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Mercedes-Benz Baureihe 110

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Mercedes-Benz
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W110
Produktionszeitraum: 1961–1968
Klasse: Obere Mittelklasse
Karosserieversionen: Limousine, Limousine langer Radstand
Motoren: Dieselmotoren:
2,0 Liter (55 PS)
Ottomotoren:
1,9–2,3 Liter
(80−120 PS)
Länge: Limousine: 4.680 mm
Limousine langer Radstand: 5.330 mm
Breite: Limousine: 1.770 mm
 mm
Höhe: Limousine: 1.440 mm
 mm
Radstand:
Leergewicht: Limousine: ab 1.340 kg
 kg

Vorgängermodell Mercedes-Benz W120
Nachfolgemodell Mercedes-Benz W115
Mercedes-Benz 190 c / W110, Ausführung ab 1963
Mercedes-Benz 190 „Kleine Heckflosse“

Der W110 war ein PKW der Marke Mercedes-Benz. Fahrzeuge dieses Typs wurden von 1961 bis 1968 hergestellt, sie gehören der oberen Mittelklasse an und ersetzten die „Ponton-Reihe“ W120/W121.

Besonderheit und Erkennungsmerkmal des W110 waren die Heckflossen, mit denen der Hersteller Mercedes, der normalerweise für ein eher konservatives Design stand, ungewöhnliche Zugeständnisse an die damals herrschende Mode aus den USA machte. Die gradlinige, elegante Karosserieform mit den seitlichen Sicken im Blech wurde vom damaligen MB-Chefdesigner Karl Wilfert und seinem Team entwickelt. Verglichen mit amerikanischen Fahrzeugen fielen die Heckflossen beim W110 allerdings recht klein aus. Der Hersteller nannte sie ein wenig verschämt „Peilstege“, welche das Einparken erleichtern sollten – denn sie markierten klar das Ende des Autos. Ein weiterer Punkt dieser neuen Karosserie war die passive Sicherheit: Sie besaß eine stabile Fahrgastzelle und verformbare Knautschzonen. Bei der Heckflossen-Baureihe W111 wurde das Prinzip der Knautschzone weltweit zum ersten Mal im Automobilbau eingesetzt. Mercedes führte umfangreiche Crashtests durch, z.B. wurde ein Fahrzeug mit 80 km/h über eine Rampe zum Überschlagen gebracht.

Die Dieselversionen 190 D und 200 D waren aufgrund ihrer Langlebigkeit und Zuverlässigkeit, verbunden mit dem Fahrkomfort, dem sehr großen Kofferraum und den günstigen Treibstoffkosten das meistgefahrene Taxi ihrer Zeit, was wohl die wesentlich größeren Produktionszahlen der Dieselmodelle im Gegensatz zu den Benzinern erklärt. Fahrleistungsmäßig waren die Diesel mit einem Leergewicht von knapp 1,4 Tonnen und 55 PS recht untermotorisiert. Die Höchstgeschwindigkeit bei den Versionen mit Automatikgetriebe betrug 127 km/h, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h lag mit Schaltgetriebe bei 29 Sekunden – was ungefähr den Werten eines VW Käfer 1200 mit 34 PS entspricht. Mercedes-Benz war bis Anfang der 1970er-Jahre quasi alleiniger Hersteller von Diesel-Pkw in Deutschland.

Erste Bauserie 1961 bis 1965

Im Juni 1961 begann die Produktion. Der W110 teilte sich große Bereiche der Karosserie mit dem damaligen Oberklassemodell W111/W112, welches ab 1959 erschienen war. Er unterschied sich äußerlich von seinem großen Bruder durch einen um 14,5 cm verkürzten Vorderwagen, runden anstelle den vertikalen Scheinwerfern („Lichteinheiten“), kleinere Rückleuchten, einfache Stoßstangen (die Heckpartie war nahezu identisch zum Basismodell 220b der Baureihe W111) und weniger Chromzierrat. Nebelscheinwerfer gab es als Sonderausstattung unter den Hauptscheinwerfern. Die vorderen Blinker platzierte man zusammen mit den Parkleuchten auf den Vorderkotflügeln in der Nähe der A-Säule. Auf dem linken Kotflügel befand sich bis 1963 der Außenrückspiegel, danach wurde er an der Fahrertür hinter dem Ausstellfenster montiert, was das Einstellen vom Fahrersitz aus wesentlich erleichterte. Auch die Rückleuchten erhielten im selben Jahr ein Facelift, das oben bis zu Mitte überstehende Glasprofil wurde abgeflacht. Spitzname des Modells ist wegen der Heckflossen „Kleine Flosse“ (im Gegensatz zum W111/W112, welcher „Große Flosse“ genannt wird). Das Innenraum- und Kofferraumangebot ist genauso komfortabel wie bei der „Großen Flosse“. Alle Modelle hatten eine sehr kompakte, ungewöhnliche Instrumentenkonsole mit senkrecht verlaufender Tachometerskala. Je nach Geschwindigkeitbereich wechselte die Farbe der Anzeige von gelb über rot/gelb bis rot.

