Zum Inhalt springen

Volksbuch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. März 2005 um 19:40 Uhr durch 217.81.91.192 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Volksbuch ist eine von Joseph Görres und Johann Gottfried von Herder, Ende des 18. Jahrhunderts, eingeführte Bezeichnung von volkstümlichen Schriften, meist in Prosaform. Leider wird mit dem Begriff kein günstig erwerbbares Allgemeingut für das gesamte Volk, ein Volksbuch, verstanden, siehe auch Volks-Bibel.

Es ist zumeist im 15. und 16. Jahrhundert teils im Volk selbst entstanden, teils aus gebildeteren Schichten, meist mit formalen Abänderungen, in dasselbe übergegangen.

Das Volksbuch der deutschen Literatur entnimmt seinen Stoff zumeist aus der schon vorhandenen und verbreiteten älteren Sage, zum großen Teil als Umarbeitung oder Übertragung älterer Produkte. Bei diesen Umarbeitungen wählte man aber nicht die nach Gehalt und Form vollendetsten deutschen Dichtungen des 13. Jahrhunderts (wie etwa Wolframs "Parzival"), denn diese standen dem Verständnis des 15. und 16. Jahrhunderts bereits zu fern; auch aus der deutschen Heldensage gestaltete sich nur ein ziemlich roher Teil: die Jugendgeschichte Siegfrieds, aus einer Auslösung des älteren Siegfriedliedes zu dem prosaischen Volksbuch vom Hürnen Siegfried.

Unmittelbares Volksbuch wurde "Reineke Fuchs" in seiner damaligen poetischen Gestalt als volkstümliche Tiersage.

Auf deutsche Sage und Geschichte bezieht sich das gereimte

Das Volksbuch von Herzog Ernst" schloss sich nicht an das ältere deutsche Gedicht, sondern an eine lateinische prosaische Version an, wie auch Steinhöwels zum Volksbuch gewordene Bearbeitung des "König Apollonius von Tyrland" die lateinische Erzählung des Gottfried von Viterbo zu Grunde liegt.

Beliebte Volksbücher waren auch verschiedene Reisebeschreibungen, so die Reisen Marco Polos und Maundevilles.

Die Literatur der deutschen Volksbücher wurde vermehrt durch zahlreiche Übersetzungen aus dem Französischen; doch ließ man auch hier die großen alten Epen des karolingischen Sagenkreises unbenutzt, und nur drei zu diesem gehörige Romane wurden aus jüngeren Bearbeitungen übertragen:

Ein anderer an die Karlssage sich anlehnender Roman: Florio und Bianceffora (Metz 1499), wurde dem "Filicopo" Boccaccios entnommen. Dem karolingischen Sagenkreis gehört noch an: Loher und Maller, übersetzt durch Elisabeth von Nassau (1437; Erstdruck, Straßburg 1514). Die Geschichte Hugo Capets behandelt der von derselben bearbeitete Hug Schapler (Straßburg 1500).

Weitverzweigten Sagenstoff vereinigt "Pontus und Sidonia, übersetzt durch Eleonore von Österreich (um 1450; Erstdruck, Augsburg 1485).

Weiter gehören hierher:

Erzählungen, deren Ursprung oft in die ältesten orientalischen Literaturen zurückreicht, wanderten von einem Volk zum andern und wurden wiederholt in Sammlungen vereinigt. Zwei der beliebtesten Sammlungen dieser Art sind die

Daneben entstanden auch neue Sammlungen ähnlicher Art, wie: Der Seele Trost (Augsburg 1478) und Johann Paulis Schimpf und Ernste (Straßburg 1522), denen als Nachahmungen sich anschlossen Valtin Schumanns Nachtbüchlein (um 1559), Kirchhofs Wendunmut (Frankfurt 1563), Wickrams Rollwagenbüchlein (Straßburg 1557), Jakob Freys Gartengesellschaft, Martin Montanus' Wegkürzer etc.

