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Feridun Zaimoglu

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Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu, türkische Schreibweise Feridun Zaimoğlu, (* 4. Dezember 1964 in Bolu, Türkei) ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und bildender Künstler türkischer Herkunft.

Leben

Feridun Zaimoglu kam 1965 mit seinen Eltern nach Deutschland und wohnte bis 1985 in Berlin und München, seitdem lebt er in Kiel. Nach angefangenem Studium der Medizin und der Kunst arbeitet er als freier Schriftsteller.

Als Journalist schreibt er Literaturkritiken und Essays, u. a. für Die Zeit, Die Welt, SPEX und den Tagesspiegel. In den Jahren 1999/2000 war er am Nationaltheater Mannheim während der Schauspieldirektion Bruno Klimeks als Theaterdichter beschäftigt.

Im Jahr 2000 drehte Lars Becker den sozialkritischen Film Kanak Attack, für den Zaimoglu die Buchvorlage lieferte.

2003 war er Inselschreiber auf Sylt, im Sommersemester 2004 hatte er eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin inne.

2005 erhielt Zaimoglu ein Stipendium an der Villa Massimo. Erlebnisse dieses Rom-Aufenthalts hat er im Buch Rom Intensiv literarisch verarbeitet.

Am 11. August 2006 war Zaimoglu unter den Insassen eines Omnibusses, der in der Türkei verunglückte. Zwölf Fahrgäste wurden getötet und 21 schwer verletzt, Zaimoglu und seine ihn begleitende Mutter erlitten keine größeren Verletzungen. Der Autor hatte dies seiner Mutter zu verdanken, die vor Fahrtantritt auf einen Plätzetausch gedrängt hatte.[1]

Im November 2007 war Zaimoglu im Rahmen der Tübinger Poetik-Dozentur Dozent an der Universität Tübingen.[2]

Werk

In seinen literarischen Werken werden Ausgegrenzte zu Subjekten der Kultur. In seinem ersten Buch Kanak Sprak versucht Zaimoglu, authentisch die subversive Kraft der Sprache junger türkischstämmiger Männer in Deutschland literarisch darzustellen. Damit wendet er sich sowohl gegen einen romantischen Multikulturalismus wie auch gegen die Kulturschickeria. 1997 wurde eine Hörspielversion des Autors produziert, in welcher Zaimoglu selbst mitwirkte.

Sein früher Roman Abschaum (1997) wurde 2000 von Lars Becker als Kanak Attack verfilmt.

In Fachkreisen weit mehr geschätzt als sein Erstling sind seine bis heute nachgefolgten Werke, zu denen Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher gehören. Die Erzählung Häute erhielt den Jurypreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb des Jahres 2003.

Theaterfassungen und Drehbücher schreibt Zaimoglu, der bereits 1998 den Drehbuchpreis des Landes Schleswig-Holstein erhielt, heute vor allem mit seinem Freund Günter Senkel. 2003 wurde die Spielzeit der Münchner Kammerspiele mit der Zaimoglu/Senkel-Bearbeitung von Othello eröffnet. Es folgten Casino leger in Frankfurt am Main, Ja. Tu es jetzt in Bremen und im Juni 2004 die Uraufführung des Auftragswerks Halb so wild im Studio des Schauspielhaus Kiel. Als Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Kieler Autorenteam kam eine Bearbeitung von Romeo und Julia auf der großen Bühne des Schauspielhauses zur Uraufführung. Im März 2006 folgte die vielbeachtete (u. a. Titelthema und Stückabdruck bei Theater heute) Uraufführung des Stückes Schwarze Jungfrauen von Zaimoglu/Senkel im Berliner Hebbel am Ufer.

Neben seinen schriftstellerischen Aktivitäten ist Zaimoglu als bildender Künstler tätig. Unter dem Titel Kanak Attack. Die dritte Türkenbelagerung führte Zaimoglu vom 7. bis 28. März 2005 in der Kunsthalle Wien eine Fahneninstallation durch.

Im Mai/Juni 2006 wurde Zaimoglu von einer anonym gebliebenen Literaturwissenschaftlerin unterstellt, er habe mit seinem Roman Leyla, der hervorragende Kritiken erhalten hatte, weite Teile des Romans Das Leben ist eine Karawanserei von Emine Sevgi Özdamar plagiiert. Dies wurde mit Parallelen in der Handlung sowie vergleichbaren Metaphern begründet.
Zaimoglu bestritt, „jemals eine Zeile“ von Özdamars Roman gelesen zu haben. Auch Özdamar sprach den Autor vom Plagiatsvorwurf frei.[3]

Zaimoglu erhielt 2006 als „einer der wichtigsten jüngeren deutschsprachigen Autoren der Gegenwart“ den Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein. Am 17. April 2007 wurde ihm in München der Carl-Amery-Literaturpreis verliehen.[4]

2008 wurde sein neuer Roman Liebesbrand, in dem er u.a. den oben erwähnten Unfall literarisch verarbeitet, für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, der am 13. März 2008 auf der Leipziger Buchmesse verliehen wurde.[5]

Werke Zaimoglus wurden in weitere Sprachen übersetzt, so ins Englische, Italienische, Spanische, Slowenische und Türkische.

