Friedrich Flick

Friedrich Flick (* 10. Juli 1883 in Ernsdorf; † 20. Juli 1972 in Konstanz) war ein deutscher Unternehmer und verurteilter NS-Kriegsverbrecher. Nach beiden Weltkriegen wurde er zum reichsten Deutschen.
Seine Söhne waren Friedrich Karl Flick, Otto-Ernst Flick und Rudolf Flick. Sein dritter Sohn Rudolf starb während des Zweiten Weltkrieges.
Leben
Bis zum Ersten Weltkrieg
Friedrich Flick kam am 10. Juli 1883 als Sohn eines Landwirts und Grubenholzhändlers in Ernsdorf (heute Ortsteil von Kreuztal, Kreis Siegen-Wittgenstein) zur Welt. Flick besuchte das Realgymnasium (das heutige Gymnasium Am Löhrtor) in Siegen, absolvierte eine Lehre zum Kaufmann bei der Bremer Hütte im heutigen Siegener Stadtteil Weidenau, leistete seinen Wehrdienst ab und begann ein Studium an der Handelshochschule Köln. Seit seiner Jugend las Flick eifrig Unternehmensbilanzen. Flick war einer der ersten Studenten, die nicht nur ein Betriebswirtschaftsstudium, sondern auch ein Studium der Volkswirtschaft absolvierten. Einer seiner Lehrer war dort Eugen Schmalenbach, der „Entwickler“ der dynamischen Bilanztheorie. Seine erste Anstellung bekam er, nachdem er 1906 sein Diplom als Kaufmann erhalten hatte, wieder bei der Bremer Hütte. 1913 wechselte er dann in den Vorstand der Westfälischen Eisengesellschaft.
Sein Aufstieg begann 1915 als Vorstandsmitglied bei der Charlottenhütte in Niederschelden, in die er sich mit der Zeit einkaufte. Dies finanzierte er durch Gewinne an Betrieben, die er überteuert als Vorstandsmitglied kaufte, nachdem er sich zuvor an ihnen beteiligt hatte, oder indem er privat Schrott aufkaufte und an seine eigene Firma weiterverkaufte. Im Ersten Weltkrieg mit seinem Rüstungsboom führte er den Betrieb zu großen wirtschaftlichen Erfolgen und wurde schließlich 1917 sein Generaldirektor.
Weimarer Republik
Der Versuch, sich einen Stand im Ruhrgebiet zu verschaffen, scheiterte zunächst an den dortigen Industriemagnaten. Allerdings konnte er verhindern, dass sich diese ihrerseits im Siegerland etablierten. Über geschickte Betriebsaufkäufe in Oberschlesien und Mitteldeutschland, die er dank der hohen Inflation durch günstige Kredite finanzierte, konnte er schließlich doch die wichtigen Kohleressourcen für sich sichern und wurde um 1930 der größte deutsche Schwerindustrielle. Seine verschiedenen Betriebe vereinigte er 1929 in der Mitteldeutschen Stahlwerke AG. Außerdem wurde er Mehrheitseigner der Maxhütte, was ihm Einfluss bei der Vereinigte Stahlwerke AG und der Harpener Bergbau AG verschaffte, und er brachte die „Gelsenberg“ (Gelsenkirchener Bergwerks-AG) unter seine Kontrolle, die er später zum vierfachen Marktpreis, nachdem er in der Weltwirtschaftskrise kurz vor dem Bankrott stand, an die Regierung Brüning verkaufte (Gelsenkirchenaffäre). In den 1930er Jahren beteiligte er sich an einem der größten Stahlproduzenten des damaligen Deutschland, der Vereinigte Stahlwerke AG.
Nach dem Verkauf der Gelsenkirchener Bergwerks-AG 1932 gründete er die Mitteldeutschen Stahlwerke. Er war Mitglied des konservativen Deutschen Herrenklubs. In der Weimarer Republik verteilte er, obwohl Mitglied der Deutschen Volkspartei, um sich in jeder Richtung abzusichern, Wahlspenden an verschiedene Parteien. Die NSDAP war dabei anfangs schlechter gestellt als die anderen Parteien, da Flick Hitler wenig Sympathien entgegenbrachte. Mit der Entwicklung der NSDAP zur Volks- und Massenpartei spendete er ab 1932 auch an sie. 1934 wurden die Mitteldeutschen Stahlwerke Pflichtmitglied in der „Pflichtgemeinschaft in der Braunkohlenwirtschaft“ und damit Gründungsunternehmen der BRABAG.
