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Chemnitz-Harthau

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Karte
Basisdaten
Fläche: 6,30 km²
Einwohner: 2346 (31. Dezember 2001)
Bevölkerungsdichte: 372 Einw./km²
(31. Dezember 2001)

Harthau ist ein südlicher Stadtteil von Chemnitz, der an die Stadtteile Altchemnitz, Erfenschlag, Klaffenbach, Einsiedel und Markersdorf grenzt. Er erstreckt zwischen dem Harthwald und Pfarrhübel entlang des Unterlaufs des Flusses Würschnitz und der B 95 nach Annaberg-Buchholz bis hin zum Harthauer Berg. Im Norden reicht Harthau bis an den Zusammenfluss des Zwönitz- und Würschnitzflusses zum Fluss Chemnitz.


Geschichte

historische Luftaufnahme des Harthauer Ortskerns

Über den Beginn der Besiedlung liegen keine schriftlichen Quellen vor, sie hat aber bereits vor 1340 begonnen, denn aus diesem Jahr liegt die erste Urkunde vor, ein Lehnsbrief, der den Besitzwechsel des Harthauer Lehngerichtes dokumentiert. Der Name Harthau bedeutet „Ort am Bergwald“, er leitet sich ab von der Bezeichnung Harth und Wartha. Man nimmt an, dass der Ort als kleines Waldhufendorf aus den beiden untergegangenen Wüstungen Harth und Wartha um das 12./13. Jahrhundert entstanden ist. Die Wüstung Harth befand sich vermutlich auf der Anhöhe zwischen der Alten Harth und Einsiedel, die Lage der Wüstung Wartha ist unbestimmt. Diese beiden Wüstungen wurden auf Grund der ungünstigen Bodenverhältnisse und des Wassermangels aufgegeben und in das Tal der Würschnitz verlegt.

Harthau war Besitz des Chemnitzer Benediktinerklosters. In einem Register des Klosters ist die Einwohnerzahl festgehalten, so sind 1486 13 ansässige und 1537 14 ansässige und 9 unansässige Familien registriert. Das Kloster betrieb in Harthau eine Schneidemühle. Im Zuge der Säkularisierung des Klosters wurde Harthau 1548 Amtsdorf, seit 1856 gehörte es zum Gerichtsamt, 1875 zur Amtshauptmannschaft, später zum Landkreis und seit 1950 zur Stadt Chemnitz.

Friedrich Georg Wieck, Begründer der ersten Sächsischen Bobbinetmanufaktur in Harthau

Aus dem Vergleich der Einwohnerzahlen von 1548 mit 17 besessene Mann, 2 Häusler u. 27 Einwohner mit der von 1765 mit 13 besessene Mann, 1 Gärtner und 15 Häusler ist abzuleiten, dass auch der Dreißigjährige und der Siebenjährige Krieg ihre Spuren hinterlassen haben. Das mittelalterliche Bannmeilenrecht erlaubte im Umkreis von Chemnitz keine Handwerker. Erst der Grimmaer Vertrag von 1555 erlaubte die Zulassung von Handwerksmeistern auf den Dörfern. In Harthau gab es einen Leineweber, einen Schneider und einen Böttcher.

Bereits um 1422 begannen in Harthau erste Bergbauversuche. 1708 erfolgten Grabungen nach Kupfer, mit geringem Erfolg. Auch Bohrversuche nach Steinkohle um 1819–1848 blieben ohne nennenswerten Erfolg. Mit der Errichtung der Spinnmühle durch C. F. Bernhardt im Jahre 1798 wurde Harthau zum Ausgangspunkt der industriellen Revolution in Sachsen. 1803 waren hier 114 Männer, Frauen und Kinder beschäftigt. Die Bernhardsche Spinnerei war weit über Sachsen hinaus bekannt. Selbst J. W. v. Goethe besuchte 1810 die Spinnerei. Ein wichtiger Industriezweig in Harthau war auch die Strumpfwirkerei. 1857 gehörten 157 Meister, 80 Gesellen und 36 Lehrlinge zu dieser Innung. Harthau entwickelte sich immer mehr zu einem Industrieort. Es gab im Ort zwei Spinnereien (Sächsische Kammgarnspinnerei und Kammgarnspinnerei Schäfer) eine Kassetten- und Kopierpressenfabrik (Drechsler & Wagner), zwei Eisengießereien (Gebr. Richter und Gebr. Steiner) eine Verbandwattefabrik (Schubert) sowie 10 weitere kleinere Betriebe.

