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Händigkeit

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Ich erweitere den Artikel und gliedere anschließend die „Beidhänder“ wieder aus. Grund: Beidhändigkeit spielt in der neurowissenschaftlichen Diskussion zur Händigkeit kaum eine Rolle (daher der Begriff „so genannte Beidhändigkeit“), ist also in einem eigenen Artikel (wie gehabt) besser untergebracht. Protestnoten bitte auf meiner Diskussionsseite placieren, danke.

Der Begriff Händigkeit beschreibt das Phänomen, dass höhere Primaten, also auch Menschen, für feinmotorische Tätigkeiten konsistent eine Hand bevorzugen, die so genannte dominante Hand. Die Lateralität (Seitigkeit) der Hände hängt individuell unmittelbar zusammen mit der Lateralität des Gehirns, genauer: der Spezialisierung der Hirnhemisphären.

Rechts- und Linkshändigkeit

Die meisten Menschen sind sog. Einhänder, d.h. sie folgen beim Gebrauch der Hände einer eindeutige Aufgabenverteilung zwischen der rechten und der linken Hand. Je nachdem, ob bevorzugt die rechte oder die linke Hand eingesetzt wird, unterscheidet man Rechts- und Linkshänder. Rechtshänder stellen dabei mit 85 % die überwiegende Mehrheit. Der Rechts- bzw. Linkshändigkeit korrespondiert die Lateralisierung. Rechtshänder verarbeiten die aufgenommenen visuellen Sinnesreize vorwiegend in der rechten Gehirnhälfte, Linkshänder in der linken. Dies ist am Beispiel eines Mustererkennungs-Tests zur emotionalen Einschätzung von zwei Gesichtern mit jeweils spiegelbildlich fröhlicher bzw. trauriger Gesichtshälfte experimentell nachweisbar. Bei diesem Test schätzen Rechtshänder das eine und Linkshänder das andere abgebildete Gesicht als freundlicher ein.[1]

Lateralität von Gehirn und Hand

Zwar wirken die beiden Hemisphären des Gehirns äußerlich fast wie Spiegelbilder, aber sie unterscheiden sich deutlich in ihren Funktionen. Die eine Hirnhälfte, meist die linke, ist spezialisiert auf alles, was mit Sprache zu tun hat, die andere, meist die rechte, orientiert sich im Raum, erkennt Gesichter und reagiert emotional, zum Beispiel auf Musikstücke. Außerdem ist die linke Hirnhälfte mit der rechten Körperseite und die rechte Hirnhälfte mit der linken Körperseite „verdrahtet“.

Bei 95% der Rechtshänder befindet sich das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte, bei 3% in beiden Hemisphären, bei 2% rechts. Auch bei der Mehrzahl der Linkshänder liegt das Sprachzentrum links, nämlich bei 70%, bei 15% ist es auf beide Hemisphären verteilt, bei weiteren 15% befindet es sich rechts. Wenn wir einen Anteil von 10% Linkshändern voraussetzen, befinden sich bei etwa 7% aller Menschen Sprachzentrum und „dominante“ Hand auf derselben Körperseite, also nicht in der üblichen engen Verbindung zueinander – ohne dass Nachteile auftreten.

Die Verhältnisse von Gehirn- und Handlateralität entziehen sich somit allgemeingültigen Regeln.

Beidhändigkeit

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Beidhändigkeit

Der Fachbegriff für Beidhändigkeit lautet Ambidextrie. Weil der Sachverhalt vielschichtig ist, spricht man auch von der „so genannten Beidhändigkeit“.

Die genauen Ursachen der Entstehung von Beidhändigkeit sind noch nicht bekannt und unter anderem Gegenstand entwicklungspsychologischer und neurowissenschaftlicher Forschung. Beobachtet wird so genannte Beidhändigkeit bei Umschulungsversuchen von Linkshändern, teils liegen auch pathologische Prozesse zugrunde. Darüber hinaus wird Beidhändigkeit als ein seltener Mittelwert auf einem Kontinuum zwischen eindeutiger Rechts- und eindeutiger Linkshändigkeit angesehen.

