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Kündigungsschutz

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Unter Kündigungsschutz versteht man gesetzlich festgelegte Regelungen, die die Kündigung eines Vertrags verhindern oder erschweren.

Kündigungsschutz findet vor allem im Miet-, Versicherungsvertrags- und Arbeitsrecht Anwendung. Des Weiteren kann das Familienrecht (Eherecht) als „Kündigungsschutz“ angesehen werden, da auch hier persönliche, verhaltensbedingte und faktische Gründe (Trennung über ein Jahr bzw. über 5 Jahre) die Voraussetzung zur „Kündigung“ darstellen.

Kündigungsschutz im deutschen Mietrecht

  • Auch hier müssen persönliche (Bruch des Vertrauensverhältnisses – hier schon durch Bildung eines Mieterrates), verhaltensbedingte Gründe zur außerordentlichen Kündigung und Bedarfsgründe (Eigenbedarf, Verwertung) zur ordentlichen Kündigung vorliegen.
  • Weiterhin kann der Mieter sich auf die Sozialklausel berufen, wenn gesundheitliche Gefährdung oder Obdachlosigkeit durch die Kündigung droht, oder durch eine Behinderung geeigneter barrierefreier Ersatzwohnraum nicht beschaffbar ist. Hierbei hat das Vermieterinteresse Vorrang, da das Grundgesetz zwar ein Recht auf Eigentum, nicht aber ein Recht auf Obdach gewährt. Andersartige denkbare Gesetzesänderungen wären somit nicht verfassungskonform und würden vom Bundesverfassungsgericht kassiert.
  • Bei Wohnungsknappheit oder Schwierigkeit bei der Ersatzwohnungsbeschaffung kann jeder Mieter – auch nicht sozial schwache – eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO beantragen. In der Regel werden 3–7 Monate zuzüglich zur Kündigungsfrist nach BGB gewährt. Dies liegt allerdings im freien Ermessen des Richters. Ein Rechtsanspruch auf eine relevante Räumungsfrist besteht nicht.

Kündigungsschutz im deutschen Versicherungsrecht

Hier sind ausschließlich außerordentliche Gründe zur wirksamen Kündigung seitens des Versicherers zugelassen, wie Zahlungsrückstand und versuchter Versicherungsbetrug. Somit ist für den Versicherer in der Regel eine Kündigung des Vertrages nicht möglich, d. h. es liegt hier ein vollständiger Kündigungsschutz vor.

Der vollständige Kündigungsschutz liegt auch bei den Versicherten vor, die sich von der Versicherungspflicht befreien ließen und auf ein günstigeres Angebot auf dem freien Versicherungsmarkt eingegangen sind.

Kündigungsschutz im schweizerischen Arbeitsrecht

Die Kündigung von Arbeitsverträgen ist im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) geregelt.

Kündigung bei befristetem Arbeitsverhältnis

Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung durch Zeitablauf (OR 334 Abs. 1).Es besteht keine Kündigungsfrist.

Kündigung bei unbefristetem Arbeitsverhältnis

  • während der Probezeit (die Probezeit kann bis zu sechs Monate dauern) beträgt die Kündigungsfrist 7 Tage (OR Art. 335b)
  • im ersten Dienstjahr beträgt die Kündigungsfrist einen Monat
  • im zweiten bis neunten Dienstjahr beträgt die Kündigungsfrist zwei Monate
  • nachher beträgt die Kündigungsfrist drei Monate (OR 335c Abs. 1)

Grundsätzlich kann schriftlich vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist abgeändert wird. Sie muss aber, außer bei Gesamtarbeitsverträgen und im ersten Dienstjahr, mindestens einen Monat betragen (OR 335c Abs. 2). Unterschiedlich lange Kündigungsfristen für den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind in der Regel nicht zulässig (OR 335a).

