John Harrison (Uhrmacher)

John Harrison (* 1693 in Yorkshire; † 24. März 1776) war Tischler und autodidaktischer Uhrmacher. Er löste das „Längenproblem“ durch Entwicklung einer äußerst präzisen Uhr. Dafür erfand er unter anderem die Hemmung und eine Methode der Temperaturkompensation.
Das Längenproblem
Während die geografische Breite relativ einfach mit für die Seefahrt hinreichender Genauigkeit bestimmbar ist, gestaltet sich die Bestimmung der Länge mit ähnlicher Genauigkeit weitaus schwieriger.
Das Problem war für die Seefahrt seit jeher so gravierend, dass Spaniens König bereits 1600 erfolglos einen Preis für eine Lösung ausgesetzt hatte.
Die Gründung des Königlichen Observatoriums in Greenwich durch Charles II., 1675, war Englands erster Schritt auf der Suche nach genauer Länge.
Nach dem Schiffbruch einer Flotille, der rund 2000 Todesopfer gefordert hatte, lobte 1714 Englands Parlament für eine praktisch brauchbare Lösung bis zu 20.000 Pfund aus, je nach Genauigkeit der gefundenen Methode. Ein seegängiges Schiff mittlerer Größe hatte damals einen Kaufpreis von rund 1500-2000 Pfund; ein einfacher Arbeiter verdiente vielleicht 10 Pfund im Jahr. Zur Verwaltung des Preisgeldes und zur Beurteilung eingereichter Vorschläge wurde die „Längenkommission“ Board of Longitude gegründet, der die damals bedeutendsten Astronomen und Mathematiker Englands angehörten.
Mögliche Lösungswege
Wegen der Erdrotation müssen zur Bestimmung der Länge
- entweder aufwändige astronomische Beobachtungen gemacht werden (besonders durch Messung von Monddistanzen), oder
- eine sekundengenaue Zeitmessung ist nötig. Bis 1700 war jedoch, selbst auf festem Boden, nur eine auf rund eine Minute (täglicher Abweichung) genaue Uhr vorstellbar. Nicht einmal Isaac Newton hatte eine hinreichend genaue Uhr für jemals technisch machbar gehalten.
- Eine dritte ernsthaft in Erwägung gezogene Alternative war die Auswertung von Ungleichmäßigkeiten des Erdmagnetfelds.
- Auf abstruse Vorschläge, mit denen die Kommission ebenfalls befasst war, soll hier nicht eingegangen werden.
Harrisons Vision
Während sich Astronomen um astronomische Lösungen, insbesondere die Monddistanz-Methode, bemühten, setzte John Harrison auf genügend genaue Uhren. Er hatte 1713 seine erste Pendeluhr mit Holzräderwerk gebaut, später als erste bedeutende Erfindung die Temperaturabhängigkeit der Pendel kompensiert: Ein Gitter aus zwei Arten von Metallstäben mit unterschiedlicher Wärmeausdehnung, Stahl und Messing, verhinderte die Änderung der Pendel-Gesamtlänge bei Temperaturschwankungen.
Reibungsarmen Lauf seiner Standuhren hatte er mit seiner Grasshopper-Hemmung erzielt, schmierungsfreie Holzräder vermieden Fehler durch verharzendes Öl. Überprüfungen anhand von Sternbeobachtungen bewiesen die Verringerung früherer Ungenauigkeit auf weniger als ein Zehntel.
Im Wettbewerb um den äußerst hoch dotierten Längengrad-Preis widmete sich John Harrison jetzt der Konstruktion von Uhren, die auf Schiffen einsetzbar sein sollten: 1728 stellte er sein Konzept vor, 1735 sein erstes Modell. Temperaturschwankungen kompensierte er durch Bimetall, Schiffsbewegungen, indem er zwei identische Pendel durch eine Feder verband.
Erfolgreiche Tests
Eine Testfahrt mit der H1 nach Lissabon und zurück zeigte weitaus höhere Genauigkeit als für die Erlangung des Preises vorgeschrieben, jedoch hatte die Reisedauer nicht den Bedingungen der Ausschreibung entsprochen. Vor allem aber stand Harrison als wissenschaftlicher Laie einem gelehrten Gremium gegenüber. Das verzögerte die Approbation seiner Idee um Jahrzehnte. Besonders Sir Nevil Maskelyne (1732-1811), Königlicher Astronom ab 1765, setzte bis zuletzt auf die Monddistanzen und änderte die Auslegung der Ausschreibung zu Harrisons Ungunsten.