Die Fahrzeuge wurden unter der Bezeichnung 190 und 190 D (Diesel) verkauft, zur Unterscheidung zu den Ponton-Vorgängermodellen lautete die interne Bezeichnung 190c und 190 Dc. Als Motoren wurden Reihenvierzylinder eingebaut: beim 190c der M121 mit 1,9 Litern Hubraum und 80 PS, Gemischaufbereitung durch einen Solex 34 PJCB Fallstromvergaser. Der 190 D erhielt den auf 2 Liter vergrößerten Dieselmotor OM621 III aus der letzten Pontonserie mit Bosch 4-Stempel-Einspritzpumpe und 55 PS.

Das Fahrwerk bestand vorne aus einer Doppelquerlenkerachse mit Schraubenfedern, hinten aus einer Eingelenk-Pendelachse mit Schraubenfedern und Ausgleichsfeder in der Mitte. Hydraulische Bremsanlage mit Trommelbremsen vorne und hinten, auf Wunsch mit Bremskraftverstärker. Ab August 1964 wurde serienmäßig eine Zweikreis-Bremsanlage mit Bremskraftverstärker und Scheibenbremsen vorne eingebaut.

Zweite Bauserie 1965 bis 1968

Mercedes-Benz 200 / W110
Mercedes-Benz 200 „Kleine Heckflosse“

Ab Juli 1965 (man spricht auch von der Zweiten „Generation“) hießen die Fahrzeuge 200 und 200 D. Der 200 D erhielt dabei einen überarbeiteten Motorblock (OM621 VIII) mit fünffach statt bisher dreifach gelagerter Kurbelwelle, dadurch wurde der Motorlauf erheblich ruhiger. Auch der M121 erhielt fünf Hauptlager und der Hubraum wuchs auf 2 Liter, die Leistung auf 95 PS. Die Gemischaufbereitung erfolgte nun durch zwei Solex 38 PDSJ Fallstromvergaser. Die 200er unterscheiden sich neben den anderen Motoren von ihren Vorgängern durch zusätzliche serienmäßige Nebelscheinwerfer unterhalb der Hauptscheinwerfer, in der gleichen Einheit befinden sich nun auch die Parkleuchten und seitlich die vorderen Blinker.

Ferner gab es einen größeren 65-l-Tank (als Sonderausstattung auch 85 l), verchromte Entlüftungsöffnungen in den C-Säulen wie beim W111/W112 und zwei horizontale Chromstreifen am Heck – der Chromschmuck hinten an den Flossen entfiel, wodurch diese noch zierlicher wirkten (Heckflossen-Karosserien kamen zu dieser Zeit im Prinzip schon aus der Mode, ihr Zenit war gegen Ende der 1950er-Jahre). Die Rückleuchten hatten beim 190 eine oben zur Heckmitte leicht abgeschrägte Form und rote Blinker. Beim 200 waren sie nun oben gradlinig, wurden dadurch etwas größer und hatten aufgrund der neuen StVZO gelbe Blinker.