Nationalsozialismus
Nach 1933 konzentrierte er die Spenden, rund 100.000 Reichsmark im Jahr, auf die NSDAP. Nach Ablauf der vierjährigen Eintrittssperre trat er 1937 der NSDAP bei. 1934 oder 1935 wurde er Mitglied des etwa 40 Personen umfassenden Freundeskreises Reichsführer SS. Am 20. Februar 1933 wurde er zusammen mit Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Georg von Schnitzler, Fritz Springorum, Ernst Tengelmann, Albert Vögler und anderen Vertretern der deutschen Wirtschaft zum neuen Reichskanzler Adolf Hitler eingeladen. Dieser wollte den Anwesenden seine Wirtschaftspolitik erläutern und gleichzeitig Bedenken gegen ihn aus dem Weg räumen. So war er sehr darum bemüht, das Image des Bierzelt-Agitators abzulegen und versicherte den Wirtschaftsvertretern, entgegen nur propagandistisch gemeinten Enteignungsankündigungen würden die Eigentumsverhältnisse in der Wirtschaft bei einer Machtübernahme unangetastet bleiben. Zudem sicherte er zu, den Einfluss der Arbeiterbewegung zu beseitigen und umfangreiche Rüstungsmaßnahmen einzuleiten.
Nachdem den Nationalsozialisten und ihren Verbündeten die Macht übertragen worden war („Kabinett Hitler“ aus NSDAP, DNVP und Stahlhelm), schickte Flick im April des Jahres 1933 den Aufsichtsratsvorsitzenden der Mitteldeutschen Stahlwerke, Heinrich Koppenberg, in das Reichsluftfahrtministerium. Dort wurden ihm größere Aufträge in Aussicht gestellt. Im Dezember war der Aufbau der Luftwaffe beschlossene Sache, und die dem Konzern gehörende Allgemeine Transportanlagen Gesellschaft erhielt die ersten Aufträge für den Bau von Flugzeugen. Es folgte im März 1934 ein Auftrag für die Herstellung von Bomben, Granaten und Munition. Am 15. März desselben Jahres besuchte Friedrich Flick den Stabschef des Heereswaffenamtes, Georg Thomas. Dort erhielt er in einem Gespräch unter vier Augen die Informationen, dass die Nationalsozialisten einen Krieg planten und dass man für diesen Fall Vorräte an Waffen und Munition für einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten benötige.
Mit der „Arisierung“ von jüdischen Betrieben konnte Flick seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss weiter vergrößern. Der Entwurf für die nach den reichsweiten Pogromen im November 1938 vorgesehene Enteignungvorschrift gegen jüdische Unternehmen wurde in der Konzernspitze formuliert. Die guten Kontakte zu Hermann Göring trugen dazu bei, dass Flick stärker als mancher seiner Konkurrenten von der Enteignung der jüdischen Minderheit profitierte. Als einziger deutscher Industrieller unterstützte er die Pläne zum Aufbau der Reichswerke Hermann Göring. Er lieferte im Gegensatz zu den Unternehmen von Rhein und Ruhr Steinkohle an die Konkurrenz aus Salzgitter. Dafür erhielt er die schriftliche Zusage, dass er bei der „Arisierung“ begünstigt werde. Ein Beispiel dafür waren die Hochofenwerke Lübeck AG der jüdischen Familie Hahn und die Eisenhandelsfirma Rawack & Grünfeld. Bereits 1927 machte Flick ein Angebot für die Übernahme der Firma, welche von diesen jedoch abgelehnt wurde. 1937 erwirkte er zusammen mit dem Heereswaffenamt, dass die Firma für den Preis von 3,4 Millionen Reichsmark übernommen werden konnte. Drei Jahre zuvor hatte der Aktienwert noch 14,3 Millionen betragen. Weitere Beispiele umfangreicher Teilhabe an Großarisierungen sind die Übernahme des Julius-Petschek-Konzerns (1938) und des Ignaz-Petschek-Konzerns (1939) mit u. a. einem Drittel der mitteleuropäischen Braunkohlefelder. Zudem profitierte er von der Reprivatisierung der Vereinigten Stahlwerke AG. 1937 schloss er seine Unternehmen zur Friedrich Flick KG zusammen. Gegen Ende dieses Jahres beschäftigte Flick insgesamt rund 85.000 Mitarbeiter.