Für die Kündigung ist in jedem Fall die Schriftform vorgeschrieben. Auf Verlangen ist dem Gekündigten eine schriftliche Begründung der Kündigung auszuhändigen (OR 335 Abs. 2) dazu BGE 116 II 145

Missbräuchliche Kündigung (OR 336)

Eine Kündigung von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite ist missbräuchlich, wenn sie aus folgenden Gründen ausgesprochen wird:

  • wegen einer persönlichen Eigenschaft, welche keinen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis hat (z. B. Hautfarbe)
  • wenn die Kündigung nur ausgesprochen wurde, um die Entstehung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln
  • wenn eine Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht

Folgen einer missbräuchlichen Kündigung

Pflicht zur Zahlung eines Schadenersatzes, welcher maximal sechs Monatslöhne beträgt. Die Höhe wird durch das Gericht festgelegt. Für den Arbeitnehmer ist das arbeitsgerichtliche Verfahren kostenlos.

Kündigungsschutz (OR 336c)

Dem Arbeitnehmer darf nicht gekündigt werden

  • bei Militärdienst oder Zivildienst sowie vier Wochen vorher und nachher
  • während (unverschuldeter) Krankheit oder bei Unfall im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, im zweiten bis fünften Dienstjahr während 90 Tagen und ab dem sechsten Dienstjahr während 180 Tagen. Anschließend ist eine Kündigung ohne weiteres möglich.
  • während der Schwangerschaft sowie 16 Wochen nach der Geburt
  • während der Arbeitnehmer an einer Hilfsleistung im Ausland teilnimmt, sofern diese Hilfsleistung durch eine Bundesbehörde angeordnet wurde und der Arbeitgeber zugestimmt hat.

Eine Kündigung zu diesen Zeiten ist nichtig. Erfolgte die Kündigung vorher, so wird die Kündigungsfrist unterbrochen.

Fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Ein Arbeitsverhältnis kann durch Vereinbarung, d. h. wenn sich beide Parteien einig sind, jederzeit aufgelöst werden (analog OR 115). Im Weiteren wird das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Hinterbliebenen noch einen Monatslohn, nach fünf Dienstjahren zwei Monatslöhne auszahlen (OR 338). Bei einer (sofortigen) Freistellung wird der Arbeitnehmer von sämtlicher Arbeitspflicht entbunden, erhält aber bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist den vereinbarten Lohn weiterhin ausbezahlt.

Eine fristlose Kündigung ist zulässig bei einem wichtigen Grund, wobei ein wichtiger Grund dann gegeben ist, wenn nach Treu und Glauben das Weiterführen des Arbeitsverhältnis nicht mehr zugemutet werden kann. (OR 337) Die Gerichtspraxis hat folgende Sachverhalte als wichtige Gründe eingestuft: Begehung eines Verbrechens, Illoyalität (z. B. Konkurrenzierung des Arbeitgebers), falschen Angaben bei der Stellenbewerbung, Unkorrektheiten (z. B. wiederholte Unpünktlichkeit trotz Abmahnung), Drohung (z. B. ein Betriebsgeheimnis zu verraten).

Kommentar

Gewerkschaften können mit den Arbeitgebern Gesamtarbeitsverträge aushandeln, welche den Arbeitnehmern bessere Konditionen einräumen als die gesetzlichen Regelungen. Besondere Bedingungen bestehen auch für Angestellte der Bundesverwaltung (Bundespersonalgesetz). Obwohl bzw. gerade weil der Arbeitnehmerschutz im Vergleich zu umliegenden Staaten eher schwach ausgebildet ist, beträgt die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt nur etwa 2–3 %. Ebenfalls sind Streiks und Arbeitskämpfe eher selten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die so genannten Sozialpartner, sind in den meisten Fällen bemüht, Arbeitskonflikte durch Verhandlungen gütlich beizulegen. Diese Sozialpartnerschaft hat Tradition; sie wurde in den 1930er Jahren als Reaktion auf den bevorstehenden 2. Weltkrieg geschaffen und hat sich bis heute bewährt. Allerdings hat die Gewerkschaft UNIA 2005 und 2006 öfters die Sozialpartnerschaft gebrochen und nach Meinung von Kritikern unnötig Arbeitsplätze und Unternehmen gefährdet. Eine weitere Besonderheit des schweizerischen Arbeitsrechtes ist es, dass bei Massenentlassungen kein gesetzlicher Anspruch auf einen Sozialplan besteht. Wenn ein solcher trotzdem angeboten wird, so geschieht das auf freiwilliger Basis oder (bei solventen Arbeitgebern) auf mehr oder weniger sanften Druck der Gewerkschaften bzw. der öffentlichen Meinung.