Das Modell 230

Neu dazu kam der 230 mit dem 2,3-Liter-Reihensechszylinder M180 als stärkstes Modell der Baureihe W110 – zunächst mit 105 PS und zwei Solex 38 PDSI-2 Fallstromvergasern, ab Juli 1966 wurde die Leistung auf 120 PS gesteigert, zwei Zenith 35/40 INAT Fallstrom-Doppelregistervergaser übernahmen die Gemischaufbereitung. Die 120-PS-Maschine brachte den 230 mit Schaltgetriebe bis auf 175 km/h, mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 13 Sekunden. Als erstes Mercedes-Serienfahrzeug erhielt der 230 einen separaten Kühlmittelausgleichsbehälter hinten im Motorraum. Man machte aus der Not eine Tugend, denn der Platz im kürzeren Vorderwagen des W110 war recht knapp bemessen für einen Reihensechszylinder und im Prinzip nicht dafür vorgesehen. Wegen des längeren Motorblocks musste der Kühler komplett in den Kühlerrahmen einrücken – ein Einfüllstutzen direkt am Kühler war somit nicht möglich. Äußerlich unterscheidet sich der 230 von seinen schwächeren Brüdern 200 und 200 D lediglich durch den Schriftzug „230“ auf der Kofferraumhaube. Im Innenraum waren an den hinteren Türen zusätzliche Haltegriffe angebracht, die Rücksitzbank hatte serienmäßig eine eingebaute, ausklappbare Armstütze. Der 230 ist sozusagen ein Zwitter aus dem Baukastensystem, eine Übergangs- oder Sparversion zwischen den kleinen Vierzylindern und den großen Sechszylindern – Mercedes-Benz hatte diese Rolle schon einmal (1956–1959) dem Modell 219 aus der Baureihe W105 zugewiesen. Die Produktionszahl des 230 war mit knapp 40.300 Exemplaren nicht sehr hoch.

Im Februar 1968 wurde die Produktion der Baureihe W110 nach knapp sieben Jahren eingestellt. Nachfolger war der seit Herbst 1967 millionenfach produzierte, sehr erfolgreiche W115 „Strich-Acht“.

Der W110 ist heute ein begehrter Oldtimer.

Karosserievarianten

  • Limousine 4-türig
  • Limousine 4-türig als 7-sitzige Langversion (Binz-Umbau)
  • Kombi 5-türig, genannt „Universal“ (gebaut bei IMA in Belgien)

Motoren

Ottomotoren:

  • 1,9-Liter-Vierzylinder (M121) 80 PS (190c, 1961–1965)
  • 2,0-Liter-Vierzylinder (M121) 95 PS (200, 1965–1968)
  • 2,3-Liter-Sechszylinder (M180) 105 PS (230, 1965–1966)
  • 2,3-Liter-Sechszylinder (M180) 120 PS (230, 1966–1968)

Dieselmotoren:

  • 2,0-Liter-Vierzylinder (OM621) 55 PS (190 Dc, 1961–1965)
  • 2,0-Liter-Vierzylinder (OM621) 55 PS (200 D, 1965–1968)

Getriebe

Voll- und sperrsynchronisiertes Viergang-Schaltgetriebe - serienmäßig mit Lenkradschaltung, auf Wunsch mit Mittelschaltung. Alle Modelle waren optional mit einem Viergang-Automatikgetriebe lieferbar (eine Viergang-Automatik war zu dieser Zeit revolutionär – die meisten Getriebe-Automaten in Fahrzeugen anderer Hersteller hatten höchstens drei Gänge). Der erste Gang war über den Wählhebel nicht schaltbar. Erst beim vollen Durchtreten des Gaspedals (Kick-down) schaltete die Automatik bei Bedarf zum Erreichen einer maximalen Beschleunigung in die erste Fahrstufe herunter.

Produktionszahlen

Modell Stück
190c 130.554
190 Dc 225.645
200 70.207
200 D 161.618
230 40.258

Sonstiges

Der 70-jährige, selbständige Berliner Taxifahrer Ralf Werner fuhr bis vor kurzem noch seine Kunden mit einem W110 in hellelfenbein, Modell 190 Dc, Baujahr 1964 – das älteste Taxi von Berlin. Im Zuge der neuen Feinstaubverordnung in der Umweltzone ab Januar 2008 wurde ihm der Betrieb des Fahrzeugs in weiterer Zukunft als Taxi untersagt und ihm auch das H-Kennzeichen für historische Fahrzeuge aufgrund der gewerblichen Nutzung wieder aberkannt. Werner will nun versuchen, eine Ausnahmegenehmigung für seinen bei den Fahrgästen sehr beliebten Oldtimer zu bekommen, notfalls über gerichtliche Schritte.


Commons: Mercedes-Benz W110 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien