Zum Inhalt springen

Sadomasochismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. März 2005 um 19:01 Uhr durch 134.76.60.234 (Diskussion) (Termini). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Sadomasochismus ist eine sexuelle Vorliebe, die sich auf das Zufügen oder Erleiden von Macht, Schmerzen, Demütigungen oder Freiheitsbeschränkungen richtet.

Einleitung

Sadomasochismus ist ein Begriff der Humanwissenschaften, der eine besondere sexuelle Präferenz beschreibt. Im Sinne von Medizin und Psychologie handelt es sich um eine sexuelle Präferenzstörung oder Paraphilie (siehe unten). Im Sinne der Soziologie liegt ein abweichendes Verhalten vor. Dieses ist häufig subkulturell organisiert. Kernpunkte des subkulturellen Sadomasochismus sind Freiwilligkeit und Einvernehmlichkeit der Partner und die erotische Komponente, dadurch kann er von sexueller Gewalt unterschieden werden. Der Begriff wurde 1913 von Isidor Isaak Sadger geprägt.

Ausdruck dieser ethischen Grundlagen sind die unter Sadomasochisten weitverbreiteten Mottos safe, sane, and consensual (SSC, zu Deutsch sicherheitsbewusst, mit klarem Verstand und einvernehmlich) und risk aware consensual kink (RACK, sinngemäß etwa Risikobewußtsein, Eigenverantwortung und Einvernehmlichkeit). Allerdings gibt es auch Sadomasochisten, die ihre Wünsche nicht real ausleben, sondern auf die Fantasie beschränken. Auch gibt es, wie auch bei Sadismus und Masochismus sehr wenige Personen, die ihre Wünsche als persönlichkeitsfremd und krankhaft bewerten und im klinischen Sinn behandlungsbedürftig sind. Es gibt Überlagerungen mit anderen sexuellen Präferenzstörungen. Sadomasochismus kommt bei homosexuellen wie auch heterosexuellen Männern, Frauen und Transgendern vor.

Begriffe

In der Sprache der Klassifikationssysteme medizinischer Diagnosen wird von Störungen der Sexualpräferenz inklusive Paraphilie (ICD-10: F65.5) nur dann gesprochen, wenn die sadomasochistische Aktivität die hauptsächliche Quelle sexueller Erregung ist oder für die sexuelle Befriedigung unerlässlich ist. Außerdem dann, wenn die oder der Betroffene selbst seine sexuellen Vorlieben ablehnt und unter deren Vorhandensein leidet.

In der Sprache des subkulturellen Sadomasochismus wird der beherrschende, aktive oder sadistische Partner als der Top bezeichnet. Der passive Partner wird Bottom genannt. Eine Person die sowohl Gefallen an der Rolle als Top, als auch an der Rolle als Bottom findet wird Switch genannt. Ein reales SM-Spiel wird als Session bezeichnet. Von einer Scene wird gesprochen, wenn - analog zum Begriff Szene in einem Film - ein mehr oder weniger detailliert abgesprochener Ablauf vollzogen wird. Um einen Weg aus einem sadomasochistischen Spiel, das aus dem Ruder zu laufen droht, zu erlauben, wird häufig ein Safeword vereinbart, das einem verbalen oder nonverbalen Abbruchcode entspricht. Von einem Absturz wird gesprochen, wenn einer der Partner in einer Session in eine emotionale Krise gerät und negative Gefühle durchlebt, die für ihn nicht mehr zu den gewünschten und im weitesten Sinne erotisierbaren Bestandteilen einer Session gehören. Abstürze sind nicht das Ziel einer normalen SM-Session. Ein Absturz kann entstehen, wenn z.B. ein Partner sich ernsthaft unwohl fühlt, die Session aber nicht rechtzeitig abbricht. Abstürze passieren häufig dem passiven Partner, kommer aber auch bei Tops vor. Innerhalb von SM-Beziehungen gibt es eine Reihe von Unterscheidungen; hier einige Beispiele: Von einer 24/7-Beziehung spricht man, wenn das Machtverhältnis zwischen Top und Bottom zu jedem Zeitpunkt ihrer Beziehung Bestand hat, also auch über einzelne SM-Sessions hinaus hat. Eine Spielbeziehung bedeutet, dass sich die Beziehung ausschließlich auf SM-Spiele beschränkt; dies kommt relativ häufig vor, falls sich Partner finden, die mangels Interesse an einer festen Beziehung oder weil sie keinen Partner gefunden haben, mit dem sie in einer festen Beziehung leben können, dennoch ihre SM ausleben wollen. Ein Ehesklave bzw. eine Ehesklavin ist ein Masochist, der mit seinem dominanten Partner verheiratet ist. Ein Sklavenvertrag ist ein schriftliches Dokument, das die Beziehung zwischen den Partnern regelt; diese Idee hat bereits Leopold von Sacher-Masoch in seinem Buch Die Venus im Pelz aufgegriffen. Solche Verträge haben lediglich symbolische Bedeutung, sie sind juristisch gesehen sittenwidrig und können daher nicht rechtlich eingeklagt werden. Eine allgemeingültige Definition für die obengenannten Begriffe gibt es nicht; die hier aufgeführten Definitionen stellen nur eine Lesart dar.