Die Einwohnerzahl entwickelte sich ständig weiter. So zählte die Gemeinde folgende Einwohner:

Jahr/Datum Einwohner
1849 1.300
1880 1.764
1890 2.688
1900 4.503
1910 6.484
1933 7.139

Das Bevölkerungswachstum ist auch darauf mit zurückzuführen, dass viele Chemnitzer Arbeiter den schön gelegenen Ort Harthau als Wohnsitz wählten. Es entstand am linken Würschnitzufer ein neuer Ortsteil. An der Klaffenbacher Straße errichtete die Kammgarnspinnerei Wohnhäusel' für Betriebsangehörige (ein Teil davon wurde 1938 der Gemeinde Klaffenbach zugegliedert). Weitere Wohnungen entstanden in der Alten Harth und am Richterberg.

Blick nach Harthau um 1900 vom Gasthof Lehngericht aus

Durch die Vergrößerung der Gemeinde nahmen auch die kommunalpolitischen Aufgaben und Entscheidungen zu. 1838 wurde der Gemeinderat und der Gemeindevorstand geschaffen, die ihre Arbeit im Nebenamt versahen. Bis 1874 übte der jeweilige Lehngerichtsbesitzer die Polizeigewalt aus. Ab 1924 übte der Gemeindevorstand als hauptamtlicher Bürgermeister sein Amt aus. Der Gemeinderat tagte in der Wohnung des jeweiligen Gemeindevorstandes, bis 1890 im bisherigen Schulhaus das Gemeindeamt eingerichtet wurde. 1913 wurde das jetzige Rathaus erbaut.

Von der Wattefabrik Oswald Schubert erhielt Harthau bereits 1889 als erster Ort der Umgebung elektr. Strom. Am 1. Oktober 1895 erhielt Harthau durch den Bau der Eisenbahnlinie Anschluss an das staatliche Eisenbahnnetz. 1920 erfolgte der Anschluss an das städtische Gasnetz sowie 1938 der Bau einer Wasserleitung.

Im Kirchenvisitationsprotokoll von 1539 wird eine Kirche in Harthau erwähnt, die jedoch schon früher existierte. Obwohl diese Kirche mehrmals umgebaut und erweitert wurde, war sie für den ständig größer werdenden Ort nicht mehr ausreichend. So wurde nach umfangreichen Verhandlungen 1906 mit den Bau Lutherkirche begonnen, deren feierliche Weihe im August 1908 stattfand. Die Alte Kirche diente seit 1925 als Gedächtnisstätte für die 234 Gefallenen des 1. Weltkrieges. Sie steht unter Denkmalschutz und wird heute für festliche Musikveranstaltungen genutzt. 1904 wurde der neue Friedhof und 1905 die Friedhofkapelle übergeben.

Die 1891 errichtete kleine Schule Harthau

Auch auf das Schulwesen wirkten sich die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen aus. Bis 1846 unterrichtete in Harthau 1 Lehrer alle Schüler in einer Klasse. Im 1861 erbauten Kirchschulgebäude befanden sich bereits zwei Schulzimmer und zwei Lehrerwohnungen. Das 1891 errichtete Schulgebäude reichte nur 10 Jahre, so dass im Juni 1901 die große Schule eingeweiht wurde. Die Turnhalle wurde 1913 errichtet. Das 1855 als Stiftung gegründete Kinderheim Johanneum wurde 1926 nach Harthau verlegt. Das Heim wurde bis 1992 als Spezialkinderheim genutzt. Seit 1999 wird es als Wohnhaus ausgebaut.

