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Poetenseminar

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Poetenseminare waren in der DDR von der FDJ organisierte Schreibseminare für Jugendliche von 14 bis 26 Jahren. Neben Poetenseminaren in verschiedenen Bezirken gab es das einwöchige Zentrale Poetenseminar der FDJ, das von 1970 bis 1989 jährlich im Sommer in Schwerin stattfand. Die Teilnehmer - etwa 120 - wurden durch einen landesweiten, themen- und gattungsoffenen Schreibwettbewerb ausgewählt. Sie wurden nach Literaturgattung (Lyrik, Prosa, Dramatik, Liedermacher) auf Seminargruppen verteilt, die von erfahrenen Autoren oder Literaturwissenschaftlern geleitet wurden. Die Seminararbeit konzentrierte sich auf Schreibübungen und Diskussion von Teilnehmertexten. Daneben gab es Lesungen, Filme und Vorträge zu literaturtheoretischen, politischen oder historischen Themen. Einen breiten Raum nahm der freie Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern ein. Während des Seminars erschien eine eigene Werkstattzeitung ("Rote Feder"). Jährlich erschien ein Poetenseminar-Sonderheft in der Lyrikreihe "Poesiealbum" des Verlags Neues Leben (Auflage 10000 Stück), das oftmals die erste Veröffentlichungsmöglichkeit für Nachwuchsautoren war. Die Poetenseminare waren ein Teil der Kulturpolitik der DDR, zu der eine breite Förderung der Volkskunst und Nachwuchsförderung gehörten. Da die Arbeit des Schriftstellers als eine politische begriffen wurde, wurde Wert auf politische Bildung gelegt. Der Schwerpunkt der Poetenseminare lag jedoch auf literarischen Themen.

Wertung

Es ist umstritten, ob die Poetenseminare dem Staat dazu dienten, sich staatstreue Dichter heranzuziehen (und diese auch unter Kontrolle zu halten) oder wirklich die Literatur zu fördern. Es ist davon auszugehen, dass sich in der Institution Poetenseminar die Ambivalenz des Staates DDR zu seinen Künstlern widerspiegelte.

Unzweifelhaft aber bildeten sich - unabhängig vom Wollen des Staates oder von den Absichten des Zentralrats der FDJ - informelle Strukturen junger Schreibender, die auch über die Woche in Schwerin hinaus Bestand hatten. Für viele bedeutete zudem die Veröffentlichung in der Literaturzeitschrift TEMPERAMENTE (erschien seit 1976 zweimal, später viermal im Jahr) oder in den Sonderheften der Reihe Poesiealbum (Lyrikreihe) zum Poetenseminar die erste offizielle Möglichkeit zur Publikation in der DDR.

In den damaligen Bezirken der DDR gab es zudem bezirkliche Poetenseminare.

Veröffentlichungen über die zentralen Poetenseminare der FDJ

Innerhalb der legendären DDR-Reihe "Poesiealbum" im Verlag Neues Leben: "Poesiealbum. Sonderheft Poetenseminar": 1971, 1972, 1979, 1980, 1981, 1982, 1983, 1970-1984, 1985, 1986, 1987, 1988, 1989.

Böhm, Waltraud (Hrsg.): Hoch zu Ross ins Schloss - 15 Jahre Poetenbewegung der FDJ, Verlag Neues Leben, Berlin 1986

Reiprich, Siegfried: Der verhinderte Dialog. Meine politische Exmatrikulation; eine Dokumentation. - Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin 1996, S. 76

Biskupek, Matthias: Pfähle in der Sommerwiese, Feature, MDR 1997

Reitel, Axel: Junge Poeten zum Lernen gebeten - Die zentralen Poetenseminare der FDJ, Feature, DRB 2005

Reitel, Axel: Pegasus, gegängelt, "hoch oben, / tief in die Knie", in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat Nr.19/2006, S.61-70

Reitel, Axel: Die Poetenpolizei. Kontrolle muß sein — Die Schweriner FDJ-Seminare für Nachwuchsdichter, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat Nr. 22/2007

siehe auch

Zirkel schreibender Arbeiter

Literaturinstitut Johannes R. Becher

Teilnehmer an den Poetenseminaren des Zentralrats der FDJ

  • Edwin Kratschmer [Gründer der DDR-weiten Welle schreibender Jugendlicher, Seminarleiter beim 1. zentralen Poetenseminar in Schwerin 1970]
  • Hannes Würtz †2006
  • Gabriele Eckart
  • Petra Werner
  • Jutta Schlott
  • Fritz Martin Baber
  • Michael Berg
  • Gabriele Berthel
  • Helga Eckert
  • Wolfgang Erdmann
  • Christina Fischer
  • Jürgen Fuchs
  • Dietmar Gabriel
  • Wolfgang Grahl
  • Renate Gröbe
  • Gerline Herzog-Mothes
  • Dieter Hochmuth
  • Renate Holz
  • Uwe Klabunde
  • Reinhard Kraetzer
  • Hans-Gerd Krampitz
  • Hannelore Kühnel
  • Thomas Luthardt
  • Peter Reckfeld
  • Dieter Schnappauf
  • Friedemann Schreiter
  • Joachim Wiesigel
  • Jens Sparschuh
  • Hartmut Pache
  • Lutz Rathenow
  • Bernd Markowsky
  • Siegfried Reiprich
  • Udo Scheer
  • Wolfgang Hinkeldey
  • Richard Pietraß
  • Undine Materni
  • Uli Kolbe
  • Gisbert Amm
  • Gerald Höfer
  • Udo Degener
  • Matthias Biskupek
  • Michael Richter
  • Kathrin Schmidt
  • Lutz Seiler
  • Henry-Martin Klemt
  • Iris-Gabriela Hirst
  • Frank Viehweg
  • Dirk Heiland
  • Alexander Ruika
  • Thomas Wilke
  • Brigitte Struzyk (Seminarleiterin)
  • Mathilde Dau (Seminarleiterin)
  • Reinhard Weisbach (Seminarleiter) †1978
  • Grit Lemke
  • Gerald Lehmann
  • Leokadia Kuhn

Poetenseminare heute

Poetenseminare wurden nach der Wende wieder neu aufgelegt. Heutzutage sind sie frei von staatlicher Führung und werden beispielsweise von Vereinen organisiert.

Poetenseminar in Mecklenburg-Vorpommern

U.a. wird vom Literaturhaus Rostock seit 2000 jährlich ein Poetenseminar im Bücherhotel Groß Breesen organisiert, in denen jungen Talenten aus M-V die Möglichkeit gegeben wird, sich über Erfahrungen auszutauschen und ihre literarischen Fähigkeiten unter professioneller Leitung zu vervollkommnen.

Die Initiative zu diesem Projekt ging von dem Literaturwissenschaftler Dr. Wolfgang Gabler aus, der auch als Seminarleiter fungiert. Um an den Veranstaltungen teilnehmen zu können, müssen sich die jungen Autoren (18-35 Jahre) mit eingereichten Manuskripten bewerben. Anschließend werden aus diesen Bewerbungen von Dr. Gabler und einem weiteren Betreuer zehn Schriftsteller ausgewählt, die an den Seminaren teilnehmen können.