Rollenverteilung und deren Akzeptanz in der Szene

Wie die die Rollen Aktiv/Passiv/Switch unter Sadomasochisten verteilt sind, lässt sich nicht exakt bestimmen, unter anderem auch deshalb, weil sich die Zahl der SMler nicht erfassen lässt. Darüber hinaus fehlt eine eindeutige und von allen Smlern anerkannte Definition der Begriffe: Ist ein Top, der einmal eine passive Phantasie auslebt, bereits ein Switch, oder noch Top? Wie groß muß der Anteil an aktiven Phantasien sein, um aus einem Bottom einen Switch zu machen? Ist ein Switch, der derzeit nur aktiv spielt, bereits ein Top, auch wenn er immmer noch passive Phantasien hat? Zudem unterliegen Neigungen auch Stimmungschwankungen oder können sich Laufe des Lebens ändern.

Ein Szenensprichwort sagt: Die besten Tops waren früher einmal Subs. Gemeint damit ist, dass es im Laufe eines SM-Lebens eine persönliche Entwicklung auch zum Rollenverständnis und den praktizierten Techniken gibt. Ein Top, der früher einmal Sub war bzw. Switcher ist, hat auf Grund seiner eigenen Erfahrungen eine sehr klare Vorstellung davon, wie seine Aktionen auf den Sub wirken. Viele würden einen Top, der früher Sub ware, allerdings als Switcher bezeichnen.

Bei einigen SMlern herrscht Unverständnis gegenüber Switchern, das in Einzelfällen bis zu Anfeindungen gehen kann. Auch aus diesem Grund lässt sich die Rollenverteilung unter Sadomasochisten nicht eindeutig bestimmen: Passive Neigungen werden manchmal verschwiegen aus der Befürchtung, vor solchen Leuten das Gesicht zu verlieren.

Umgekehrt sehen andere SMler misstrauisch auf alle, die von sich felsenfest behaupten, 100prozentig Top zu sein und niemals andere Fantasien zu haben.

SM-Lesben stoßen innerhalb des politisierten lesbischen Umfeldes ebenfalls auf Ablehnung, da SM mit männlicher Gewalt gegenüber Frauen assoziiert wird.

Geschichte

Sadomasochismus wird heute öffentlich weitgehend als besondere Neigung oder sexuelle Spielart bewertet. Einige Sexualwissenschaftlern und Psychologen erklären sadomasochistische Fixierungen mit tiefenpsychologischen Erklärungsmodellen als Perversion. Die psychiatrischen Klassifikationssysteme führen den Sadomasochismus zwar auf, als Diagnose spielt er aber in der psychiatrischen Versorgung heute praktisch keine Rolle. Wissenschaftlich und klinisch ist eine klare Unterscheidung zwischen Personen geboten, die aufgrund einer schweren psychischen Abnormität oder Störung real sadistisch und damit kriminell handeln, einerseits und konsensuellen Sadomasochisten andererseits, die eine partnerschaftliche Beziehung gestalten. Die Rolle der Einvernehmlichkeit wurde dabei vernachlässigt und ist erst seit den 1970er Jahren ins Blickfeld der Sexualwissenschaften geraten. Bestimmte Richtungen der Psychoanalyse tun sich bis heute jedoch schwer, diese nicht-wertende Unterscheidungen nachzuvollziehen. Sowohl von der Sexualwissenschaft als auch von Seiten der Psychoanalyse wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts Theorien über den Ursprung sadomasochistischer Wünsche formuliert (Misshandlungen in der Kindheit, Vergewaltigung, eine retardierte sexuelle Entwicklung), die sich nur aus individuellen Fallgeschichten ableiten.

Rechtslage

Deutschland

Mit gegenseitigem Einverständnis ist partnerschaftlicher Sadomasochismus in Deutschland im Regelfall nicht strafbar. Nach § 228 StGB handelt derjenige, der eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Am 26. Mai 2004 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Sadomasochismus als sexuelle Spielart nicht an sich sittenwidrig ist, und damit § 228 StGB gilt. Allerdings ist die Grenze zur Sittenwidrigkeit laut BGH auf jeden Fall überschritten, wenn "bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird." In dem Grundsatzurteil wurde ein Mann, der seine Partnerin auf deren Wunsch gewürgt und schließlich versehentlich erwürgt hatte, wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge lehnte das Landgericht ab, da die Tat mit Einwilligung des Opfers geschehen sei.

