Zum Inhalt springen

Schuldnerberatung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. März 2005 um 19:29 Uhr durch 217.82.209.50 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Schuldnerberatung (SB) ist die noch immer überwiegend verwendete Bezeichnung für die Hilfestellung, die Menschen mit Schuldenproblemen in Form von Rat und Hilfe in psycho-sozialer, finanzieller und rechtlicher Hinsicht gewährt wird. Eine im Vordringen befindliche Fach-Minderheit (insbesondere die Verbraucher-Zentralen der Bundesländer) bezeichnet eine solche Beratung aus Anlass von Schulden-Problemen jedoch folgerichtig als "Schulden-Beratung" ähnlich dem Begriff "Renten-Beratung".

Die meisten Ratsuchenden geraten in Folge eines sogenannten "kritischen Lebensereignisses" in die Situation einer Zahlungsüberpflichtung, beispielsweise durch Verlust des Arbeits-Einkommens oder durch Entzweiungen von Partnerschaften. Auch Kurzarbeit, Schwangerschaft, Bürgschaften oder eine fehlgeschlagene Selbständigkeit können ein solches kritisches Lebensereignis darstellen. Wenn die -meist ungewollte- neue Einkommens-Situation nach Abzug des pfändungsrechtlich -für den Lebensbedarf- zu Belassenden die Erfüllung der Zahl-Pflichten -oft für ein betagtes Verbraucherdarlehen- nicht ermöglicht, ist die Insolvenz-Situation gegeben.

Eine Überschuldung ist manchmal aber auch auf die mangelnde Fähigkeit zurückzuführen, mit Geld umzugehen. Das Angebot des Handels, auf Darlehensbasis zu kaufen, bzw. der Banken, das Konto zu überziehen, verführt oftmals dazu, mehr Geld auszugeben, als eingenommen wird. Es ist natürlich schwieriger, die eigenen Lebenshaltungskosten zu erfassen als Kredite in Anspruch zu nehmen. Auch der bargeldlose Zahlungsverkehr ist eine Schuldenfalle. Da heutzutage das Konsumieren von Waren und Dienstleistungen mit dem Bezahlen meist nicht mehr zeitlich zusammenfällt (Gebührenrechnungen kommen erst einen Monat später, automatische Abbuchungen vom Konto) entsteht die Vorstellung, unbegrenzt über Geldreserven verfügen zu können. Wenn der betroffene dann eine Abrechnung mit hohen Ausgaben erhält, ist für diesen das Zustandekommen der Minus-Salden oft gar nicht nachvollziebar. Telefonrechnungen sind ein gutes Beispiel dafür.

Viele Schuldnerberatungsstellen (SB-Stellen) orientieren sich an einem ganzheitlichen Beratungskonzept, manche unter Einbindung von Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen, Psychologinnen, Betriebswirten, Ökotrophologinnen und Juristen. Vordringlichstes Ziel der Einzelberatung ist es zunächst, die elementaren Lebensbedürfnisse der ratsuchenden Menschen und ihrer Angehörigen abzusichern, indem alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Mittelfristig wird dann auch eine psycho-soziale Stabilisierung, die Aktivierung des Selbsthilfe-Potenzials und langfristig die Schuldenbefreiung angestrebt. In Deutschland ermöglicht die Insolvenzordnung ("InsO") den zahlungsüberpflichteten Menschen die Beantragung der Eröffnung eines gerichtlichen Verbraucher-Insolvenzverfahrens. Dieses führt nach Ablauf einer sechsjährigen Treuhandzeit ("Wohlverhaltensperiode") zu einer Zahlungs-Entpflichtung durch Gerichts-Beschluss ("Restschuldbefreiung").