Beidhändigkeit kann sich auch entwickeln, wenn es bei der Geburt zu einer Sauerstoffunterversorgung im Gehirn des Kindes kommt, wobei die dominante Hirnhälfte zuerst und stärker betroffen ist. In der Folge zeigen die Kinder einen auffallend wechselnden Handgebrauch; erst spät entwickelt sich die klare Dominanz einer Hand, meist bis zum Eintritt der Pubertät.[2]

Die meisten Menschen zeigen bei einhändigem Werkzeuggebrauch eine ausgeprägte Tendenz zur ausschließlichen Verwendung der dominanten Hand, bei beidhändigen Arbeiten eine vergleichbare Tendenz zur stereotypen Aufgabenverteilung zwischen den Händen. Diese Händigkeit zeigt sich allerdings in unterschiedlichen Ausprägungsgraden: von starker Rechtshändigkeit über eine gewisse Beidhändigkeit bis hin zu starker Linkshändigkeit. Fast alle Menschen, die mit der rechten Hand schreiben und zeichnen, werfen mit derselben Hand, und das Schussbein ist häufig ebenfalls rechts. Dagegen wirft lediglich etwa die Hälfte der Menschen, die mit der linken Hand schreiben und zeichnen, mit derselben Hand (und schießt häufig mit dem linken Bein). Die andere Hälfte dieser Menschen wirft mit der rechten Hand; auch das Schussbein ist dann häufig rechts. Sicherlich nehmen sich Vertreter der letzten Gruppe gelegentlich als Beidhänder wahr.

Der Neurologe Frank R. Wilson, der den Sachverhalt und mögliche evolutionäre Gründe ausführlich schildert, relativiert zugleich die Eindeutigkeit des Dominanzbegriffs. Die antizipierende und unterstützende Tätigkeit der nichtdominanten Hand sei ebenso anspruchsvoll wie die Aktivität der das Werkzeug führenden dominanten Hand.[3]

Unter Musikern findet sich oft eine hohe Fertigkeit, die Hände nicht nur kooperierend zu nutzen, sondern auch unabhängig voneinander. Bei den Spielern von Streichinstrumenten ist die Kooperationsfähigkeit der Hände besonders ausgeprägt, bei Pianisten und Schlagzeugern die Unabhängigkeit der Hände voneinander. Da Linkshänder durchschnittlich ein dickeres corpus callosum (der Nervenstrang, der die Hemisphären des Gehirns miteinander verbindet) haben als Rechtshänder, vermutete der Psychologe Stephen Christman überdurchschnittlich viele Linkshänder unter den Spielern von Streichinstrumenten und überdurchschnittlich viele Rechtshänder unter Pianisten und Schlagzeugern. Diese Vermutung hat sich nicht bestätigt.[4]

Umschulung

Noch bis ca. 1985 wurden Linkshänder auf die rechte Hand „umgeschult“. Wegen negativer Begleiterscheinungen wie Sprachstörungen, schlechteren schulischen Leistungen und psychischen Problemen wurde dies unüblich.

Literatur

  • Gabriele Jakubowski: Zum Problem der Rechts-, Links- und Beidhändigkeit bei psychisch Kranken. Hochschulschrift, Bonn 1981. (zugl. Dissertation; Universität Bonn 1981)
  • Heike Osterodt: Hann Trier. Zur Genese des Malens mit beiden Händen im künstlerischen Werk 1947 bis 1959. Hochschulschrift, Rasch Verlag, Bramsche 1994, ISBN 3-922469-97-3. (zugl. Dissertation; Universität Münster/Westfalen 1993)
  • Frank R. Wilson: Die Hand – Geniestreich der Evolution. Ihr Einfluß auf Gehirn, Sprache und Kultur des Menschen. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002, ISBN 3-499-61338-7
  • Johanna Barbara Sattler: Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn. 9. Aufl., Auer Verlag, Donauwörth 2005, ISBN 3-403-02645-0
  • Raoul Daniel Zöllner: Erlernen zweihändiger feinmotorischer Handhabungen. Hochschulschrift, GCA-Verlag, Waabs 2006, ISBN 3-89863-225-3 (zugl. Dissertation; Universität Karlsruhe 2005)

Einzelnachweise

  1. UNI-Saarland, 2007, Folien Neurobiologie der Emotionen / Folie 8 + 9
  2. Johanna Barbara Sattler: Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn. (s. Literatur)
  3. Frank R. Wilson: Die Hand – Geniestreich der Evolution. (s. Literatur)
  4. Wolf-Dieter Roth: Ein- und Zweihänder. (s. Weblinks)
Wiktionary: Rechtshänder – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen