Walter Ulbricht
Walter Ernst Paul Ulbricht (*30. Juni 1893 in Leipzig, †1. August 1973 am Döllnsee nördlich von Berlin) war deutscher Kommunist (erst KPD später SED), Politiker und Staatsmann sowie Staatsratsvorsitzender der DDR.
Leben
Walter Ulbricht war gelernter Tischler. Bereits 1908 trat er dem Arbeiterjugendbildungsverein Alt-Leipzig bei, 1912 wurde er Mitglied der SPD. Während des 1.Weltkrieges wurde er in verschiedenen Staaten Europas eingesetzt.
Im Jahr 1917 trat er der USPD bei, einer Abspaltung der SPD. Während der Novemberrevolution 1918 war Ulbricht Mitglied des Soldatenrates seines Korps. Nach seiner Rückkehr nach Leipzig nahm er 1919 an der Gründung der KPD teil, für die er von 1926 bis 1929 im sächsischen Landtag saß. Ab 1928 war er auch Mitglied des Reichstags und kurz darauf auch im Zentralkomitee (ZK) seiner Partei.
Nach der Machtübernahme durch die NSDAP 1933 führte er die Arbeit der KPD in der Illegalität weiter. Er wurde daher bald steckbrieflich gesucht und emigrierte nach Paris. Nach Arbeit in Paris und Prag zog er nach Moskau, wo er nach Ausbruch des 2. Weltkrieges beim deutschsprachigen Programm von Radio Moskau arbeitete. In Kriegsgefangenenlagern und an der sowjetischen Front betreute er deutsche Soldaten und versuchte sie für den Aufbau eines deutschen Staates im Sinne der KPD zu gewinnen. So war er 1943 Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) in der UdSSR, ein Aktionsbündnis von Menschen, die gegen den Faschismus kämpfen wollten.
Am 30. April 1945 kehrte Ulbricht mit der so genannten Gruppe Ulbricht in das zerstörte Deutschland zurück und organisierte den Wiederaufbau der KPD und 1946 deren Vereinigung mit der SPD zur SED in der Sowjetischen Besatzungszone (siehe Vereinigungsparteitag).
Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurde er stellvertretender Vorsitzender im Ministerrat unter dem Vorsitzenden Otto Grotewohl. 1950 folgte die Ernennung zum Generalsekretär des ZK der SED, 1953 zum Ersten Sekretär des ZK der SED. 1960 wurde er Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates und Vorsitzender des neu geschaffenen Staatsrates und somit Staatsoberhaupt der DDR, nach dem Tode Wilhelm Piecks.
Am 13. August 1961 begann unter seiner Führung der Bau der Berliner Mauer. Dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag 1968 und somit der Niederschlagung des Prager Frühlings stand Ulbricht positiv gegenüber.
Gegen die tiefgreifende Beschäftigung mit Erscheinungen des Stalinismus und Personenkults verwahrte sich Ulbricht, da er seine Position gefährdet sah. Innerparteiliche Kritiker wie Karl Schirdewan, Ernst Wollweber, Fritz Selbmann, Fred Oelßner, Gerhard Ziller u.a. wurden ab 1958 unnachgiebig als Fraktionsbildner diffamiert und kaltgestellt.
Ulbrichts versuchte seit 1963 zusammen mit seinem Wirtschaftsberater Dr. Wolfgang Berger mit dem Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung (NÖSPL), später kurz Neues Ökonomisches System (NÖS) eine eher marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftspolitik mit selbständigeren volkseigenen Betrieben. Dies blieb allerdings weitgehend erfolglos, da die SED den Verlust ihres Einflusses in der Wirtschaft befürchtete. Eines seiner besonderen Steckenpferde war die wissenschaftliche Leitung der Wirtschaft und Politik mittels "Kybernetik" und Elementen der Psychologie und Soziologie. Theoretisch sah er den Sozialismus nicht als kurze Übergangsphase zum Kommunismus, sondern als eine "relativ selbständige sozialökonomische Formation in der historischen Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus im Weltmaßstab." Außerdem begründete er den Begriff der sozialistischen Menschengemeinschaft, nach der sich die Klassen und Schichten im Sozialismus schon weitgehend auflösten; der Begriff wurde nach seinem Tod fallen gelassen. Nach Streitigkeiten mit Teilen der Parteiführung im Bereich der Wirtschafts- und Außenpolitik 1970 kam es zur Schwächung seiner Position in der Partei. 1971 wurde er gezwungen, "aus gesundheitlichen Gründen" von fast allen seinen Ämtern zurückzutreten, und - nach vorheriger Abstimmung mit den sowjetischen Genossen - von Erich Honecker abgelöst. Ulbricht behielt das dann einflusslose Amt des Vorsitzenden des Staatsrates bis an sein Lebensende. Außerdem erhielt er das neu geschaffene Ehrenamt des "Vorsitzenden der SED".