Friedrich Flick war einer der größten Profiteure des von den Nationalsozialisten eingeleiteten Rüstungsbooms und der anschließenden Kriegskonjuktur. Seit 1938 war er Wehrwirtschaftsführer. Zudem gelangte er in einigen Großbetrieben der Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie in die Aufsichtsräte und Verwaltungsvorstände. Er war Mitglied im vierköpfigen Verwaltungsrat der Berg- und Hüttenwerke Ost (BHO), einer staatlich-privaten Monopolgesellschaft, die in den besetzten Gebieten der Sowjetunion die systematische Ausschlachtung der Rohstoffvorkommen und die Aufnahme einer gewaltigen Kriegsproduktion mit erbeuteten Produktionsmitteln zu organisieren hatte. 1942 gründeten die Flick-Gruppe und die Reichswerke Hermann Göring gemeinsam die Dnjepr-Stahl GmbH und nahmen damit den größten und wirtschaftlich interessantesten Teil der Montanbetriebe der Ukraine unter ihre Kontrolle. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in den zahlreichen Betrieben Flicks zehntausende Zwangsarbeiter vor allem aus Osteuropa und Sklavenarbeiter aus Konzentrationslagern eingesetzt (darunter Ignatz Bubis). Schätzungen gehen von über 10.000 Opfern aus, die in diesen Jahren mit Unterernährung und brutaler Behandlung zu Tode geschunden wurden. Auch in diesem Punkt hoben sich die Fabriken des Flick-Konzerns von anderen Unternehmen ab. Die Bedingungen hier waren äußerst schlecht und die Behandlungen sehr brutal. Selbst die Behörden wiesen auf diese besonders unmenschlichen Bedingungen hin. So schrieb eine staatliche Untersuchungskommission im Dezember 1942 nach einer Besichtigung der Essener Steinkohle AG: "Die Ostarbeiter sind gegenwärtig in Baracken für Kriegsgefangene mit schwerstem Stacheldraht und vergitterten Fenster untergebracht. Entwesung mangelhaft. Viel Ungeziefer. Strohmatratzen mussten entfernt werden, daher Schlafen nur auf Drahtmatratzen. Zuweilen Prügel. Lohnfrage ungeklärt. Essen nicht besonders.". Die Flick-Gruppe weigerte sich bis zum Tod des Konzernherrn, eine Entschädigung zu leisten, da dies in den Augen von Friedrich Flick einem Schuldeingeständnis gleich gekommen wäre. Flick konnte im Laufe des Zweiten Weltkriegs die Kontrolle über beinahe die gesamte europäische Montanindustrie erlangen und beschäftigte in 132 Gesellschaften rund 120.000 Beschäftigte mit einem Jahresumsatz von 550 Millionen Reichsmark. Sein privates Vermögen wurde auf rund zwei bis drei Milliarden Reichsmark geschätzt.
Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus
Als sich das Ende des Krieges abzeichnete, versuchte Flick, der die Nr. 3 auf der Liste des Kilgore Committee der 42 an den NS-Verbrechen am meisten schuldigen Industriellen war, sich auf die Folgen vorzubereiten. Noch in den letzten Kriegstagen verlegte er die Konzernzentrale von Berlin in den von den Westalliierten kontrollierten Teil Deutschlands nach Düsseldorf, verlagerte die Zentralakten in den Westen und ließ belastende Akten in großen Mengen vernichten.
Um darüber hinwegzutäuschen, wie tief er in den Nationalsozialismus involviert war, ließ er bereits ab 1944 die Spendenquittungen für die demokratischen Weimarer Parteien sammeln. Er nahm Kontakt mit der Familie Petschek auf, welche in die Vereinigten Staaten emigriert war, um den Preis für die übernommenen Kohlegruben neu zu verhandeln. Am 8. Mai 1945 verschwand er auf seinen Landsitz in Oberbayern. Dort wurde er am 13. Juni 1945 verhaftet.
Im Nürnberger Fall V, dem nach ihm benannten „Flick-Prozess“, wurde er am 22. Dezember 1947 wegen Sklavenarbeit, Verschleppung zur Sklavenarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete und Teilnahme an Verbrechen der SS zu sieben Jahren Haft verurteilt. Bereits 1950 wurde er vom US-Hochkommissar McCloy im Rahmen einer allgemeinen Haftverkürzung für besonders gewichtige NS-Verbrecher jedoch wieder entlassen.