Harrison erhielt aus dem Fundus der Längenkommission gerade genug Geld für ein verbessertes Modell, heute als H2 bekannt (1737), später für die kugelgelagerte H3. Keine der Uhren wurde getestet, da England im Krieg mit Spanien war und man nicht den Verlust des Gerätes in Kauf nehmen wollte.
Das bahnbrechende Modell 4
Eine Taschenuhr, die er 1753 bei John Jefferys in London für sich selbst anfertigen ließ und die überraschend genau ging, bewog Harrison zu einem vollkommen neuen Konzept: Er brach die Weiterentwicklung von H3 ab und stellte 1759 ein viertes Modell vor, heute H4, 13 cm Durchmesser, 1,45 kg: Weitaus kleiner und leichter als jedes seiner früheren Stücke. Wesentlich für die Genauigkeit der H4 waren Lager aus Diamanten und ein neu entwickelter Antriebsmechanismus (remontoir). Das Prinzip wird noch heute in mechanischen Chronometern angewandt.
Kampf um das Preisgeld
H4 zeigte auf 81-tägiger Fahrt nach Jamaika und zurück nur 5 Sekunden Fehler, ihre Genauigkeit wurde aber als „zufällig“ beargwöhnt. Harrison wurde genötigt, sie vor den Augen der Kommission zu zerlegen, zu erklären, Konstruktionszeichnungen zu übergeben, nach denen ein anderer Uhrmacher das Modell ebenfalls anfertigen konnte, und ein weiteres Exemplar herzustellen (ursprünglich sogar zwei). Er hatte 1765 10.000 £ erhalten, nachdem er sich an das Parlament gewandt hatte, durfte für den Nachbau einen Fachmann vorschlagen und entschied sich für Larcum Kendall, Uhrmacher in London.
Harrison selbst, bereits in hohem Alter, musste sein nächstes Modell ohne seine früheren Originalpläne bauen, schaffte aber in Zusammenarbeit mit seinem Sohn William wieder ein verbessertes Exemplar, H5. Nach einer Audienz bei Georg III. testete der König das Gerät persönlich, äußerte höchste Zufriedenheit und versprach sich für Harrison zu verwenden, was aber vom Board of Longitude ebenfalls nicht anerkannt wurde. Erst nachdem der König angedroht hatte, persönlich vor dem Parlament zu erscheinen, wurden Harrison 1773, drei Jahre vor seinem Tod, weitere 8750 £ zugebilligt.
Längenproblem gelöst
Erst als James Cook 1775 von seiner zweiten Weltreise heimkehrte und die Qualität der K1, Kendalls exakter Kopie der H4, bestätigte, galt auch den Astronomen das Längenproblem als gelöst. Im Logbuch nennt der zunächst ebenfalls skeptische Cook die Kendalls Werk seinen nie versagender Führer: Eine Uhr nahm die Uhrzeit des Ausgangshafens mit auf die Reise, und aus der Differenz zur Ortszeit war die Länge bestimmbar. H1 war durch die Tests und mehrfaches Zerlegen für diese Reise nicht mehr in Frage gekommen.
Während Harrison um sein Preisgeld kämpfte, forschten Astronomen weiterhin an einer Methode zur Längenbestimmung mittels Monddistanzen.
Entwicklung der Chronometer
Andere, gelernte, Uhrmacher entwickelten wenig später billigere Uhren, die das selbe leisten konnten. Hatte K1 (die Kopie von H4) 500 Pfund gekostet, rund 30% vom Wert eines damaligen Schiffes, so gelang es den Uhrmachern John Arnold und Thomas Earnshaw, die Produktion soweit zu vereinfachen, dass Chronometer gegen 1790 auf etwa 70 Pfund kamen.
Siehe auch: Astronomische Navigation, Navigation, Astrogeodäsie
Literatur
- Dava Sobel: Längengrad. btb Taschenbuch, 1998. ISBN 3-442-72318-3. (Engl. Orig.: "Longitude", 1995)
Weblinks
- Harrisons H1 bis H4 (englisch)
- Harrisons H5, The Science Museum (englisch)
- The Worshipful Company of Clockmakers - Die Londoner Uhrmachergilde besitzt die umfangreichste Harrison-Sammlung außerhalb des National Maritime Museum, Greenwich (englisch)
- ZDF-Dokumentation Von der Zeitmessung zur Positionsbestimmung (deutsch)
Personendaten | |
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NAME | Harrison, John |
KURZBESCHREIBUNG | Uhrmacher, Erfinder der Hemmung und der Temperaturkompensation |
GEBURTSDATUM | 24. März 1693 |
GEBURTSORT | Foulby near Wakefield Yorkshire |
STERBEDATUM | 24. März 1776 |
STERBEORT | London |