Kündigungsschutz im deutschen Arbeitsrecht

Der Kündigungsschutz im deutschen Arbeitsrecht erschwert Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Es kann zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Kündigungsschutz unterschieden werden.

Allgemeiner Kündigungsschutz

Der allgemeine Kündigungsschutz besteht darin, dass der Gesetzgeber zunächst nur bestimmte Kündigungsgründe als zulässig normiert hat. Aus § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG ergibt sich, dass nur personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe eine Kündigung rechtfertigen können. Jeder andere Kündigungsgrund führt zur Unwirksamkeit der Kündigung[1].

Weiterhin wurde für betriebsbedingte Kündigungen ein besonderes Auswahlverfahren bestimmt, das den Arbeitgeber zwingt, unter mehreren Arbeitnehmern, die betriebsbedingt gekündigt werden können, diejenigen auszuwählen, die aufgrund ihrer sozialen Situation am wenigsten durch die Kündigung belastet werden[2]. Als Auswahlkriterien hat der Gesetzgeber die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und der Grad der Behinderung der Arbeitnehmer bestimmt, § 1 Abs. 3 KSchG[3].

Schließlich hat die Rechtsprechung je nach Kündigungsart verschiedene Voraussetzungen für die Kündigung entwickelt. Vor verhaltensbedingten Kündigungen – ordentlich oder außerordentlich – ist es in der Regel erforderlich, dass der Arbeitnehmer wegen eines vergleichbaren arbeitsvertragswidrigen Verhaltens eine Abmahnung erhalten hat[4]. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass eine verhaltensbedingte Kündigung nicht Sanktion des Arbeitgebers ist, sondern er sich durch die Kündigung vor weiterem Fehlverhalten schützt. Ob ein weiteres Fehlverhalten zu erwarten ist, kann erst dadurch festgestellt werden, dass der Arbeitnehmer, obwohl er bereits abgemahnt wurde, das Fehlverhalten ein weiteres Mal an den Tag legt[5]. Bei personenbedingten Kündigungen, insbesondere krankheitsbedingten Kündigungen, ist es in der Regel erforderlich, dass der Arbeitgeber erhebliche Fehlzeiten wegen der selben Erkrankung darlegt und weiterhin eine begründete und belegte negative Prognose für den zukünftigen Krankheitsverlauf abgibt[6]. Bei betriebsbedingten Kündigungen hat der Arbeitgeber eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung darzulegen, die zu Arbeitsplatzabbau führt[7]. Diese wird allerdings von den Gerichten nicht auf ihre Sinnhaftigkeit, sondern lediglich auf ihr Vorliegen hin überprüft[8].

Neben diesem sich aus dem KSchG ergebenden Kündigungsschutz existieren weitere allgemeine Regelungen, durch die Kündigungen ausgeschlossen werden. Zu nennen ist das sogenannte „Maßregelungsverbot“, § 612a KSchG BGB, nach dem eine Kündigung unwirksam ist, wenn sie wegen der Wahrnehmung berechtigter Interessen des Arbeitnehmers erfolgt, beispielsweise wegen seines gewerkschaftlichen Engagements im Betrieb[9]. Eine Sonderregelung bildet in diesem Zusammenhang das Verbot der Kündigung wegen eines Betriebs- oder Betriebsteilüberganges, § 613a Abs. 4 BGB, das vergleichbar ist mit dem mietrechtlichen Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“, § 566 BGB.

Schließlich existieren gesetzliche Regelungen, die im weiteren Sinne einen Kündigungsschutz bilden. Dazu zählt beispielsweise das Schriftformerfordernis für Kündigungen, § 623 BGB, die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, nach der eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis über den Kündigungsgrund ausgesprochen werden darf, oder das Beteiligungserfordernis des Betriebsrates, das bei Nichtbeachtung eine Kündigung unwirksam werden lässt, § 102 Abs. 1 BetrVG.