Teilnahme am politischen Diskurs

Der Autor beteiligte sich wiederholt an politischen Debatten. In der ersten Hälfte des Jahres 2006 wandte sich der Mitbegründer von Kanak Attak (z. B. in der Kultursendung polylux und in einem Leitartikel für die Wochenschrift Die Zeit) massiv gegen die aus seiner Sicht einseitig-negative Berichterstattung weiter Teile der deutschen Medien über eine behauptete schlechte Integration von Einwanderern in Deutschland, die unter anderem von den Vorgängen an der Rütli-Schule und um die Mohammed-Karikaturen ausgelöst worden waren.[6]

Zaimoğlu nahm im September 2006 als ein Vertreter der Zivilgesellschaft an der ersten Konferenz der Deutschen Islamkonferenz teil, die der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble initiiert hatte. Ende April 2007 übte er in Interviews mit der Islamischen Zeitung [7] und der Berliner Zeitung [8] Kritik an der personellen Zusammensetzung der Islamkonferenz. Er wies darauf hin, dass trotz seiner Anregung keine selbstbewusste kopftuchtragende Muslimin in die Konferenz aufgenommen wurde und dieser Personenkreis deshalb in der Konferenz nicht vertreten sei. Er räume seinen Platz gerne für eine entsprechende Repräsentantin. In diesem Zusammenhang warf er den seiner Ansicht nach „gehypten[9] Islamkritikerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ateş „Entgleisungen und Diffamierungen“ vor: „Sie greifen diese jungen gläubigen Frauen ständig, unermüdlich an.“ [9] Kelek verwahrte sich gegen seine "Beleidigung" und erwiderte, „dass er nur eitel ist und an der Sache kein Interesse hat.“ [10] Zuvor hatte er die Wortschöpfung „Schamtuchträgerinnen“ kreiert, die er verwendete, um Kopftuch tragende Muslimas zu beschreiben.[11]

Werke (Auswahl)

Buchveröffentlichungen

Theaterstücke (zusammen mit Günter Senkel)

  • Casino Leger, UA Schauspiel Frankfurt 2003
  • Ja. Tu es. Jetzt, UA Junges Theater Bremen, 2003
  • Halb so wild, UA Theater Kiel, 2004
  • Othello, nach Shakespeare, UA Kammerspiele München, 2003
  • Lulu Live, nach Wedekind, UA Kammerspiele München, 2006
  • Nathan Messias, UA Schauspiel Düsseldorf, 2006
  • Schwarze Jungfrauen, Theater Hebbel am Ufer, 2006
  • Molière, UA Salzburger Festspiele, Schaubühne am Lehniner Platz, 2007
  • Romeo und Julia, nach Shakespeare, UA Theater Kiel, 2006
  • Schattenstimmen, UA Schauspiel Köln, 2008

Buch- und Zeitschriftenbeiträge, Sonstiges

  • Deutschlandstaffelei in: Schweeger, Elisabeth & Witt, Eberhard (Hgg.): Ach Deutschland! Belville, München 2000 ISBN 3933510678 (S. 57 - 63)

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,434519,00.html
  2. http://www.poetik-dozentur.de
  3. Arndt Breitfeld: Özdamar dementiert Plagiatsvorwurf. In: Spiegel Online. 8. Juni 2006.
  4. Autor Feridun Zaimoglu mit neuem Literaturpreis geehrt. In: NZZ. 18. April 2007.
  5. http://www.preisderleipzigerbuchmesse.de/nominierungen.shtml
  6. Feridun Zaimoglu: Mein Deutschland. In: Die Zeit. Nr. 16, 12. April 2006.
  7. "Wünsche mir größeres Selbstbewusstsein der Moslems". In: Islamische Zeitung. 24. April 2007.
  8. Michaela Schlagenwerth: Wo sind die jungen Schamtuchträgerinnen? Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu kritisiert die Zusammensetzung der Islam-Konferenz. In: Berliner Zeitung. 25. April 2007.
  9. a b Patrick Bahners: „Kritiker der Islamkritikerinnen“, FAZ, 26. April 2007
  10. „Muslime, lernt die Freiheit des Einzelnen lieben!“, die tageszeitung, 30. April 2007, Interview mit Kelek
  11. „Feridun Zaimoglu schlägt sich auf die Seite der Schamtuchträgerinnen“, Freitag, 4. Mai 2007

Siehe auch

Rezensionen
Interviews