Nachkriegszeit
Nach dem Krieg baute Flick seinen Konzern wieder auf, nachdem er 75% seines Besitzes im Laufe der alliierten Besatzung verloren hatte. 1952 musste er sich auf Druck der Alliierten von den restlichen Kohleunternehmen trennen. Flick galt jedoch bald nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wieder als einer der reichsten Männer Westdeutschlands. Er wurde bald zum größten Aktionär bei Daimler und hatte Beteiligungen bei der Feldmühle, Dynamit Nobel, Buderus und Krauss-Maffei. 1955 besaß er wieder 100 Firmen mit einem Umsatz von rund 8 Milliarden DM. Sein persönliches Vermögen war schon wieder auf 88 Millionen DM angewachsen. Bis Ende der 1960er Jahre wurde Flick wieder unumstritten der reichste Mann Deutschlands. Zu Beginn der 60er Jahre bestimmte er seinen jüngsten Sohn Friedrich Karl zu seinem Nachfolger. Der älteste Sohn Otto Ernst klagte erfolglos dagegen und schied schließlich 1966 aus der Unternehmensführung aus. In diesem Jahr verstarb auch seine Frau Marie.
1963 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen.
Aufsehen erregte in den 1980er Jahren ein Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, der von Kreuztal als der gekauften Stadt sprach. In seiner Heimatstadt Kreuztal war er zu Lebzeiten zum Ehrenbürger ernannt worden. Zudem ist das dortige städtische Gymnasium nach ihm benannt („Friedrich-Flick-Gymnasium“), welches er mit 3 Millionen DM über eine Stiftung finanzierte. Im April 2008 haben ehemalige Schüler des Gymnasiums eine Initiative gegründet, um eine Debatte über den Namen der Schule anzustoßen.[1] In Rosenberg ist das dortige Stadion des ehemaligen Landesligavereins TuS Rosenberg, das Dr.-Friedrich-Flick-Stadion, nach ihm benannt.
Als er am 20. Juli 1972 in Konstanz starb, hinterließ er seinem Sohn und seinem Enkel Friedrich Christian Flick einen Konzern mit 330 Unternehmen, rund 300.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von circa 18 Milliarden DM. Flick wurde in seiner Geburtsstadt Kreuztal beerdigt. Dort steht auch noch sein Geburtshaus, das nach dem Tod von Friedrich Karl Flick von seinen Erben am 4. April 2007 an die Kreuztaler Stiftung Diakoniestation verkauft wurde.
Siehe auch
Forschungsprojekt „Flick im 20. Jahrhundert“, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Literatur
- Thomas Ramge: Die Flicks. Eine deutsche Familiengeschichte um Geld, Macht und Politik. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-593-37404-8
- Günter Ogger: Friedrich Flick der Grosse. 3. Auflage, Scherz Verlag, Bern-München-Wien 1971
- Manfred Ohlsen: Milliarden für den Geier oder der Fall des Friedrich Flick. 3., erweiterte Auflage, Verlag der Nation, Berlin 1985
- Kim Christian Priemel: Flick - Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Wallenstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 3-8353-0219-1
Einzelnachweise
Weblinks
- Vorlage:PND
- Nils Klawitter Freiwillige Zwangsarbeit? in: Der Spiegel 23/2008 vom 02.06.2008, Seite 96
- Thomas Ramge in der ZEIT
- Kurzer Überblick über das Leben und Wirken Friedrich Flicks
- Friedrich Flick und Kreuztal, die gekaufte Stadt (2004) und Der alte Mann und die Stadt (2008), Reportagen von Thilo Schmidt im Deutschlandradio
- Der Spender. Im westfälischen Kreuztal gibt es ein Friedrich-Flick-Gymnasium. Absolventen wollen den Namen des Kriegsverbrechers tilgen - die Stadt hält dagegen. Berliner Zeitung, Seite 3, 14. Mai 2008
Personendaten | |
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NAME | Flick, Friedrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Unternehmer |
GEBURTSDATUM | 10. Juli 1883 |
GEBURTSORT | Kreuztal-Ernstdorf |
STERBEDATUM | 20. Juli 1972 |
STERBEORT | Konstanz |