Als (Kündigungs-)Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitgebers können richterrechtlich entwickelte Ansprüche auf Schadensersatz bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist[10] oder das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung bei außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitnehmer (z.B. wegen Nichtzahlung des Arbeitsentgelts)[11] angesehen werden. Diese Ansprüche folgen jedoch vorwiegend allgemeinen Vertragsgrundsätzen und dienen weniger dem allgemeinen Schutz des Arbeitgebers vor unberechtigten Kündigungen seiner Arbeitnehmer.

Besonderer Kündigungsschutz

Über den allgemeinen Kündigungsschutz hinaus hat der Gesetzgeber die Kündigung bestimmter Personengruppen ausgeschlossen oder erschwert, die als besonders schutzbedürftig gelten[12]. Folgende Regelungen sind beispielsweise zu nennen:

Einschränkungen des Kündigungsschutzes

In bestimmten Bereichen wurde der Kündigungsschutz vom Gesetzgeber als unangemessen oder zu belastend für die Arbeitgeber angesehen, so dass er insbesondere in den letzten Jahren Einschränkungen erfahren hat[13]. Grundsätzlich gilt das Kündigungsschutzgesetz erst ab einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten, § 1 Abs. 1 KSchG. Vor Ablauf dieser sechs Monate ist der Arbeitgeber fast gänzlich frei in seiner Kündigungsmöglichkeit. Diese Wartezeit bildet praktisch eine gesetzlich normierte Probezeit[14].

Weiterhin gilt das Kündigungsschutzgesetz (in Deutschland) aufgrund der sogenannten „Kleinbetriebsklausel“ nur in Betrieben mit mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, § 23 KSchG. Die Regelung dieses "Schwellenwertes" für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert. Ursprünglich galt ein Schwellenwert von mindestens sechs im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern - unabhängig von der Dauer ihrer Arbeitszeit. Eine Änderung dieses Schwellenwertes erfolgte zuerst im Jahre 1996 durch die CDU/CSU/FDP-Regierung gegen den Willen der Opposition in Form des Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftiungsförderungsgesetz) vom 25.9.1996, BGBl. I 1476. Der Schwellenwert wurde auf mehr als zehn Arbeitnehmer heraufgesetzt, wobei Teilzeitbeschäftigte nach einem bestimmten Schlüssel nur anteilig berücksichtigt wurden.

Diese Regelung wurde von der SPD/Grüne-Regierung ab dem 01.01.1999 wieder aufgehoben und durch die ursprüngliche Regelung ersetzt. Im Rahmen der "Agenda 2010" wurde dann jedoch ab dem 01.01.2004 wieder der höhere Schwellenwert eingeführt, so daß im Ergebnis die Regelung aus dem Jahr 1996 übernommen wurde. Eine Übergangsregelung bestimmt, daß für Arbeitnehmer, die vor dem 01.01.2004 im Betrieb beschäftigt waren, die ursprüngliche Regelung gilt.

Darüber hinaus ist auch die Sozialauswahl dahingehend erleichtert worden, dass zum einen Leistungsträger nicht in die Sozialauswahl mit einbezogen werden müssen und zum anderen auch ältere Arbeitnehmer zu Gunsten einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb stärker in die Sozialauswahl mit einbezogen werden können, vgl. § 1 Abs. 3 KSchG. Schließlich bildet die Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen im Ergebnis einen Ausschluss des Kündigungsschutzes. Insbesondere die Möglichkeit, kalendermäßige Befristungen ohne sachlichen Grund zu vereinbaren, § 14 Abs. 2 TzBfG, lässt den Kündigungsschutz während der Dauer der Befristung faktisch leerlaufen[15].

Kündigungsschutz und AGG

Die Diskriminierungsverbote des europäischen Rechts, insbesondere das Verbot der Altersdiskriminierung treten heute neben die hergebrachten Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung und der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung. Welchen Einfluss diese Diskriminierungsverbote genau haben werden, ist noch nicht absehbar und sorgt zurzeit für eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit.

