Kommunikationswissenschaft
Kommunikationswissenschaft wird zumeist als Wissenschaft über Massenkommunikation, d. h. die einseitige Kommunikation weniger an viele über Medien aufgefasst.
Gegenstände und Einteilung
Klassisch wird die Kommunikationswissenschaft eingeteilt in die Untersuchung darüber, wer kommuniziert, was kommuniziert wird, wen dies erreicht und welche Effekte dies zeitigt. Diese Trennung kann jedoch etwa mit Verweis auf die Theorie sozialer Systeme angefochten werden.
Die Erforschung der Effekte bezieht sich dabei einerseits auf das Individuum, die Psyche mit Kongnitionen und Emotionen. Andererseits werden auch Wirkungen auf die Gesellschaft oder Teile der Gesellschaft untersucht. Hier ist v.a. der Begriff der öffentlichen Meinung relevant.
Kleine Theoriegeschichte der Wirkungsforschung
Der Beginn der Wirkungsforschung liegt u.a. in der Untersuchung von Persuasion durch Propaganda, bedeutend insbesondere die Forschung in den USA im Umfeld der Zweiten Weltkrieges. Im Fach wird diskutiert, ob in diesen Frühzeiten Reiz-Reaktions-Modelle der Kommunikation überwiegen. Ferner stellt die Zeitungswissenschaft ein Ausgangspunkt der Entwicklung des Faches im deutschsprachigen Raum dar.
Im Laufe der Fachgeschichte werden naturgemäß einfach durch komplexere Modelle und Theorien abgelöst. So entwickelt sich die Theoriegeschichte weg von Vorstellungen, wonach Informationen und Meinungen durch Kommunikation übertragen werden hin zu Modellen, wie Rezipienten mit Medieninhalten interagieren, sich aus ihnen Weltbilder konstruieren und mittels veschiedener Wege daraus Einstellunge und Entscheidungen ableiten. Endgültig ausgetragen ist der Streit darüber, inwieweit Medieninhalte und Weltbilder der Rezipienten Realitätsbeschreibung sein können, jedoch nicht. Gemeinhin wird der Gegensatz im Begriffspaar "Realismus" und "Konstruktivismus" ausgedrückt.
Zeitweise spitzt sich die Abkehr von starken, auf Einstellungen bezogenen Wirkungen, zur These zu, Medien könnten wenn überhaupt nur bestimmen, welche Themen die Rezipienten als relevant wahrnehmen, nicht aber, welche Haltung sie dazu einnehmen. Hierfür wird das Bild der "Agenda" verwendet, also die Liste dessen, was gerade als wichtig behandelt wird. Entsprechend heißt das Konzept zu dieser Forschungstradition "agenda setting".
"Durch die Hintertüre" schleichen sich jedoch Meinungen wieder ein, indem man zur Einsicht gelangt, dass ein Thema keine allzu harte Einheit darstellt, sondern verschiedene Aspekte hat. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass die menschliche Informationsverarbeitung nicht unbedingt unabhängig davon funktioniert, in welcher Reihenfolge und mit welcher Betonung Aspekte dargebracht werden, sondern vielmehr die Verfügbarkeit von Informationen die Schlussfolgerungen mehr oder weniger mitbestimmt. Somit wird den Medien wieder die Fähigkeit zugeschrieben, durch Betonen, Herunterspielen, Weglassen (sei es absichtsvoll oder nicht) Urteile mitbestimmen.
Die neuere Forschung hält eine Vielzahl von Theorieangeboten und Gegenständen bereit, von der Untersuchung des augenblickhaften Unterhaltungserlebens bis hin zur langfristigen Kultivation von Ängsten und Misstrauen durch tausendfache Rezeption von Angeboten, in denen Gefahr und Gewalt dargestellt werden, von der Untersuchung politischer Meinungsbildung über den Einfluss von PR auf Berichterstattung bis zur Rezeption von Fußballspielen, von Verweisen auf die Kritische Theorie bis zu systemtheoretischen Ansätzen. Außerdem muss sich die Kommunikationswissenschaft mit der Tatsache auseinandersetzen, dass teilweise Massen- und Individualkommunikation schwerer zu trennen sind, etwa in den verschiedenen Anwendungen des Internet.
