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Ius primae noctis

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Mit Ius primae noctis(lat.), auch Jus primae noctis, wird das Recht der ersten Nacht eines Gutsherren, bei der Heirat von Hörigen auf die erste Nacht mit der Braut bezeichnet. Dieses Recht war Ausdruck der Leibeigenschaft, der völligen persönlichen Abhängigkeit der Bauern von ihrem Gutsherren.

Der Leibeigene, der als Zubehör zum Boden galt, bedurfte zur Verheiratung der Erlaubnis seines Herrn und musste ihm dafür Geschenke machen. Als höchster Ausdruck seiner Abhängigkeit galt seine Verpflichtung, nach der Hochzeit dem Grundherrn seine Frau für die erste Nacht zu überlassen. Der Grundherr darf diese also entjungfern, bzw. im Regelfall vergewaltigen.

Wie weit das ius primae noctis verbreitet war und in welchem Ausmaß die Grundherren von ihm Gebrauch machten, ist umstritten. Gelegentlich wird es in mittelalterlichen Urkunden bezeugt („sol der brütgam den meier bi sinem wip ligen laßen die erste nacht oder er si lösen mit 5 sh. 4 pf.“ - „soll der Bräutigam den Gutsherren die erste Nacht bei seinem Weib liegen lassen oder sie mit 5 Schillingen 4 Pfennigen auslösen“). Dieses Recht wurde später allgemein in Form des Jungfernzinses ersetzt.

Von einer allgemein üblichen Erscheinungsform mittelalterlichen Rechtlebens kann aber wohl nicht gesprochen werden.

Das ius primae noctis scheint als Bestandteil des europäischen Feudalismus seit dem 13. Jahrhundert belegt zu sein; die Historiker sind sich jedoch einig, dass es sich dabei häufig auch um eine juristisch-literarische Fiktion handelt, also um einen Mythos, der mehr über das Bild der Neuzeit vom Mittelalter verrät als über das Mittelalter selbst. Dies wurde offenbar besonders von den französischen Aufklärern zum Argument gegen den Adel instrumentalisiert.

Zur Frage der tatsächlichen Ausübung des Rechts der ersten Nacht siehe auch die Ausführungen zur Zürcher Gemeinde Maur.

In der englischen Literatur hat das ius primae noctis eher eine mythische Natur und seine Existenz im damaligen englischen bzw. schottischen Alltag ist nicht belegt. [1]


Im Roman 1984 (Roman) von George Orwell wird das ius primae noctis erwähnt (Teil 1, Kapitel 7):

There was also something called the jus primae noctis which would probably not be mentioned in a textbook for children. It was the law by which every capitalist had the right to sleep with any woman working in one of his factories.

In dem Kinderbuch wird suggeriert, dass die Revolution in Oceania die Ausübung des ius primae noctis abgeschafft habe; dies soll die gute, gerechte und menschliche Seite der Revolution zeigen (und damit die des heutigen totalitären Staates).

Ebenso liegt das "ius primae noctis" der Oper "Die Hochzeit des Figaros" von W. A. Mozart zu Grunde.

Literatur

  • Boureau, Alain: Das Recht der Ersten Nacht. Zur Geschichte einer Fiktion. Düsseldorf: Patmos, 2000, ISBN 3538070431 oder ISBN 3491960029
  • Wettlaufer, Jörg: Das Herrenrecht der ersten Nacht. Hochzeit, Herrschaft und Heiratzins im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Frankfurt-New York: Campus, 1998, ISBN 3593363089 Buchrezension