Auseinandersetzung um den Kündigungsschutz

Der Kündigungsschutz ist seit der Einführung des Kündigungsschutzgesetzes im Jahre 1951 Gegenstand einer kontrovers geführten Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Ursache dieser Auseinandersetzung liegt darin, dass der allgemeine Kündigungsschutz durch die gegensätzlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien gekennzeichnet ist. Der Arbeitnehmer besitzt ein hohes Interesse daran, seinen Arbeitsplatz als wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht zu verlieren, eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit zu erlangen, der Arbeitgeber wird durch den Kündigungsschutz in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit eingeschränkt und mit Kosten belastet[16]. Wie sich aus dem Wortlaut des § 1 KSchG ergibt, bildet die Frage der „sozialen Rechtfertigung“ einer Kündigung den Kern der Auseinandersetzung. Schon dieser Begriff der sozialen Rechtfertigung weist darauf hin, dass der Gesetzgeber Bezug zum Sozialstaatsprinzip nimmt[17]. Aus dem Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, ergibt sich die Notwendigkeit eines – wie auch immer ausgestalteten – Kündigungsschutzes[18]. Dieser schränkt jedoch die unternehmerische Handlungs- und Gestaltungsfreiheit ein und bildet deshalb einen Widerspruch zu der Berufsfreiheit des Arbeitgebers, Art. 12 GG, zur Eigentumsfreiheit, Art. 14 GG und zu seiner allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG. Betroffen ist jedoch auch die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, zu der auch die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung zählt[19].

Dieses Spannungsfeld lässt sich nicht auflösen, es wird jedoch durch die jeweiligen gesetzlichen Regelungen zum Ausgleich gebracht[20]. Ein „mehr“ an Kündigungsschutz führt unmittelbar zu einem „weniger“ an unternehmerischer Freiheit und zu einer höheren Kostenbelastung der Arbeitgeber und umgekehrt[21]. Die Frage der Ausgestaltung des Kündigungsschutzes bildet daher die Frage, welches Interesse wie hoch zu bewerten ist. Diese Frage wird naturgemäß von den unterschiedlichen Interessengruppen unterschiedlich beantwortet. Dabei wird auf vielen unterschiedlichen Ebenen mit stark unterschiedlichen Ansätzen argumentiert. Die Auseinandersetzung wird in wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher familiärer oder privater Hinsicht geführt, je nach dem, aus welchem Interessenbereich die Argumente vorgetragen werden. Ein Argument für oder gegen den Kündigungsschutz bildet daher immer auch ein Argument für oder gegen die Interessen von Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmern.

Vor- und Nachteile eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes

Vorteile

Folgende Argumente werden für den Kündigungsschutz nach deutscher Regelung angeführt:

  • Soziale Stellung: Ein Kündigungsschutz soll die schwächere Vertragspartei schützen sowie eine soziale Sicherheit für eine geregelte Arbeitsstelle garantieren.
  • Es entstehen für beide Seiten (Arbeitgeber wie Arbeitnehmer) eine längerfristige Planbarkeit und größere soziale Stabilität.
  • Eine Lockerung oder Abschaffung des Kündigungsschutzes könnte zu mehr Verunsicherung bei den Arbeitnehmern führen. Aus Angst um ihre finanzielle Zukunft könnte die Binnennachfrage stark geschwächt werden.
  • Bei stabilen Vertragsverhältnissen haben die Arbeitgeber ein größeres Interesse daran, in berufliche Fortbildungen der Mitarbeiter zu investieren. Insgesamt ergibt sich hieraus ein größeres Angebot an qualifizierten Arbeitskräften.
  • arbeitsrechtliche Kündigungen, die personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt begründet sind, lässt das deutsche Kündigungsschutzgesetz zu. Dieses Gesetz verhindert also keine begründete Kündigung, sondern schützt lediglich die Arbeitnehmer/innen vor Willkür seitens des Arbeitgebers. Beispiel: Sekretärin erhält die Kündigung, nachdem sie sexuelle Avancen ihres Chefs zurückweist; das Kündigungsschutzgesetz macht derartige Kündigungen unwirksam, um Nötigung und Erpressung zu verhindern.
  • Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen: Durch die Einschränkung des Lohnwettbewerbs verschieben sich die Handlungsoptionen zugunsten von Prozess- und Produktverbesserungen der Unternehmen.
  • Die durchschnittliche Dauer des Arbeitsverhältnisses steigt, es verringert sich die Häufigkeit der Betriebswechsel. Damit fallen weniger Kosten für die Personalbeschaffung und -qualifizierung an. Ebenso verringert sich der Aufwand für die Arbeitsvermittlung.