Von außen kamen einzelne Novellen wie aus dem Französischen die Geduldige Helena (Straßburg. 1508) und, durch Steinhöwel aus dem Lateinischen des Petrarca übersetzt, die Griseldis (Augsburg 1471).

Aus lateinischer Quelle stammt auch das prosaische Volksbuch von Salomon und Marcolf (Nürnberg 1487), das den Marcolf zum Träger demokratischer Schalksnarrenweisheit macht.

Dieser Lust an Schwänken verdanken auch einige echt deutsche Originalwerke ihren Ursprung, wie vor allem der Eulenspiegel, die Schildbürger oder das Lalebuch, zwei gereimte Volksbücher: Der Pfarrer vom Kalenberg (von Philipp Frankfurter um 1400; erster Druck, Frankfurt 1550) und Peter Leu von Hall, auch "Der andre Kalenberger" genannt (von Achilles Jason Widmann, das. 1560); ebenso Der Fintenritter (Straßburg um 1559), ein Vorläufer der Münchhauseniaden, und zwei mit dem Eulenspiegel verwandte Sammlungen von Schwänken: "Der Klaus Narr" von Wolfgang Büttner (Eisleben 1572) und der "Hans Clawert" von Bartholomäus Krüger (Berlin 1587).

Mehrere deutsche Volksbücher ernsten Inhalts sind in Deutschland selbst entstanden, darunter der Fortunatus und die Historia vom Dr. Faust, letzterer war schon im 15. Jahrhundert der Bruder Rausch vorangegangen, der den Bund mit dem Teufel in humoristischer Auffassung darstellte. Einen Vertrag mit dem Teufel enthält auch die durch Georg Thym gereimte Sage von Thedel Unverferd von Walmoden (Magdeburg 1550).

Das jüngste Volksbuch deutschen Ursprungs ist die Erzählung von der Pfalzgräfin Genoveva.

Endlich ist noch der Sprüche und Gewohnheiten mancher Handwerkerzünfte u. dgl. zu gedenken, die aufgezeichnet und gedruckt auch außerhalb der Zunftgenossenschaft im Volk Leser fanden.

Im 17. Jahrhunderten wandten sich die höheren Stände von den Volksbüchern ab, die durch Veränderungen, namentlich Verkürzungen, sowie dadurch viel an dichterischem Wert einbüßten, dass sie dem sich ändernden Massengeschmack angepasst wurden. So sanken sie zu den verachteten Büchlein "gedruckt in diesem Jahr" herab. Der unvergängliche poetische Gehalt, der den meisten Volksbüchern innewohnt und der selbst durch die äußerste Entstellung nicht ganz vertilgt werden konnte, wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder erkannt. Zuerst besprach Joseph Görres in seiner Schrift "Die deutschen Volksbücher" (Heidelberg 1807) 49 derselben und wies auf deren poetischen Gehalt hin. Dennoch fand v. d. Hagens "Narrenbuch" (Halle 1811), das die Schildbürger, den Kalenberger Pfaffen, Peter Leu und Salomon und Marcolf enthält, nur geringe Teilnahme. Erst Gustav Schwab in den "deutschen Volksbüchern" (Stuttgart 1836) und Marbach ("Deutsche Volksbücher", Leipzig 1838-47, 44 Bde.) gelang es, die alten Volksbücher zu allgemeinerer Kenntnis zu bringen.

Verdienste hat sich Simrock durch seine "Sammlung deutscher Volksbücher" (Frankfurt 1845-67, 13 Bde.) erworben. Eine Auswahl poetischer Volksbücher bietet Bobertags "Narrenbuch" (Bd. 11 von Kürschners "Deutscher Nationallitteratur"). Englische Volksbücher hat Thoms (London 1828, 3 Bde.) gesammelt; über die französischen belehrt Nodiers "Nouvelle bibliothèque bleue" (Paris 1842).

Neuere Ausgaben:

Vorlage:Meyers ist obsolet; heißt jetzt Vorlage:Hinweis Meyers 1888–1890