Er starb während der X. Weltfestspiele 1973 im Gästehaus der Regierung der DDR am Döllnsee. Die Weltfestspiele wurden aber nicht beendet sondern nur unterbrochen; Walter Ulbricht soll auf einer Weiterführung bestanden haben. Schon kurz nach seinem Tod wurde sein Name aus der DDR-Geschichtsschreibung weitgehend entfernt und jahrzehntelang totgeschwiegen.
Walter Ulbricht war zweimal verheiratet: ab 1920 mit Martha Schmellinsky und ab 1953 mit Lotte Kühn (*19. April 1903 in Rixdorf, †22. März 2002). Das Paar hatte eine Adoptivtochter Beate aus der Sowjetunion, die sich jedoch problematisch entwickelte. Sie starb verwahrlost nach der Wende 1992 in Berlin.
Siehe auch: Ulbricht-Doktrin
Bekannte Zitate
- Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben. (1945)
- Stalin ist kein Klassiker des Marxismus. (1956) (nachdem noch einen Monat zuvor genau das Gegenteil behauptet wurde)
- Die Wahrheit ist doch die: Die DDR wird bis 1961 auf allen wichtigen Gebieten der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Konsumgütern Westdeutschland einholen und zum Teil übertreffen. (August 1959; bekannt unter der Kurzformel: Einholen und Überholen später abgeändert in die Parole Überholen ohne Einzuholen)
- Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. (15. Juni 1961, zwei Monate vor dem Mauerbau)
- Ich bin der Meinung, Genossen, mit der Monotonie des Yeah, Yeah, Yeah, und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen. (...) Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen? (1965 auf dem 11. Plenum des ZK der SED gegen die westliche Rockmusik gerichtet).
- In der Welt hat sich herumgesprochen, dass das "deutsche Wunder", das sich in unserer Republik ereignet hat, nicht einfach ein "Wirtschaftswunder" ist, sondern vor allem in der großen Wandlung der Menschen besteht. Aber noch sind wir bei weitem nicht am Ende des Weges zur sozialistischen Menschengemeinschaft. (1969)
- Jeder Mann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport. Ulbricht war bis ins hohe Alter u.a. begeisterter Tischtennisspieler
Johannes R. Becher dichtete über Ulbricht zu dessen 65. Geburtstag:
Geliebt bist Du vom Volk, vom Volk geehrt;
Seht, welch ein Leben, wahrhaft lebenswert,
Das seine Kraft an alle weitergibt -
Geehrt bist Du vom Volk, vom Volk geliebt.
Direkte Nachfolger
- Erich Honecker als Parteichef
- Willi Stoph als Staatsratsvorsitzender
- Horst Sindermann als Vorsitzender des Ministerrates
Siehe auch
Literatur
- Lotte Ulbricht, Mein Leben. Selbstzeugnisse, Briefe und Dokumente, 2003, Verlag Das Neue Berlin, ISBN 3360009924
- Wolfgang Leonhard, Die Revolution entläßt ihre Kinder, 1955, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 3462018027
- Erich W. Gniffke, Jahre mit Ulbricht, ISBN 3804687539
- Dr. Mario Frank, Walter Ulbricht. Eine deutsche Biografie, 2000, Siedler-Verlag, ISBN 3-88680-720-7
Weblinks
Personendaten | |
---|---|
NAME | Ulbricht, Walter |
ALTERNATIVNAMEN | Ulbricht, Walter Ernst Paul |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Kommunist (erst KPD später SED), Politiker und Staatsmann sowie Staatsratsvorsitzender der DDR |
GEBURTSDATUM | 30. Juni 1893 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 1. August 1973 |
STERBEORT | Döllnsee bei Berlin |