Zum Inhalt springen

Nötigung (Deutschland)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. Dezember 2003 um 11:56 Uhr durch Fgrassmann (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Nötigung ist ein Straftatbestand, der die persönliche Freiheit des einzelnen schützt. Konkret geschütztes Rechtsgut ist die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung. Der Nötigungstatbestand wird in der Laiensphäre häufig mit der Erpressung verwechselt. Der Unterschied zwischen Nötigung und Erpressung besteht in der Vermögensverfügung. Die Nötigung muss ursächlich für diese Vermögensverfügung sein.

Wortlaut

Der Tatbestand der Nötigung in § 240 StGB lautet:
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung nötigt,
2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

Merkmale und Auslegung

Die Nötigung ist ein "offener" Tatbestand, bei dem die Rechtswidrigkeit nicht durch die Erfüllung des Tatbestands indiziert wird, sondern gesondert festgestellt werden muss, da die Drohung mit einem empfindlichen Übel allein sozialadäquat sein kann (Beispiel: Der Gläubiger droht damit, Klage zu erheben, wenn nicht gezahlt wird). Da jegliches Verhalten, das psychischen Zwäng ausgeübt, tatbestandsmäßig ist, muss zusätzlich die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB festgestellt werden. Die Verwerflichkeit ist aber in der Regel schon immer dann gegeben, wenn ein körperlicher (also physischer Zwang) ausgeübt wird.

Als Gewalt wird sowohl vis absoluta (überwältigende Gewalt, die vor allem körperlich hervorgerufen wird) als auch vis compulsiva (beugende Gewalt, die in die Richtung eines psychischen Zwanges geht) verstanden. Für den Begriff der Gewalt wurde eine ausufernde Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht provoziert - dies erstreckte sich auf sog. Sitzblockaden, die eine Überdehnung des Versammlungsrechts darstellen, aber nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht die Intensität erreichen, so dass ein strafrechtlicher Verfolgungsanspruch bestünde. In erster Linie sind Sitzblockaden im Straßenverkehr psychische Hindernisse, die körperliche Anwesenheit stellt keine Gewalt dar. Zugleich, wurde vom Minderheitsvotum der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung erklärt, läge aber auch ein körperliches Hindernis vor, das die Grundrechte anderer missachte und nur mit enormern Kraftaufwands überwunden werden kann. Ankettungsaktionen vor Kernkraftwerken bspw. werden ebenso behandelt. Diese Frage ist jedoch immer noch nicht abschließend geklärt, da liberale Vertreter der Strafrechtswissenschaft und des Verfassungsrechts die Tatbestandsmäßigkeit nach § 240 StGB verneinen. Dennoch verbleibt häufig neben dieser Strafbarkeit noch die Freiheitsberaubung nach § 239 StGB, der gefährliche Eingriff in den Bahn-, Schienen- oder Straßenverkehr nach §§ 315b, 315c StGB.

Die Nötigung als Straftat stellt ein Vergehen dar. Die Strafbarkeit des Versuches ergibt sich aus § 240 Abs. 3 StGB.

Die besonders schweren Fälle nach § 240 Abs. 4 StGB sind Regelbeispiele der Strafzumessung. Problematisch ist dabei die Nötigung einer anderen Person zu einer sexuellen Handlung, da die sexuelle Nötigung selbst ein eigenständiger Straftatbestand ist. Hier wird jedoch eine Strafbarkeitslücke für diejenigen Fälle geschlossen, in denen der Täter bei einer Drohung mit einem empfindlichen Übel z.B. sexuelle Handlungen ohne körperlichen Kontakt verlangt.

Literatur

Achim Bertuleit, Sitzdemonstrationen zwischen prozedural geschützter Versammlungsfreiheit und verwaltungsrechtsakzessorischer Nötigung, Berlin 1994


Hinweis zu Rechtsthemen