieren aber immer erst, nachdem die betreffenden Politikmassnahmen umgesetzt worden sind - also wenn die wichtigsten Entscheidungen bereits gefallen und die Ressourcen schon verbraucht sind. Zudem haben ihre Entscheidungsträger oft nur schwache und verzerrte Anreize zu einer wirksamen Kontrolle. Deshalb bleibt der Einfluss von Rechnungshöfen meist bescheiden. Dennoch sind die Vorschläge zur Reform dieser Gremien bis heute erstaunlich zahm. Sie zielen auf die Verfeinerungen der Buchprüfung und allenfalls auf eine verstärkte Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bereits durchgeführter Politikmassnahmen. Dabei werden Rechnungshöfe aber kaum als unabhängige politische Grösse verstanden. Zudem werden Eingriffe in den laufenden politischen Prozess zur Gestaltung von Entscheidungen nicht in Betracht gezogen.

Funktion der Rechnungsprüfungskommission in der Schweiz

Eine ganz neue Perspektive zur Rolle von Rechnungsprüfungsorganen liefert die Analyse lokaler Rechnungsprüfungskommissionen (RPK) in der Schweiz. In einigen Schweizer Kantonen übernehmen in Gemeinden mit Gemeindeversammlungen die lokalen RPK weit mehr als die traditionellen Aufgaben eines Rechnungshofs. Zuweilen können sie neben der Buchführung und der Geldverwendung auch den Budgetentwurf und Einzelgeschäfte vor der Abstimmung prüfen und die Prüfergebnisse in einem Bericht zuhanden der Bürger festhalten. Einige können auch Empfehlungen oder sogar Gegenvorschläge zuhanden der Gemeindeversammlung formulieren. Damit werden die RPK zu einer Art «Bürgerberater in Finanzfragen».

Diese Funktion ist eminent wichtig, weil Informationen zum Einfluss von Politikmassnahmen auf die öffentlichen Finanzen meist nur in ungenügender Weise bereitgestellt werden. Sparsamkeit und der effiziente Einsatz öffentlicher Gelder sind zwar allgemein erwünscht. Doch treten Politiker kaum für diese Ziele ein, da sie ein öffentliches Gut darstellen, von dem alle Politiker profitieren, auch wenn sie selbst keinen Einsatz dafür leisten. Daher verwenden Politiker ihre kostbare Zeit eher zur Vertretung gut organisierter Partialinteressen. Wegen dieser Anreiz-Asymmetrie kommen allgemeine Interessen wie Sparsamkeit und Effizienz in der Verwendung öffentlicher Gelder meist zu kurz. Wenn Politiker trotzdem einmal konkret die Verschwendung öffentlicher Ressourcen kritisieren, geraten sie leicht in den Verdacht, die Gelder nur für ihre eigene Klientel ergattern zu wollen oder gezielte Steuererleichterungen für ihre Anhänger zu suchen. Daher gilt es, Mechanismen einzuführen, die den Bürgern glaubwürdige und zuverlässige Information darüber bieten, wie sich Politikvorschläge und mögliche Alternativen auf die öffentlichen Finanzen auswirken. Nur so können die Bürger - und auch Politiker - bessere politische Entscheide treffen.

Genau diese Informationsleistung wird von unabhängigen, durch das Volk gewählten RPK auf kommunaler Ebene erbracht. Die starke und unabhängige Stellung der RPK gilt besonders für Gemeinden mit Gemeindeversammlung (also ohne Parlament). Die Mitglieder dieser RPK haben keine politischen Mitbestimmungs- oder Sanktionsrechte und können somit den politischen Prozess nur mit Empfehlungen und Informationen beeinflussen. Dies ist aber keine Schwäche, sondern vielmehr die Quelle ihrer Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. Der RPK werden so wirkungsvolle Anreize gegeben, die Regierungsvorschläge aktiv zu kritisieren und Gegenvorschläge zu erarbeiten. Sie politisieren dabei aber viel konstruktiver als Parteien und Politiker, die in der Opposition sind. Weil die RPK-Mitglieder nicht direkt mit der Regierung im Wettbewerb um die Regierungsmacht stehen, sondern wieder in die RPK gewählt werden wollen, können sie ihre Wahlchancen - im Gegensatz zur Opposition - durch eine konstruktive Politik verbessern.

Einfluss auf Steuer und Abgaben

Wirken sich diese vorteilhaften Kontrollanreize auch messbar auf die Steuern und Ausgaben aus? In einer Studie haben wir analysiert, wie sich die Unterschiede in der Ausgestaltung der kommunalen RPK auf die Gemeindefinanzen in den 26 Kantonen sowie den rund 700 grössten Schweizer Gemeinden niederschlagen. Dazu massen wir die in der kantonalen Gemeindegesetzgebung vorgegebene Stärke der kommunalen RPK und hielten in einem Indikator fest, ob die RPK vor der politischen Entscheidung das Budget, den Steuerfuss und die Einzelgeschäfte analysieren, dazu Stellung nehmen und konkrete Änderungsanträge zuhanden der Bürger machen kann.

In statistischen Analysen erweist sich die Stärke der RPK als zentraler institutioneller Faktor. Gemäss den Ergebnissen hat die Stärke der RPK einen signifikanten und ökonomisch höchst relevanten Einfluss auf die Steuer- und Ausgabenhöhe. Vergleicht man Kantone mit einer starken Stellung der RPK (die den Bürgern in Finanzfragen beratend zur Seite steht) mit Kantonen mit schwacher RPK (die ähnlich wie ein Vereinsrevisor nur die Buchhaltung prüft), findet man eine rund 15% bis 20% tiefere Steuer- und Ausgabenlast in Kantonen mit starken RPK. Dabei wird in den statistischen Untersuchungen der Einfluss möglichst vieler anderer Einflussfaktoren berücksichtigt, etwa das Ausmass der direkten Volksrechte und der Gemeindeautonomie, das Volkseinkommen, die Bevölkerungsgrösse, die Arbeitslosen-, Kinder-, und Rentnerquoten, die Stärke der politischen Parteien, topografische Gegebenheiten und vieles mehr.

Zudem überprüfte man differenzielle Hypothesen, die den kausalen Einfluss von RPK weiter untermauern. Beispielsweise legt die Theorie nahe, dass mit zunehmender Bevölkerungsgrösse die Stärke der RPK einen bedeutenderen Einfluss haben sollte, weil die finanzpolitischen Fragestellungen komplexer werden und das Kontrollproblem grösser wird. Auch diese Hypothese wird durch unsere empirischen Ergebnisse gestützt. Zudem untermauern Resultate zum Einfluss von RPK auf andere Masse, wie die Einkommensverteilung oder die Wanderungssaldi in den Gemeinden, unsere Hypothesen. Unabhängige, vom Volk gewählte Rechnungsprüfungsorgane mit einem umfassenden Prüfmandat erweisen sich für die Bürger als sehr hilfreich in finanzpolitischen Fragen und sie sind für den besseren Umgang mit den knappen öffentlichen Ressourcen äusserst wertvoll.[1]

Referenzierung

  1. Eichenberger, Reiner und Mark Schelker (2007): Was macht direkte Demokratie noch besser? Unabhängige Rechnungsprüfungskommissionen in: Markus Freitag, Uwe Wagschal (Hg.): Direkte Demokratie – Bestandsaufnahmen und Wirkungen im internationalen Vergleich. Münster: LIT: 385-417 (Policy-Forschung und Vergleichende Regierungslehre, 3)