Spieltheorie
Unter Spieltheorie im weiteren Sinne versteht man jegliche theoretische Behandlung des Spiels, z. B. in den Kulturwissenschaften, vgl. hierzu Homo ludens.
Im engeren Sinne ist die Spieltheorie (engl. game theory) ein Teilgebiet der Mathematik, der Operations Research und der Wirtschaftswissenschaften. Sie beschäftigt sich mit der Analyse von Handlungsstrategien in Systemen mit vorgegebenen Regeln ("Spielen"). Dazu untersucht die Spieltheorie vorhergesagtes und tatsächliches Verhalten von Akteuren in Spielen und leitet optimale Strategien her.
Allgemein
In der Informatik versucht man mit Hilfe von Suchstrategien und Heuristiken (allgemein: Techniken der Kombinatorischen Optimierung und Künstlichen Intelligenz) bestimmte Spiele, wie Schach, SameGame, Awari, Go zu lösen oder z.B. zu beweisen, dass derjenige, der anfängt, bei richtiger Strategie immer gewinnt (das ist z.B. der Fall für Vier gewinnt, Qubic und Go-Moku) , oder z.B. derjenige der den 2. Zug hat, immer wenigstens ein Unentschieden erzielen kann.
Neben der abstrakten und theoretischen Behandlung von Strategiespielen hat die Spieltheorie auch Anwendungen in den Wirtschaftswissenschaften. Dabei wird z. B. die Marktwirtschaft als ein 'Spiel' angesehen, in dem die Handelspartner als 'Spieler' einen höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften suchen.
Auch in den Sozialwissenschaften wird die Spieltheorie als Rational Choice-Modell für strategische Konflikte eingesetzt. Allerdings ist dies mit einer Reihe von Problemen verbunden. So muss die Konfliktstruktur vollständig durch Regeln erfasst sein, und das Konfliktverhalten muss rational im Sinne der Spieltheorie sein. Angewandt wird sie z.B. bei der Erstellung experimenteller Spiele für die Erforschung von Kleingruppenkonflikten. Ein Anwendungsgebiet der Politikwissenschaft sind Verhandlungssituationen zwischen Institutionen.
Andere Anwendungsgebiete finden sich in der Evolutionsbiologie, Anthropologie, Militärstrategie und Regelungstheorie. Fragen wie Altruismus und Koalitionsbildung in einem Wettbewerbsklima sind ebenfalls von Interesse.
Geschichte
Die Spieltheorie wurde 1944 von John von Neumann und Oskar Morgenstern durch ihr gemeinsames Werk The Theory of Games and Economic Behavior begründet. Der Film A Beautiful Mind handelt von dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, John Forbes Nash Jr, der zusammen mit Reinhard Selten und John Harsanyi für seine Beiträge zur Spieltheorie ausgezeichnet wurde.
Weiterentwickelt wurde die Spieltheorie u. a. vom deutschen Wirtschaftwissenschaftler Axel Ockenfels.
Aspekte
Man kann in der Spieltheorie zwei bedeutende Aspekte erkennen:
- Formalisierung: Ein bedeutender Schritt ist, ein Spiel im Sinne der Spieltheorie zu formalisieren. Die Spieltheorie hat hierfür eine reichhaltige Sprache entwickelt. Siehe unter: Spieldarstellung
- Lösung: Abhängig vom Kontext kann man in einem weiteren Schritt eine Vorhersage des Spielausganges versuchen. Siehe hierfür: Lösungskonzepte (Spieltheorie)
Anwendung
Die Spieltheorie wird unter anderem auch angewandt, um den Ausgang bestimmter regelbezogener Prozesse zu bestimmen oder festzulegen. Dies geschieht im Zuge der Lösungen für ein Mechanism Design Problem. Dieses Vorgehen kann nicht nur für "reine" Spiele, sondern auch für das Verhalten von Gruppen in Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden.
Beispiele
Einfaches Beispiel für ein spieltheoretisches Problem: die Autofahrt in den Urlaub. Am 31. beginnen die Sommerferien. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass an diesem Tag die Autobahnen dicht sind. Also fahren wir am 1. des nächsten Monats. Das Problem dabei: so denken auch viele andere Leute. Also entscheiden sich 50 % für den 31. und 50 % für den 1. Resultat: An beiden Tagen steht man im Stau.