Durch die Industrialisierung und die damit verbundene Umgestaltung wurde die Harthauer Bevölkerung frühzeitig politisch aktiv. 1819 wurde der Vaterlandsverein, 1869 die Lassalleaner sowie 1907 der sozialdemokratische Ortsverein gegründet. 1869 bestand bereits ein Gewerkschaftsverein. Die Ortsgruppe der KPD wurde 1919 gegründet. Die Arbeiter nannten Harthau stolz „Klein Moskau“. Der 2. Weltkrieg hatte auch seine Schmerzlichen Auswirkungen auf Harthau. Am 14. Februar und am 5. März wurden 39 Gebäude total, 27 schwer und 39 mittelschwer bzw. leicht zerstört. Die Gemeinde nahm fast 800 Flüchtlinge auf. Die Gemeindeleitung wurde von der SPD und der CDU übernommen. Seit 1919 gab es von seiten der Gemeinde mehrere Versuche zur Eingemeindung Harthaus in die Stadt Chemnitz. Jedoch durch Meinungsverschiedenheiten kam es zu keinem Vertrag. Erst 1950 erfolgte die Eingemeindung in die Stadt. Der Ort verlor dadurch an Eigenständigkeit und Identität. [1]

Kirchengeschichte Harthau

1539 gab es in Harthau bereits eine steinerne Kirche für die Orte Harthau, Berbisdorf und Eibenberg. 1609 und 1765 wurde sie grundlegend umgebaut und steht heute noch als „Alte Harthauer Kirche“ am Berghang hinter dem Pfarrhaus. Durch den Bau zweier Spinnereien und weiterer Industriebetriebe im Ort wuchs die Einwohnerzahl Anfang des 20. Jahrhunderts auf 7000 an (heute ca. 2400). Obwohl 1901 Eibenberg und 1905 Berbisdorf eigene Kirchen erhielten, reichte die Alte Kirche nicht mehr aus. So wurde 1906–1908 nach Plänen des Leipziger Architekten Paul Lange die neue und größere Lutherkirche errichtet. Sie ist im Jugendstil erbaut und unverändert erhalten geblieben. Trotz der nur leichten Beschädigungen durch den 2. Weltkrieg musste die Kirche in den 80er Jahren grundlegend restauriert werden. Dies geschah mit großem Engagement der Harthauer Gemeindeglieder und Ortsbewohner. So konnte sie 1988 mit einem Festgottesdienst wieder eingeweiht werden. [2]


Bernhardsche Spinnerei

„Zu Hartha befindet sich in einem romantischen Tale an der Würschnitz die große Spinnmühle der Gebrüder Bernhard …“ [3]

1797 erwarb Carl Friedrich Bernhard ein Grundstück in Harthau zum Bau einer Fabrik und errichtete mit Hilfe von Evan Evans eine der bedeutendsten Spinnereien Sachsens, die zusammen mit der Spinnmühle von Wöhler und Lange am Fischweg in Furth die Industrielle Revolution im Chemnitzer Raum und in Sachsen einleitete. Selbst Johann Wolfgang von Goethe besuchte 1810 die als technisches Wunderwerk geltende und äußerst erfolgreiche Spinnerei. Nach den Befreiungskriegen (1813–1815) ging die Spinnerei in Konkurs, später wurde sie u.a. von Carl Gottlieb Haubold, Friedrich Georg Wieck und Carl Friedrich Solbrig genutzt.

Bis heute erhalten haben sich vom Ensemble der Bernhardschen Spinnerei deren Gründungsgebäude aus dem Jahr 1800, das 1807 fertiggestellte klassizistische Herrenhaus der Familie Bernhard, das Spinnmeisterhaus (Ruine) aus dem Jahr 1820 und das 1836 als Arbeiterwohnhaus errichtete ehemalige Fabrikschulgebäude (gesicherte Ruine). Gründungsgebäude und Herrenhaus wurden 2006 nach langjährigem Verfall saniert und werden heute als Altenwohnheim genutzt. [4]


Bergbau in Harthau

Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde in Harthau Kupfer abgebaut. Später kamen Silber und Steinkohle hinzu. Alle Bergbauversuche wurden später erfolglos eingestellt. Bis ca. 1970 erfolgte in einem Steinbruch der Abbau von Hornblendeschiefer, einem diabasartigen Gestein mit eingelagerten Feldspaten. Diesen graugrünen Stein mit weißen Flecken (Harthauer Grünstein) findet man in mehreren repräsentativen Gebäuden im Chemnitzer Raum. [1]

