Transzendente Zahl
Definition
Eine komplexe Zahl heißt transzendent, wenn sie nicht als Lösung einer algebraischen Gleichung beliebigen (endlichen) Grades
für n ≥ 1 mit ganzzahligen Koeffizienten auftreten kann, wobei nicht alle ak = 0 sein dürfen. Insbesondere wird an ≠ 0 verlangt. Andernfalls handelt es sich um eine algebraische Zahl. Jede transzendente Zahl ist überdies irrational.
Geschichtliche Entwicklung des Transzendenzbegriffs
Joseph Liouville konnte 1873 als Erster die Existenz transzendenter Zahlen beweisen und war imstande, mittels seiner konstruktiven Beweismethode explizite Beispiele zu liefern. In seiner Arbeit, in der er zeigen konnte, dass für jede rationale Approximation p/q einer algebraischen Zahl eine natürliche Zahl n existiert, so dass
stellte er die nach ihm benannte transzendente Liouville-Konstante
vor.
In einem nichtkonstruktiven Beweis konnte Georg Cantor 1874 nicht nur abermals die Existenz einer Menge transzendenter Zahlen beweisen, sondern gleichzeitig Aussagen über deren Mächtigkeit treffen. Nach seinem Resultat folgt aus der Abzählbarkeit der algebraischen Zahlen und der Überabzählbarkeit von für die Menge der transzendenten Zahlen
wobei die Mächtigkeit von ist. Dieses kuriose Resultat, nämlich dass eine echte Teilmenge von die gleiche Mächtigkeit haben kann wie selbst, konnte Cantor durch die Benutzung von Bijektionen erklären.
Beweis des Liouvilleschen Approximationssatzes
Theorem: Ist zm = pm/qm mit zm → z für m → ∞ eine approximierende Folge der algebraischen Zahl z vom Grad n, dann gilt:
Sei z eine algebraische Zahl vom Grad n > 1, die
erfüllt. Weiterhin sei zm = pm/qm eine Folge von rationalen Zahlen mit zm → z für n → ∞.
Dann erhalten wir
Nun teilen wir beide Seiten der Gleichung durch zm - z und benutzen die algebraische Identität
Es ergibt sich also
Da |zm - z| < 1 für ausreichend großes m gilt, können wir folgende grobe (aber vollkommen ausreichnede) Abschätzung machen:
M ist eine Konstante, da wir z als feste Zahl angenommen haben. Wenn wir jetzt m so groß wählen, dass in zm = pm/qm der Nenner qm > M ist, erhalten wir die Ungleichungskette
Wenn wir zur Abkürzung p für pm und q für qm schreiben, dann ist
Nun kann die Zahl zm keine Nullstelle des Polynoms f sein, denn sonst könnte man (x - zm) aus f(x) ausklammern. Daraus würde aber im Widerspruch zu unserer Annahme folgen, dass z einer Gleichung genügen würde, deren Grad < n wäre. Daher ist f(zm) ≠ 0. Aber der Zähler von (1) ist eine ganze Zahl, also mindestens gleich 1. Somit ergibt sich durch Kombination von (1) und (2):
Beispiele für transzendente Zahlen
- π = 3,1415926... Die Transzendenz von π, welche durch Carl Louis Ferdinand von Lindemann bewiesen wurde, ist auch der Grund für die Unlösbarkeit der Quadratur des Kreises.
- e = 2,71828..., die Eulersche Zahl, deren Transzendenz 1873 von Charles Hermite bewiesen werden konnte.
- ea für algebraisches a ≠ 0. Siehe auch Satz von Lindemann-Weierstrass.
- . Allgemeiner konnte Aleksandr Gelfond 1934 zeigen: Ist 0 ≠ a ≠ 1, a algebraisch, b algebraisch und irrational, dann ist ab eine transzendente Zahl. Dies ist eine Teillösung von Hilberts siebtem Problem. Ob der obige Satz auch für transzendente b wahr ist, blieb bisher ungeklärt.
- sin(1)
- ln(a) für rationales positives a ≠ 1
- Γ(1/3) und Γ(1/4) (siehe Gammafunktion)
- bezeichnet hierbei die Gaußklammerfunktion.
Verallgemeinerung
Im Kontext allgemeiner Körpererweiterungen L/K betrachtet man ebenfalls Elemente in L, die algebraisch oder transzendent über K sind. Siehe dazu Algebraisch.
Literatur
P. Bundschuh Zahlentheorie. Heidelberg, Springer 1998, 4. Aufl., ISBN 3-540-43579-4 (bietet einen einführenden Überblick zum Thema "transzendente Zahlen" an)