Aussetzung (Strafrecht)
Die Aussetzung ist eine Straftat, die sich gegen das geschützte Rechtsgut des Lebens und insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit richtet. Die Aussetzung zählt zu den konkreten Gefährdungsdelikten. Durch die Strafrechtsreformen (insbesondere 6. StrRRefG von 1998) ist der Opferkreis und die Tathandlung erheblich ausgeweitet worden. Dennoch spielt das Delikt in der Praxis keine Rolle (2001: 19 Abgeurteilte in den früheren Bundesländern insgesamt). Die Aussetzung ist in § 221 StGB geregelt.
Der Tatbestand lautet:
(1) Wer einen Menschen
1. in eine hilflose Lage versetzt oder
2. in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, oder
2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Während vor 1998 nur Minderjährige, Gebrechliche, durch Krankheit Hilflose als Opfer des Delikts in Betracht kamen, kann nun jedermann, der sich in einer hilflosen Lage befindet, Opfer sein (beschränkt in Abs. 1, Nr. 2 auf diejenigen Personen, die in der Obhut des Täters stehen).
Typisches Beispiel ist das Verlassen eines Volltrunkenen in eisiger Kälte. Auch durch Unterlassen kann der Tatbestand verwirklicht werden, wenn die Hilfeleistung unterlassen werden sollte (hier spezieller als die unterlassene Hilfeleistung in § 323c StGB).
Die konkrete Gefährdung bedeutet, dass lediglich die Gefahr des Todes oder der schweren Gesundheitsgefährdung eingetreten sein muss.
Der Tatbestand des Abs. 1 ist vom Charakter her ein Vergehen und weist keine Versuchsstrafbarkeit auf. Abs. 2 ist eine Qualifikation und ein Verbrechen im engeren Sinne. Abs. 3 ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt (Tötungsdelikt im weiteren Sinn). Abs. 4 ist eine Strafzumessungsvorschrift für minder schwere Fälle.
In der Literatur ist der § 221 StGB in seiner aktuellen Fassung auf erhebliche Kritik wegen Disproportionalitäten in den Strafrahmen der einzelnen Absätze und der Gesamtkonzeption des Aussetzungstatbestands gestoßen.
Literatur
Wilfried Küper, Strukturanalyse zu § 221 Abs. 1 nF, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1999 (Bd. 111), S. 1 ff., mit weiteren Nachweisen
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