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Wilhelm Raabe

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Wilhelm Raabe (Pseudonym: Jakob Carvinus), (* 8. September 1831 in Eschershausen; † 15. November 1910 in Braunschweig), Erzähler des deutschen Realismus, gesellschaftskritische Erzählungen, Novellen und Romane.

Wilhelm Raabe wurde am 8. September 1831 als Sohn eines Justizbeamten in der kleinstädtischen Idylle von Escherhausen im Weserbergland geboren. Nach einer Buchhandelslehre versuchte er vergeblich das Abitur nachzuholen. Er gehört zu den wichtigsten Autoren des poetischen Realismus in Deutschland.

In den fast fünfzig Jahren zwischen dem 15. November 1854, als sein erster Roman Die Chronik der Sperlingsgasse erschien und dem abgebrochenen Roman Altershausen im Jahre 1902 schrieb Raabe nicht weniger als 86 Romane, Erzählungen und Novellen. Da Raabe ausschließlich von seinen Einkünften als Schriftsteller lebte, war er zu dieser hohen Produktivität gezwungen. Das Spektrum seines Werks rangiert von großen, realistischen Romanen und meisterhaften Novellen bis hin zu alltäglicher Unterhaltungsliteratur. Die Popularität seines Erstlings Die Chronik der Sperlingsgasse erreichte kein anderes von Raabes Büchern, die jedoch ihr Publikum fanden. Erst in den 1890er Jahren wurde einigen Titeln wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Während dieses Aufschwungs wurde er auch einige Male öffentlich geehrt, obwohl er selbst sich bereits als gestorbener Schriftsteller betrachtete. In seinen letzten acht Lebensjahren legte Raabe seine Feder nieder und unternahm einige Reisen.

Zu seinen Werken

Raabe beobachtete besonders stark die irreparablen Risse zwischen Altem und Neuem, zwischen Geborgenheit und technischer Industrialisierung, welche auf Kosten der Natur und der Seele vordrang und er als sehr schmerzlich empfand. Mit seinem unbestechlichen Blick für das wirkliche Leben sieht er auch die dunklen Seiten des Daseins. Mit dieser Gabe nimmt er die Haltung eines Realisten und als solcher auch die des Pessimisten ein. Trotzdem existierte in seinem Geiste eine Welt, die über der schrecklichen Realität stand. Zwar wusste er, dass dies nur eine schöne Illusion war, doch dieser helle Stern im dunklen des Himmels des Lebens, gab ihm die Kraft und Energie sich in den Fluten des Schlechten über Wasser zuhalten. Die Helle und die Leuchte des geistlichen Stern empfing Raabe als ein Strahl von Glück. In diesem Grundzug spiegelt sich auch Raabes Humor. In keinem seiner Bücher kann der Leser ab einer bestimmten Szene laut lachen. Stattdessen überwindet er den Pessimismus mit einem stillen und schmerzlichen Lächeln eines Weisen.

In Raabes Gesamtwerk kommt ein guter Teil der Geschichte der deutschen - auch der dunklen - Vergangenheit vor, zumal der Krieg. Dabei gelingt es ihm, durch die Einführung von realen Menschen und deren Schicksalen seine Werke gegenwärtig zu machen. Doch durch Kunstgriffe der Erzählperspektive und des Stils hält er einen Abstand, der Beobachtung an Stelle von Erschütterung erlaubt.

Viele Betrachtungen und Abschweifungen, auch die zu seiner Zeit unauffälligere Fülle der Zitate (von der Antike bis zum zeitgenössischen Volksmund) erschweren uns heutzutage das Lesen von Raabes Werken. Es scheint bisweilen, als hätten seine Texte keinen Aufbau und als würden wichtige Zusammenhänge fehlen. Doch gerade diese arbeitete er mir größter Sorgfalt und Feinheit heraus.

