Grafschaft Dassel


Die Grafschaft Dassel entstand Ende des 11. Jahrhunderts und bestand mehr als 200 Jahre. 1310 wurde sie infolge Machtverzicht wegen Kinderlosigkeit aufgegeben. Die Grafschaft Dassel zählt zu den von der Öffentlichkeit vergessenen Grafschaften, weil einerseits ihr Bestandszeitraum von sechs Generationen im historischen Vergleich kurz ist und andererseits ihr prominentester Vertreter Rainald eher mit dem Erzbistum Köln assoziiert wird.
Räumliche Entwicklung
Rechtliche Grundlagen
- Da es im Mittelalter kein Staatsrecht gab, galt im Bezug auf die Grenzverläufe der Grafschaften das Recht des Stärkeren, das mit einer Burg zu sichern war. Der 1152 von Friedrich I. ausgerufene Landfrieden deckte diesen Aspekt nicht ab.
- Das Erbrecht schrieb den ältesten Sohn als Alleinerben vor. Wenn die Familie kein Sohn hatte und dadurch die Tochter zur Erbin wurde, ging der Besitz bei Hochzeit auf den Bräutigam über. Um den Besitz einer Adelsfamilie zu erhalten, kamen daher durchaus Ehen unter Verwandten vor.
Territoriale Dynamik
Die Grafschaft umfasste zu Beginn des 12. Jahrhunderts das Waldgebiet rechts der Oberweser (etwa das Gebiet des heutigen Naturparks Solling-Vogler) und dessen östliches Vorland bis ins Leinetal.
Durch Einheirat fiel der Grafschaft Dassel Anfang des 13. Jahrhunderts die Grafschaft Ratzeburg zu, so dass sich ihr Gebiet erheblich erweiterte und die Grafschaft ihre größte Ausdehnung hatte. Bald darauf gingen diese nördlichen Gebiete in der Schlacht von Waschow wieder verloren.
Mitte des 13. Jahrhunderts gelang den Grafen von Dassel nunmehr eine Besitzerweiterung Richtung Süden, die sich allerdings ebenfalls als nur temporär erwies. Die territoriale Zersplitterung und letztlich der Zerfall der Grafschaft Dassel wurde durch Erbteilung eingeleitet und fand durch Söhnelosigkeit den Abschluss. Der letzte Graf von Dassel verkaufte nach und nach alle noch verbliebenen Gebiete rund um den Stammsitz und löste dadurch die Grafschaft auf.
Benachbarte Grafschaften
- Edelherren von Homburg: Dieses Gebiet grenzte unmittelbar nördlich an die Grafschaft Dassel und schloss Lüthorst ein.
- Grafschaft von Schwalenberg: Diese ausgedehnte Grafschaft lag westlich der Weser nordwestlich der Grafschaft Dassel.
- Grafen von Everstein: Ihre Burg lag nördlich, und zwar zwischen der Homburger und der Schwalenberger Grafschaft.
- Herren von Brakel: Diese besaßen ein kleines Territorium links der Oberweser.
- Edelherren von Hessen: Ihr Territorium lag weiter südlich.
- Welfische Erblande: Sie schlossen sich östlich der Leine an die Grafschaft Dassel an. Die Welfen konnten der Dasseler Herrschaft in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht entgegentreten, obwohl Dassel letztlich Stauferenklave auf Welfengebiet war.
Zeitliche Entwicklung
Vorläufer
Verwaltungseinheit Grafschaft Dassel
Die Anfänge der Grafschaft Dassel werden auf das Ende des 11. Jahrhunderts datiert. Durch die Anlage einer Burg an ihrem Stammsitz festigte die Familie ihren Herrschaftsbereich. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts konnte die Grafschaft rund um ihren Stammsitz eine Aufbruchstimmung freisetzten, die Wirtschaft und Handel aufblühen ließ. Ihre Blütezeit erlebte die Grafschaft Mitte des 13. Jahrhunderts. Mangels Nachkommen zerfiel die Grafschaft gegen Ende des 13. Jahrhunderts und verschwand endgültig Anfang des 14. Jahrhunderts.
Folgeentwicklung
Biographien und Geschichte
Graf Reinold von Dassel
Reinold I. von Dassel war der reich begüterte Ahnherr des Dasseler Geschlechts. Mit der Besitzanhäufung in der Umgebung seiner Stammburg nahm der tüchtige Reinold auch den Grafentitel an (der Titel wurde nicht verliehen). Durch seinen Wohlstand konnte er seinem Sohn Rainald eine umfassende Ausbildung am angesehenen Hochstift zu Hildesheim gewähren. Darüber hinaus konnte er sich zwischen 1113 und 1118 mehrere Schenkungen an das Kloster Corvey leisten. Die Eltern Reinolds I. hießen Dietrich und Kunhild.
Graf Rainald von Dassel
Der bekannteste der Grafen von Dassel, Rainald von Dassel war Reichskanzler unter Kaiser Friedrich I. und Erzbischof von Köln. 1164 ließ er die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln überführen, wodurch sich deren kultische Verehrung in der Christlichen Welt verstärkte und Köln zu einem bedeutenden Wallfahrtsort wurde. Der Staufer starb 1167 bei Rom an Ruhr.
Graf Ludolf von Dassel
Während Rainald von Köln aus auf höchster Ebene im Reich agierte, verwaltete sein Bruder Ludolf I. als Erbe den Stammsitz in Dassel. Ludolf starb ebenfalls bei Rom an Ruhr. Ludolf I. hatte keinen Sohn, so daß der Verlust seiner Besitzansprüche vorprogrammiert war.