Berühmte Probleme der Spieltheorie:
- Gefangenendilemma
- Chicken Game (Brinkmanship)
- Hirschjagd
- Kampf der Geschlechter
- Ultimatumspiel
- Eisverkäufer-am-Strand-Problem
- Beauty Contest
- Risiko (Spiel)
- Triell
Siehe auch
Adjusted-Winner-Methode, Bertrand-Paradox, Evolutionär stabile Strategie, Imputation, Kombinatorische Spieltheorie, Minmax-Algorithmus, Negativ-Null-Summen-Spiel, Perfect Knowledge Game, Quid pro quo, Shapley-Wert, Spiel (Spieltheorie), Tit-for-tat
Literatur
- Robert Axelrod: The Evolution of Cooperation, 1985, ISBN 0465021212 dt. Die Evolution der Kooperation ISBN 3486539957
- Robert Axelrod: The Complexity of Cooperation - Agent-Based Models of Competition and Collaboration, 1997, ISBN 0691015678
- Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger. Strategisches Know-how für Gewinner. 1991, ISBN 3-7910-1239-8 (Amerikanischer Originaltitel: Thinking Strategically. The Competitive Edge in Business, Politics, and Everyday Life, ISBN 0393974219.) - Nette, leicht lesbare Einführung in die Denkweise der Spieltheorie. Sehr gut für's Verständnis, wenig fachliche Breite oder Tiefe, Mathematik-frei, ideale Ergänzung zu mathematischen Lehrbüchern
- Jörg Bewersdorff: Glück, Logik und Bluff: Mathematik im Spiel - Methoden, Ergebnisse und Grenzen. 2003, ISBN 3528269979 - Was die Spieltheorie über richtige Spiele aussagt (relativ elementar, viele historische Details, keine Ökonomie)
- Avinash K. Dixit, Susan Skeath: Games of Strategy. 1999, ISBN 0-393-97421-9
- Manfred Eigen, Ruthild Winkler: Das Spiel, 1976, ISBN 3492021514
- Timothy Fisher, Robert Waschik: Managerial Economics: A game theoretic approach. Routledge, 2002
- Eberhard Feess: Mikroökonomie. Eine spieltheoretisch- und anwendungsorientierte Einführung. 2000, ISBN 3895182761
- Morton D. Davis, Dietmar Rothermund: Spieltheorie für Nichtmathematiker, 1999, ISBN 348656448X
- Drew Fudenberg, Jean Tirole: Game Theory. 1991, ISBN 0-262-06141-4 - Zurzeit das Standard-Lehrbuch der Spieltheorie - zumindest für Wirtschaftswissenschaftler. Alle Grundlagen umfassend, sehr präzise, stark mathematisch formalisiert. "Alle zitieren es, wenige lesen es, kaum einer hat's verstanden."
- P.M. Driver, D.A. Humphries: Protean Behaviour - The Biology of Unpredictability, 1988, ISBN 0198571704
- Shaun P. Hargreaves Heap, Yanis Varoufakis: Game Theory - A Critical Text, 2004, ISBN 0415250951 (Das Buch beschreibt nicht nur die Theorien, sondern auch ihre Bedeutung)
- Anthony Kelly: Decision Making Using Game Theory - An Introduction for Managers, 2003, ISBN 0521814626 (sehr konzentriert, gut lernbar)
- Andreu Mas-Colell, Michael D. Whinston, Jerry R. Green: Microeconomic Theory. 1995, ISBN 0-19-510268-1 - Mikroökonomie-Lehrbuch für Fortgeschrittene mit einem guten, aber stark mathematisierten Teil über Spieltheorie
- Alexander Mehlmann: Wer gewinnt das Spiel?, ISBN 3528068973
- Walter Schlee, Einführung in die Spieltheorie, 2004, ISBN 3528032146 ("streng mathematisch")
Weblinks
- Computer Games Group des Fachbereichs Informatik der Universität Maastricht
- Gametheory.net
- Wikiludia