Nachteile

Folgende Argumente werden gegen den Kündigungsschutz nach deutscher Regelung angeführt:

  • Unternehmen warten länger mit Einstellungen bis diese unvermeidbar sind bzw. bis ein vorteilhafteres Chancen-Risiko-Verhältnis gegeben ist (Risiken hier z. B. Weiterbeschäftigungspflicht trotz verschlechterter Auftragslage; andererseits Risiko des Nichtausschöpfens des Marktpotentials bei zu wenig (oder überlasteten) Mitarbeitern). Schwankungen der Auftragslage werden stattdessen durch Mehrarbeit (Überstunden) und Kurzarbeit aufgefangen, was die Kosten für die Arbeitgeber erhöhen kann (z.B. durch Überstundenzuschläge). Dies führt zu höherer Arbeitslosigkeit.
  • Hohe Arbeitsgerichtskosten: Je rigider der Kündigungsschutz, desto wahrscheinlicher ein Arbeitsgerichtsverfahren im Falle einer Kündigung. Damit erhöhen sich die impliziten Kosten eines jeden Arbeitnehmers. Daher schlagen Befürworter eines liberaleren Kündigungsschutzrechts vor, Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu ermöglichen, beim Abschluss eines Arbeitsvertrages im Rahmen der Vertragsfreiheit auf ein Arbeitsgerichtsverfahren zu verzichten und stattdessen Abfindungszahlungen zu vereinbaren. Diese Möglichkeit wurde bereits in das deutsche Kündigungsschutzgesetz übernommen.
  • Kündigungsschutz als Standortfaktor: Multinationale Unternehmen könnten möglicherweise eher in Staaten mit geringem Kündigungsschutz Stellen schaffen als in Staaten mit hohem Kündigungsschutz.
  • Kündigungsschutz führt zur Weigerung der Unternehmen ältere Arbeitnehmer einzustellen, da aufgrund der Sozialauswahl ältere Arbeitnehmer nur sehr schwer wieder entlassen werden können. Ähnliches gilt bei der Einstellung von Frauen in gebärfähigem Alter.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit für den Einzelnen steigt, während in Ländern ohne Kündigungsschutz nach einer Entlassung auch relativ schnell wieder eine Einstellung erfolgt. Die Belastung der Arbeitslosigkeit für den Einzelnen ist also höher.
  • Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit wird verstärkt, da eine Einstellung von jüngeren Arbeitnehmern ein zu großes Risiko birgt, lange auf einem unproduktiven Arbeitnehmer zu „sitzen“ (Empirisch findet das nach Ansicht von manchen Wirtschaftswissenschaftlern z. B. in Frankreich, Südkorea und Deutschland statt)
  • Die Bewerbung aus ungekündigter Stelle mit längerer Kündigungszeit wird erschwert, da neue Arbeitgeber häufig nicht lange auf einen neuen Mitarbeiter warten wollen.