Gräfin Adelheid von Dassel
Adelheid von Wassel, die Tochter des Ludolf brachte das vom Stammsitz aus gerade nach Süden erweiterte Gebiet in die Ehe mit dem Grafen von Schöneberg ein, so dass dieses für die Grafschaft Dassel verloren ging.
Graf Adolf von Dassel, "der Kühne"
Adolf I. von Dassel, der Sohn von Ludolf, heiratete Adelheid von Wassel. Dadurch erreichte die Grafschaft Dassel ihre größte Ausdehnung in nordöstlicher Richtung bis zur Elbe nach Ratzeburg. Zu dieser Zeit (um 1200) verstarb jedoch der Stauferkaiser Heinrich IV. (Sohn Friedrich Barbarossas), so dass die Welfen ihre Chance witterten. Landesweit brachen nun immer wieder Kämpfe aus. Adolf I., nun auch Graf von Ratzeburg, provozierte im Norden den König von Dänemark (Kanut), weil sich dieser mit den Welfen verbündet hatte. Daher griff der dänische König die Grafschaft Ratzeburg an. Adolf stellte sich ihm bei Waschow zur Entscheidungsschlacht entgegen. Auf beiden Seiten wurde mit großer Tapferkeit gefochten. Beide Seiten hatten Verbündete. Der Kampf neigt sich schließlich zugunsten der dänischen Seite. Adolf musste fliehen und verschwand aus der Geschichte. Zur Rettung ihrer Ansprüche übergab seine Frau Adelheid nicht nur kampflos die Burg, sondern verbündete sich nun ihrerseits mit den Dänen. Dann heiratete sie erneut. Der einzige Sohn dieses Paares verstarb jedoch früh, so dass diese Grafschaft an den Bischof von Ratzeburg fiel.
Graf Ludolf II. von Dassel
Der Bruder des Adolf verwaltete den Stammsitz, während Adolf sich nordwärts orientierte.
Graf Ludolf IV. von Dassel
Ludolf IV. von Dassel, der Sohn Adolfs gab gegen Geld die Ansprüche an der Grafschaft Schartenberg auf und leitete damit eine weitere Schwächung im Süden ein.
Graf Ludolf V. von Dassel
Ludolf V. von Dassel gab 1270 gegen Geld westliche Gebiete des Solling an das Herzogtum Braunschweig ab, was zu einer erheblichen Schwächung der Grafschaft Dassel führte.
Graf Ludolf VI. von Dassel
Graf Ludolf VI. verkaufte 1267 seine Rechte an der Burg Schartenberg an Bischof Simon des Hochstift Paderborn. Danach bemühte er sich zunächst um Konsolidierung des Territoriums Richtung Schöneberg, veräußerte aber diese Rechte 1273 an das Erzstift Mainz.
Graf Simon von Dassel
Der letzte Graf von Dassel verkaufte zunächst weiteres Sollingterritorium sowie die östliche Ausdehnung der Grafschaft bei Einbeck im Jahr 1303 an das Herzogtum Braunschweig. Die letzten Reste der Grafschaft Dassel trat Graf Simon 1310 gegen Geld an Bischof Siegfried II. von Hildesheim ab. Auf der Verkaufsliste des Grafen standen neben der Burg Hunnesrück und Dassel die Dörfer Relliehausen, Hilwartshausen, Deitersen, Selessen (das heutige Seelzerthurm), Wellersen, Robbedissen (das heutige Mackensen) sowie Markoldendorf.
Damit war Graf Simon von Dassel ein reicher Mann, zog nach Göttingen und verstarb dort 1325.
Die Familienmitglieder der Grafen von Dassel
Chronologische Liste
Stammbaum
Sehenswertes
- In Dassel befindet sich das Museum "Grafschaft Dassel".
- Die Ruine der Burg Hunnesrück aus Wall- und Steinresten, im 13. Jahrhundert von den Grafen von Dassel errichtet, wurde 1521 in der Hildesheimer Stiftsfehde zerstört.
- Die Lauenburg wurde von den Grafen von Dassel für Jagdzwecke errichtet. Sechs Jahrhunderte lang war sie dem Verfall preisgegeben, bevor sie 1907 konserviert wurde. Die Ruine gehört zum Ortsteil Lauenberg.
- Das heutige Wappen der Stadt Dassel mit dem achtendigen Hirschgeweih wurde 1210 von Adolf I. von Dassel als Wappen und Urkundensiegel eingeführt.
- Das plastische Abbild von Rainald aus dem 12. Jahrhundert findet sich auf dem goldenen Dreikönigenschrein, der im Kölner Dom steht.
- Der Heinrichstein von Waschow belegt die Niederlage Adolfs I. von Dassel. Der Gedenkstein aus dem frühen 13. Jahrhundert steht seit 1976 vor der St. Bartholomäus Kirche in Wittenburg. Im Jahr 2000 wurde die Schlacht mit Ritterrüstungen nachgestellt.
Literatur
- Biermann, Friedhelm: Weserraum im hohen und späten Mittelalter, 2007, ISBN: 3895346497
- Kruppa, Nathalie: Die Grafen von Dassel 1097 - 1337/38, Dissertation 2002
- Schildhauer: Die Grafen von Dassel: Herkunft und Genealogie, 1966