Die Wertungen von Raabes Dichtungen haben sich in der letzten Zeit etwas verschoben, wobei der Grund für die späte Aufmerksamkeit einiger seiner Werke auch bei ihm selbst zu finden ist. Er selbst urteilte nämlich sehr hart über einige seiner früheren Werke, die er zum Teil als Jugendquark bezeichnete. Während früher die so genannte „Trilogie“ als Hauptwerk galt, wird heute anderen Erzählungen und Romanen den Vorzug gegeben (unter anderem „Stopfkuchen“, „Horacker“, „Odfeld“, „Hastenbeck“, „Die Akten des Vogelsangs“).

Neben diesen Romanen schrieb Raabe auch zahlreiche Erzählungen, die meist auf einem geschichtlichen Hintergrund basieren. Jede dieser Arbeiten zeigt die unglücklichen Menschen mitten in der Widerwärtigkeit des Lebens. Trotzdem findet jedoch der helle Stern am dunklen Himmel jedes Mal wieder einen Platz in seinen Erzählungen. Dennoch war Raabe kein Mensch der Idylle, sondern vielmehr ein erbitterter Kritiker seiner Zeit.

Wilhelm Raabes eigene kleine Biographieskizze

1906 schrieb Wilhelm Raabe eine kleine biographische Skizze, lehnte aber die Bitte nach einer Selbstbiographie ab:

"Ich bin am 8. September 1831 zu Eschershausen im Herzogtum Braunschweig geboren worden. Mein Vater war der damalige "Aktuar" am dortigen Amtsgericht, Gustav Karl Maximilian Raabe, und meine Mutter Auguste Johanne Frederike Jeep, die Tochter des weiland Stadtkämmerers Jeep zu Holzminden. Meine Mutter ist es gewesen, die mir das Lesen aus dem Robinson Crusoe unseres alten Landsmanns aus Deensen, Joachim Heinrich Campe beigebracht hat. Was ich nachher auf Volks- und Bürgerschulen, Gymnasien und auf der Universität an Wissenschafte zu erworben habe, heftet sich alles an den lieben feinen Finger, der mir ums Jahr 1836 herum den Punkt über dem i wies. Im Jahr 1845 starb mein Vater als Justizamtmann zu Stadtoldendorf und zog seine Witwe mit ihren drei Kindern nach Wolfenbüttel, wo ich das Gymnasium bis 1849 besuchte. Wie mich danach unseres Herrgotts Kanzlei, die brave Stadt Magdeburg, davor bewahrte, ein mittelmäßiger Jurist, Schulmeister, Arzt oder gar Pastor zu werden, halte ich für eine Fügung, für welche ich nicht dankbar genug sein kann.

Ostern 1854 ging ich nach einem Jahr ernstlicher Vorbereitung nach Berlin, um mir auch "auf Universitäten" noch etwas mehr Ordnung in der Welt Dinge und Angelegenheiten, soweit sie ein so junger Mensch übersehen kann, zu bringen. Im November desselben Jahren begann ich dort in der Spreegasse die "Chronik der Sperlingsgasse" zu schreiben und vollendete sie im folgenden Frühling. Ende September 1856 erblickte das Buch durch den Druck das Tageslicht und hilft mir heute noch neben dem "Hungerpastor" im Erdenhaushalt am meisten mit zum Leben. Denn für die Schriften meiner ersten Schaffensperiode, die bis zu letzterwähnten Buche reicht, habe ich `Leser` gefunden, für den Rest nur `Liebhaber`, aber mit denen, wie ich meine, freilich das allervornehmste Publikum, was das deutsche Volk gegenwärtig aufzuweisen hat."

Einige seiner Werke

Literatur

  • Denkler, Horst: Wilhelm Raabe. Legende - Leben - Literatur. Niemeyer 1989
  • Webster, William (Hrsg.): Wilhelm Raabe. Briefe 1842-1870. Erich Schmidt Verlag Berlin, 2004, ISBN: 3-503-06191-6

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