Zur Inhalts-, Kommunikator und Publikumsforschung sowie weiteren Gebieten
Die Inhaltsforschung befasst sich mit mit den Inhalten, d.h. Aussagen und Darstellungsweisen dessen, was die Medien übermitteln. Sie differenziert sich einerseits anhand der Kontroverse darüber, was objektiv feststellbarer Inhalt ist, andererseits nach dem Erkenntnisinteresse, etwa der Einschätzung journalisitscher Qualität, dem Abgleich von Realität und Berichterstattung (wenn man einen solchen Vergleich für möglich hält), Existenz und Eigenschaften einer eigenen "Medienrealität" sowie der Frage, was warum berichetet wird und warum anderes nicht, den Inszenierungsstrategien von Medienschaffenden und in den Medien präsenten Akteuren, der Ausdifferenzierung von Genres usw.
Die Kommunikatorforschung befasst sich mit Medienschaffenden und ihrer Einbindung in bestimmte Organisationen: Welche Einstellungen, Motivation, Interessen, Ausbildung usw. haben Journalisten, PR-Fachleute usw. Welchen Zwängen unterliegen sie, worin sind sie frei, wie arbeiten sie, wie entscheiden sie sich für Themen und Darstellungsweisen. Die Publikumsforschung beschreibt schließlich die Zusammensetzung der Rezipientenschaft sowie die Motive, das Ausmaß, die Eigenschaften und Muster der Mediennutzung: Welche soziodemografischen und psychigrafischen Beschreibungen lassen sich von Lesern, Zuschauern und Zuhörern anfertigen? Welches Zeitbudget und welche Aufmerksamkeit widmen sie der Mediennnutzung?
Neben diesen Gebieten befasst sich die Kommunikationswissenschaft mehr oder weniger intensiv mit Fragen des Mediensystems (Ökonomisierung, Konzentration, Medienwirtschaft, Medienrecht, Medienpolitik), der Medienethik etc.
Verhältnis zur Medienwissenschaft
Das Verhältnis der Kommunikationswissenschaft zur Medienwissenschaft zeigt sich komplex: Kommunikationswissenschaftler bezeichnen sich gelegentlich als Medienwissenschaftler, weil dieser Begriff Laien eher zugänglich erscheint. Andere wiederum lehnen diese Vermischung ab und bestehen auf einer Unterscheidung, welche auf verschiedenen Forschungslogiken dieser Gebiete beruht. Mitunter wird versucht, die Unterscheidung an der unterschiedlichen Praxisrelevanz festzumachen, jedoch mit verschiedenen Ergebnissen.
Methoden
Lange Zeit, vielleicht mit Ausnahme einiger Vorläufer, war die Kommunikationswissenschaft durch quantitative Methoden (standardisierte Befragung, Beobachtung und Inhaltsanalyse) geprägt, die der Logik des kritischen Rationalismus (vgl. Wiener Kreis, Karl Popper, Positivismusstreit) folgten.
Im Fach wird insbesondere die quantitative Inhaltsanalyse als methodisches Alleinstellungsmerkmal angesehen. Bei dieser Vorgehensweise wird eine größere Zahl von Medieninhalten (Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge etc.) nach einem vorher festgelegten Raster (Kategoriensystem) untersucht, wobei festgehalten wird, ob im Raster beschriebene Aussagen (Beschreibung von bestimmten Handlungen, Erwähnung bestimmter Themen und Personen, bestimmte wertende Aussagen) in den Texten (im weiteren Sinne, also auch in Bildform) getroffen werden. Die so gewonnen Daten werden dann einer statistischen Analyse zugeführt, so dass am Ende Feststellungen stehen wie "Medium X trifft mehr positive Aussagen über die Person A als Medium Y" oder "über das Thema X wird häufiger unter dem Aspekt A berichtet als unter dem Aspekt B, dies steht im Zusammenhang mit der Erwähnung von C..." usw.
Diese quantisierende, erklärende, variablenorientierte, deduktive Herangehensweise wird jedoch (viele Beobachter meinen: in zunehmendem Maße, hin zu einer Gleichbehandlung) von qualitativen, verstehenden, induktiven, hermeneutischen Ansätzen ergänzt oder ersetzt. Dies drückt sich in Methoden wie offenen Interviews und qualitativen Inhaltsanalysen aus.