Wittmar
Wittmar, ein alter Bergarbeiterort in der Asse (Landkreis Wolfenbüttel)
Schon der Name der 757 Jahre alten Gemeinde Wittmar ist einzigartig in Deutschland. Er setzt sich zusammen aus dem niederdeutschen Wort witt, gleich weiß, und dem althochdeutschen mär, gleich sumpfige Gegend. Aber auch sonst hat die kleine Gemeinde am Rande der Asse im Landkreis Wolfenbüttel einige Besonderheiten zu bieten. Einen Spaziergang durch Wittmar beginnt der Besucher am besten in der Asse an der Bismarcksäule, die sich beim Befahren der Bundesstraße 79 Richtung Halberstadt plötzlich aus dem Assewald erhebt. Von der Aussichtsplattform der Säule hat man nicht nur einen hervorragenden Blick ins Harzvoriand, sondern einen einzigartigen Blick auf Wittmar. Ehe man sich in den Asse Ort begibt, sollte man noch einen Abstecher zu den gerade einmal 200 Meter von der Bismarcksäule entfernten Überresten der von Gunzelin von Wolfenbüttel erbauten Asseburg machen. Die Burg wurde 1218 fertig gestellt und 1492 zerstört. Über die Hainbuchen Liebesallee gelangt der Wittmar Besucher dann an den Asserand, wo seit mehr als 150 Jahren die „Waldwirtschaft zur Asse" auf dem Grund des alten, 1834 abgerissenen alten Försterhauses steht. Am zweiten Pfingststag wurde hier bis in die 60erJahre unseres Jahrhunderts hinein regelmäßig ein Heiratsmarkt veranstaltet. Ebenfalls am Rande des Assewaldes, etwas näher am Dorfe, wurde 1810 ein neues Forsthaus errichtet. Neben der Wohnung für den Förster und seine Familie wurde ein Zimmer für den Landesherren vorgesehen. Es heißt, dass dieses kleine Fürstenschloss, das von dem bekannten Braunschweiger Architekten Carl Ottmer erbaut wurde, einst auch als Liebesnest des Herzogs diente. Dieses von Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg geplante Haus ist noch heute Sitz der Revierförsterei Asse.
Begibt sich der Wittmar-Besucher dann in das eigentliche Dorf hinunter, so wird er kein typisches Bauerndorf vorfinden. Wittmars Dorfbild und Entwicklung ist nämlich von seiner Geschichte als Bergbauort geprägt. Diese Geschichte begann am 25. März 1899 mit dem ersten Spatenstich zum Kalibergbau in der Nähe der heutigen Assewirtschaft. Damals hatte Wittmar 180 Einwohner, sechs Jahre nach dem Spatenstich waren es bereits 850 (heute 1290). Am Asseweg und an der Bismarckstraße hatten die Angestellten ihre großen Wohnungen, schon damals mit Innentoilette. Die einfachen Arbeiter lebten in den kleinen Wohnungen an der Bahnhofstraße, mit Außentoilette und kleinem Stall. Der Bergwerksdirektor residierte damals in einer Villa direkt neben der Schachtanlage an der heutigen Kastanienallee. Direkt neben dem Direktorenhaus steht auch heute noch eine Doppel-Villa, die vom Betriebsleiter und dem leitenden Ingenieur und deren Familien bewohnt wurde. Von den Bergleuten wurde 1939 auch in 10665 freiwilligen Arbeitsstunden ein Waldschwimmbad gebaut, das jedoch nur einen Sommer lang betrieben wurde, da ständig das Wasser aus dem undichten Becken auslief. Im Juli 1906 brach Wasser in den Schacht ein und die Förderung musste eingestellt werden. Ein neuer Schacht wurde bei Remlingen niedergebracht. Über eine Seilbahn wurde das Salz zur Fabrik nach Wittmar befördert. Bereits 1908 konnte die Produktion im Werk Wittmar fortgesetzt werden. Die Krisen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg in der Kaliindustrie waren aber auch hier zu spüren, die Produktion wurde auf Steinsalz umgestellt. Das beliebte ASSE-SONNENSALZ wurde in viele Länder Europas exportiert.
Mit der Schließung des Bergwerks 1964 endete die beachtliche Geschichte des Bergbaus in Wittmar. Nur noch ein Förderwagen im Dorf und der Bergwerksverein erinnern heute noch an die Zeit des Bergbaus in Wittmar. Allerdings leben einige Bergwerksmitarbeiter aus dem benachbarten Asse Schacht II in Remlingen, dem ersten deutschen Atommüll-Endlager, das noch bis zum Jahre 2010 mit Steinsalz verfüllt wird, in Wittmar. Heutzutage besteht Wittmars Wirtschaft nur noch aus dem Abfüllbetrieb eines Wolfenbütteler Spirituosenherstellers. Den Spaziergang durch den Ort sollte man nicht abschließen, ohne die Kirche (seit 1850 nach einem Blitzeinschlag ohne Kirchturm) besichtigt zu haben. Und auch eines der ältesten bewohnten Häuser in der Region Braunschweig, das Bergfried genannte mehr als 500 Jahre alte Haus, früher auch Wegegeld-Einnahmestation, lohnt im alten Dorf einen Besuch.
Bei Aushebungsarbeiten am Buchenweg stieß der Baggerführer am 29. Mai 1976 unvermittelt auf Knochen. Dies war der Auftakt zu umfangreichen Ausgrabungen, die ein jungsteinzeiltliches Gräberfeld der Bandkeramiker aus dem 4. Jh. vor Christus und einen spätbronzezeitlichen Siedlungsplatz zutage förderten. Auf 1600 qm wurden in 40-80 zenntimeter Tiefe 45 jungsteinzeitliche Körpergräber mit reichen Beigaben und Tierknochen entdeckt. Für Bandkeramiker sprechen die in linksseitiger Ost-West-Hocklage oder rechtsseitiger West-ost hocklage gefundenen Skelette mit Gefäßbeigaben, Steingeräten und Muschelschmuck. Auf eine noch ältere Bestattung deuten Skelette in gestreckter Rückenlage und differenzierter Armhaltung.