Österreich

In Österreich könnten sadomasochistische Praktiken als Körperverletzung geahndet werden, da die Einwilligung seitens des Opfers wahrscheinlich durch die Sittenwidrigkeit des Aktes ausgehebelt wird. Rechtssicherheit besteht nicht, da es kaum Präzedenzfälle gibt.

Schweiz

- hier muss noch was hin -

Großbritannien

Das britische Strafrecht kennt keine Einwilligung in Körperverletzung, entsprechende Handlungen sind auch einvernehmlich unter Erwachsenen illegal, diese Rechtslage wird auch durchgesetzt. Dies führt zu der etwas skurrilen Situation, daß Großbritannien und insbesondere London als Weltzentrum der eng verwandten Fetischismus-Szene gelten, es aber für die BDSM-Szene fast ausschließlich private und keine mit der deutschen „Playparty“-Szene vergleichbaren Veranstaltungen gibt. Dieser Umstand wird z. B. in dem Film „Preaching to the Perverted“ (1997, IMDB-Eintrag, Homepage des Films) komödiantisch gelungen aufs Korn genommen.

USA

- hier muss noch was hin -

Rezeption

Durch eine gesteigerte Medienberichterstattung seit ungefähr Mitte der 1990er-Jahre sind Elemente des Sadomasochismus popularisiert worden – sowohl schwarze Lederbekleidung als auch sexuelle Spiele wie Fesseln und Dominanz-Rollenspiele.

Die Schätzungen über die Prävalenz sadomasochistischer Vorlieben in der Bevölkerung reichen von 5 bis 25 %, je nach der Art der Fragestellung. Repräsentative Erhebungen belegten bei heterosexuellen Personen ein Vorkommen sadomasochistischer Praxis bei etwa 3 Prozent, bei homosexuellen Personen um 15 Prozent (mit einer klaren starken Präferenz um 3 Prozent).

in der Literatur

In der Literatur ist Sadomasochismus ein Dauerbrenner und hat einige Klassiker hervor gebracht, z.B. Die Geschichte der O von Anne Declos (alias Dominique Aury, alias Pauline Réage), Justine von Marquis de Sade, Die Venus im Pelz von Sacher-Masoch oder die Cult Comics von Eric Stanton, in Anspielungen auch im King Ping Meh. Als Kuriosum zu erwähnen ist Marthas Brief an Leopold Bloom in Ulysses von James Joyce. Auch in "Elf Minuten" von Paulo Coelho wird das Thema angeschnitten.

Film

In jüngerer Zeit findet SM Einzug in die normale Filmlandschaft (z.B. Tokio Dekadenz, Preaching to the perverted oder Secretary, wobei Die flambierte Frau Anfang der 80er Jahre noch für Schlagzeilen gesorgt hat). Modeschöpfer entleihen ebenfalls seit einigen Jahren Ideen aus der SM-Szene.

Trotz des steigenden Interesses der Medien an SM ist die Darstellung oft einseitig und konzentriert sich mehr auf die extremen (Lustmord) und die glamourösen Aspekte (SM-Parties), statt tatsächlich über das Thema zu informieren. Als eine Art Gegenbewegung leisten immer mehr engagierte Sadomasochisten Öffentlichkeitsarbeit nach dem Vorbild der Homosexuellen, die auch Jugendarbeit einschließt.

Siehe auch

Literatur

  • Matthias T. J. Grimme: Das SM-Handbuch. Charon-Verlag 2002, ISBN 3931406016. (Ein eher technisches Handbuch mit Schwerpunkten bei der Erklärung von Praktiken und Sicherheitshinweisen.)
  • Kathrin Passig und Ira Strübel: Die Wahl der Qual. Rowohlt-Verlag 2004, ISBN 3499616920. (Ein eher informatives Buch, das für Leute geeignet ist, die sich erstmalig mit der Thematik auseinander setzen wollen. Es ist auch geeignet, wenn man nicht weiß, was man von Sadomasochisten halten soll.)
  • Thomas A. Wetzstein, Linda Steinmetz, Christa Reis: Sadomasochismus, Szenen und Rituale. Rowohlt TB-Verlag 1993, ISBN 3499196328 (Wissenschaftlicher Versuch, sich dem Thema SM zu nähern.)
  • Arne Hoffmann: Lexikon des Sadomasochismus von Arne Hoffmann. Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004, ISBN 3896022903. (400-seitiges alphabetisches Nachschlagewerk.)
  • Sadomasochisten und ihre Subkulturen. A.Spengler, Campus-Verlag, Frankfurt 1979

Deutschsprachige nicht-kommerzielle Webseiten zum Thema