Sehenswertes

Harthaus rege industrielle Vergangenheit brachte ein umfangreiches Baugeschehen mit sich. Im Ort finden sich noch heute, wenn auch meist in schlechtem Bauzustand, mehrere Baudenkmäler der Industriegeschichte, so z. B. das Fabrikgebäude (1800) und das Herrenhaus (1804) der Bernhardschen Spinnerei; Sachsens erster Fabrik, der Fabrikkomplex (Ruine) der Kammgarnspinnerei Paul Schäfer & Co. (ab 1886), Oswald Schuberts Wattefabrik (1898) oder das Fabrikantenwohnhaus (1861) und die Gießereihalle (1872) von Chemnitz’ ältester erhaltener Eisengießerei, der Gießerei Richter. Weiter haben sich in Harthau mehrere sehenswerte Wohnhäuser und Villen des 19. und 20. Jahrhunderts erhalten, u. a. das Schäfersche Villenanwesen (um 1885), die historischen Beamten- und Arbeiterwohnhäuser an der Klaffenbacher Straße gegenüber der Spinnerei, das schön sanierte ehemalige Harthauer Rathaus (1916), die Solbrigsche Fabrikschule an der Klaffenbacher Straße; Chemnitz letztes erhaltenes Fabrikschulgebäude von 1836 oder das ehemalige Johanneum (1926).

Der kleine Ort besitzt gleich zwei sehenswerte Kirchen. In der großen 1906 errichteten Lutherkirche ist besonders der im Geschmack des Jugendstil gehaltene Chorraum sehenswert. Die alte Kirche Harthau, eine Bergkirche (17./18. Jh.) besticht durch ihre schlichte Architektur und ihre reizvolle Lage. Auf deren Friedhof haben sich historische Erbbegräbnisse Harthauer Fabrikantendynastien erhalten, u. a. auch die spätklassizistische Grabanlage des Chemnitzer “Wollkönigs” Carl Friedrich Solbrig. Unterhalb der alten Kirche findet man mit dem ehemaligem Kirchschulgebäude (1861) und einem Biedermeierfachwerkhaus (1840) ein beschauliches historisches Bauensemble.

Eine nahezu unbekannte Chemnitzer Sehenswürdigkeit ist der historische Schiefersteinbruch Harthau (erschlossen ab 1822) an der Annaberger Straße.

Um Harthau sind mehrere Wanderwege erschlossen. Sie bieten einen schönen Ausblick in das Würschnitztal und das Erzgebirge. Mit der Lindenhöhe (1931) und der 1913 vom Erzgebirgsverein errichteten Körnerhöhe, kann man zudem zwei historische Aussichtspunkte entdecken.

In Harthau findet man mehrere Kaffees und Restaurants u. a. das historische Ausflugslokal “Waldhaus” im Ortsteil “Alte Harth”. [4]


Verkehr

Im Jahre 1895 wurde die Eisenbahnlinie von Chemnitz nach Stollberg in Betrieb genommen, welche durch Harthau führt und hier den einzigen Eisenbahntunnel in Chemnitz durchquert. Die Strecke wird nach erfolgter Elektrifizierung seit dem 15. Dezember 2002 von Fahrzeugen der Chemnitzer Stadtbahn befahren, deren Eigentümer die City-Bahn Chemnitz GmbH ist.

Persönlichkeiten

In Harthau wurden die beiden Maler Arthur und Constantin Feudel geboren. Beide wurden vor allem in den Niederlanden und in New York sowie in Italien und Dresden bekannt – in Chemnitz sind sie jedoch fast vergessen. 2007 wurde in Harthau der 150. Geburtstag Arthur Feudels gewürdigt.[1]


Einzelnachweise

  1. a b c (Quelle: Heimatsammlung Harthau)
  2. (Quelle: Lutherkirche Harthau)
  3. (Quelle: August Schumann, vollständiges Staats-, Post-und Zeitungslexikon von Sachsen, Zwickau 1816)
  4. a b (Quelle: Sandro Schmalfuß)


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