Siehe auch

Gesetzestexte

Wissenschaftliche Informationsplattform

PRO Kündigungsschutz im Arbeitsrecht


KONTRA Kündigungsschutz im Arbeitsrecht

Literatur

Allgemein

  • Addison, John T.; Teixeira, Paulino (2001): The economics of employment protection. Bonn. IZA discussion paper Nr. 381. Link
  • Bassanini, Andrea; Duval, Romain (2006): Employment patterns in OECD countries. Reassessing the role of policies and institutions. Paris. OECD social, employment and migration working papers Nr. 35. Link
  • Bonin, Holger (2004): Lockerung des Kündigungsschutzes: ein Weg zu mehr Beschäftigung?. Bonn. IZA discussion paper Nr. 1106. Link
  • Dolado, Juan Jose; Jansen, Marcel; Jimeno, Juan F. (2007): A positive analysis of targeted employment protection legislation. Bonn. IZA discussion paper Nr. 2679. Link
  • Flaig, Gebhard; Rottmann, Horst (2005): Labour market institutions and employment thresholds an international comparison. München. Ifo working paper Nr. 15. Link
  • Flaig, Gebhard; Rottmann, Horst; (2004): Erhöht der Kündigungsschutz die Beschäftigungsschwelle?. In: Ifo-Schnelldienst. Wochenberichte, Jg. 57, Nr. 17. S. 13–17; Link
  • Organisation for Economic Co-operation and Development (Hrsg.) (2004): Employment protection the costs and benefits of greater job security. In: OECD Policy Brief, No. September. S. 1–8. Link

zur Lage in Deutschland

  • Düwell, Franz Josef (Hrsg.); Schultheiß, Michael (Hrsg.); Weyand, Joachim (Hrsg.); (2006): Mehr Arbeit durch weniger Arbeitsrecht? Arbeitsmarkt und Kündigungsschutz in den neuen Bundesländern. Dokumentation einer Tagung des Erfurter Forum für Arbeits- und Sozialrecht am 8. Dezember 2005. Erfurt; Link
  • Jahn, Elke J. (2004): Der Kündigungsschutz auf dem Prüfstand. Sankt Augustin: Konrad-Adenauer-Stiftung. Arbeitspapier Nr. 138. Link
  • Janßen, Peter (2004): Arbeitsrecht und unternehmerische Einstellungsbereitschaft. In: IW-Trends, Jg. 31, H. 2. S. 16–25; Link
  • * Bauer, Thomas K.; Bender, Stefan; Bonin, Holger (2004): Arbeitsmarkt-Reformen: Betriebe reagieren kaum auf Änderungen beim Kündigungsschutz. Nürnberg: 4 S.; IAB-Kurzbericht Nr. 15/2004. Link

Fußnoten

  1. Müller-Glöge, Preis, Schmidt: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, Oetker: KSchG § 1 Rn. 61
  2. ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 300
  3. ErfK/Oetker KSchG § 1 Rn. 329
  4. ErfK/Oetker KSchG § 1 Rn. 199; vgl. auch BAG, Urt. v. 31.05.2007, 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922, 924; vgl. zur außerordentlichen Kündigung unter Hinweis auf § 314 Abs. 2 BGB: ErfK/Müller-Glöge, BGB § 626, Rn. 25
  5. BAG, Urt. v. 31.05.2007, aaO
  6. ErfK/Oetker KSchG § 1 Rn. 114 m.w.N.
  7. ErfK/Oetker KSchG § 1 Rn. 212ff
  8. BAG, Urt. v. 04.05.2006, 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096, 1098; ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 239
  9. ErfK/Preis, BGB § 612a Rn. 12 m.w.N.
  10. ErfK/Müller-Glöge, BGB § 628 Rn. 34
  11. ErfK/Müller-Glöge, BGB § 626 Rn. 36
  12. ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 5
  13. vgl. die Darstellung der historischen Entwicklung des Kündigungsschutzes in ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rnn. 1, 2; siehe zum Abbau von Kündigungsschutz auch ErfK/Dieterich, GG Art. 12 Rn. 37
  14. ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 33
  15. ErfK/Müller-Glöge, TzBfG § 14 Rn. 1 - 3
  16. ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 3
  17. ebenda
  18. ErfK/Dieterich, GG Art. 12 Rn. 38 unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG v. 27.01.1998, BVerfGE 97, 169, 176
  19. ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 3
  20. ErfK/Dieterich, GG Art. 12, Rn. 20–22 unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 19.10.1993, BVerfGE 89, 214, 232
  21. ErfK/Dietrich, GG Art. 12 Rn. 20