Die Zahlungsüberpflichtung ("Überschuldung") von Menschen ("natürlichen Personen") hatte in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts so stark zugenommen, dass schließlich auch der BRD-Gesetzgeber sich veranlasst gesehen hat, neue gesetzliche Regelungen zum Zwecke der Verbraucher-Entschuldung einzuführen, um diese wieder marktfähig werden zu lassen. Schätzungen zufolge war in Deutschland im Jahre 2003 rund 10% der erwachsenen Bevölkerung als zahlungsüberpflichtet anzusehen. Als zahlungsüberpflichtet ist (nach den aktuellen Vorgaben der Insolvenzordnung) ein Mensch anzusehen, wenn seine Schulden mit dem Veräußerungserlös seiner zwangsvollstreckungsrechtlich aktuell verwertbaren Vermögensgegenstände u n d den pfändbaren Beträgen der nächsten sechs Jahre mit Wahrscheinlichkeit n i c h t vollständig getilgt werden können. (Lewerenz)

Die Höhe des pfändbaren Betrages ist in der gesetzlichen Zumutbarkeitstabelle ("Lohnpfändungstabelle") festgelegt, die als Anlage zu § 850 c der Zivilprozessordnung (ZPO) veröffentlicht ist.

Die vom Insolvenzgericht (meistens das Amtsgericht am Ort des örtlich zuständigen Landgerichts) bestimmte Treuhandstelle ("Treuhänder") verwertet zunächst die noch vorhandenen Vermögensgegenstände, zieht während der gesamten Treuhandzeit die bei Lohn- oder Lohnersatzleister nach der gesetzlichen Zumutbarkeits-Tabelle pfändbaren Einkommens-Anteile ein und verteilt das Angesammelte im Abstand von 12 Monaten nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften an die beteiligten Forderungspersonen (Gläubiger und Gläubigerinnen).

Während der Treuhandzeit ist der betroffene Mensch verpflichtet, im Falle einer gegebenen Arbeitslosigkeit -in nachweisbarer Weise- ein Erwerbseinkommen anzustreben. Im Falle eines Umzugs oder wenn Änderungen bei Lohnleister(n) (Arbeitgebern) oder bei Lohnersatzleistern (bei Krankengeld die Krankenkasse und bei Renten der Rententräger) eintreten, sind die jeweiligen neuen Verhältnisse der Treuhandstelle mitzuteilen. Auch Erbschaften oder Vermächtnisse ("Vermögens-Erwerb von Todes wegen") müssen der Treuhandstelle mitgeteilt werden, die dann die Hälfte des Vermögenwertes zu Gunsten der Forderungspersonen beansprucht. Bei Nicht-Einhaltung dieser Verpflichtungen ("Obliegenheitsverletzungen") kann das Insolvenzgericht die Zahlungs-Entpflichtung am Ende der Treuhandzeit verweigern ("die Restschuldbefreiung versagen").

Die 72-monatige insolvenzrechtliche Treuhandzeit ("Wohlverhaltensperiode") endet mit dem Tag, der in seiner Zahl dem Tage des gerichtlichen Insolvenzverfahrens-Eröffnungsbeschlusses entspricht.

SB-Stellen gelten -insbesondere nach Ansicht von unkündbar festangestellten Beratungskräften- nur dann als seriös, wenn sie für die Ratsuchenden kostenfrei arbeiten. Nach anderer Auffassung wird jedoch auch in solchen Beratungsstellen ernsthaft und den fachlichen Standards entsprechend gearbeitet, die sich wegen fehlender anderweitiger Finanzierung zu einer Gebühren-Erhebung veranlasst sehen.

Träger von Schuldnerberatungsstellen sind Kommunen, Verbraucherzentralen und sonstige gemeinnützige Organisationen. Entsprechende Auskünfte erteilen die zuständigen Kommunalverwaltungen. Seit dem Jahre 2000 entstehen jedoch immer mehr SB-Stellen, die keine soziale Arbeit sondern -ähnlich wie Mietervereine oder Lohnsteuerhilfevereine- ausschließlich Resolvenz-Beratung als Sachberatung anbieten.(z.B. Resolvenz-Bund)

Im Jahre 2004 war die Hälfte aller Schuldnerberatungsstellen in Deutschland nur mit einer einzigen Beratungskraft besetzt, so dass oft Wartezeiten von unzumutbarer Dauer entstanden. Die Verknappung der öffentlichen Mittel, die großenteils auf die politisch gewollte Ermäßigung der Besteuerung von supra-nationalen Wirtschafts-Unternehmen zurückzuführen ist, wird von den politisch Verantwortlichen gerne für den weiteren Personal-Abbau im Bereich der SB zum Anlass genommen.