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Stalinistische Parteisäuberungen in Albanien

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Liste beteiligter Personen

Allgemein

Durchführende

Opfer

Sonstige

Rahmen

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es in den unter sowjetischem Einfluss stehenden Ostblockstaaten zu einer von Stalin initiierten Welle von Säuberungen innerhalb der kommunistischen Parteien Albaniens, Bulgariens, der DDR, Polens, Rumäniens, der Tschechoslowakei und Ungarns. Inhaltlich dienten sie analog zu den Moskauer Prozessen während der Großen Säuberung in den 1930er-Jahren der Beseitigung politischen Abweichler innerhalb der kommunistischen Bewegung und als Kampf- und Propagandainstrument in der seit 1948 öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung mit dem jugoslawischen Partei- und Staatsführer Josip Broz Tito. Zeitlich begannen diese Säuberungen mit dem Verfahren gegen den hohen albanischen Partei- und Staatsfunktionär Koçi Xoxe im Mai 1949.

Vorgeschichte

Die Kommunistische Partei Albaniens wurde 1941 unter Anleitung der jugoslawischen KP gegründet und blieb bis zum Bruch zwischen Tito und Stalin ein Satellit der jugoslawischen Schwesterpartei. Von Anfang an war die KP Albaniens in zwei Fraktionen gespalten: Einerseits die sogenannten „Arbeiter“ unter Führung von Koçi Xoxe, Politbüromitglied, Vizepremier, Innenminister und Leiter des Staatssicherheitsdienstes Sigurimi, auf der anderen Seite die sogenannten „Intellektuellen“ oder „Gemäßigten“ um Generalstabschef Mehmet Shehu, den Kultur- und Propagandaminister Sejfulla Malëshova und Wirtschaftsplanungschef Nako Spiru, ebenfalls alle Politbüromitglieder.

Im Februar 1946 beschuldigte Xoxe mit jugoslawischer Rückendeckung Malëshova und seine Anhänger als „Rechtsabweicher“ und „Jugoslawienfeinde“. Malëshova verlor seine Partei- und Staatsfunktionen und mußte bis zu seinem Tod 1971 als Lagerist arbeiten. KP-Generalsekretär und Ministerpräsident Enver Hoxha, der zunächst zwischen den beiden Flügeln stand, fürchtete einen von Tito gesteuerten Machtkampf um die Führung der albanischen KP und trat an die Spitze der Xoxe-feindlichen Fraktion, ohne sich aber zunächst gegen diesen behaupten zu können. In einem von Xoxe durchgesetzten Freundschaftsvertrag vom Juli 1946 wurde eine Verschmelzung der Wirtschaftssysteme Albaniens und Jugoslawiens vereinbart. Endziel war die Eingliederung Albaniens in die Jugoslawische Föderation. Versuche Hoxhas und Spirus, die Verträge zu revidieren, scheiterten 1947. Als Gegengewicht schlossen sie im Juli 1947 ein Wirtschaftsabkommen mit der Sowjetunion.

Im Gegenzug hatte Xoxe bereits im Mai 1947 neun als Antijugoslawen bekannte Mitglieder der Volksversammlung verhaften, vor das Volksgericht stellen und wegen „staatsfeindlicher Tätigkeit“ zu langen Haftstrafen verurteilen lassen. Mit Rückendeckung durch Tito, der in Briefen an die albanische KP Hoxha und Spiru angriff, beschuldigte Xoxe im November 1947 Nako Spiru auf einer Sitzung des Zentralkomitees der „parteifeindlichen, nationalistischen Tätigkeit“. Tags darauf fand man ihn erschossen in seiner Wohnung. Auf dem VIII. Plenum des ZK im März 1948 wurde schließlich auf Druck Xoxes Mehmet Shehu seines Postens enthoben und zahlreiche Anhänger Enver Hoxhas aus dem ZK ausgeschlossen. Hoxha selbst konnte seine Absetzung nur durch eine öffentliche Selbstkritik verhindern. Abschließend votierte das Plenum für die Vereinigung der albanischen Wirtschaft und Armee mit Jugoslawien.

Ablauf

Mit Rückendeckung durch Stalin von Hoxha angegriffen, übte Xoxe seinerseits Selbstkritik, in der er seine Treue zur Sowjetunion beteuerte, und wies den von ihm geführten Staatssicherheitsdienst an, alle „Titoisten“ zu verhaften – allerdings vergeblich. Er wurde als Innenminister abgesetzt und verlor so seinen Einfluss auf den albanischen Geheimdienst. Die von ihm verfolgten Parteifunktionäre wurden rehabilitiert und im Gegenzug Xoxes Anhänger von ihren Posten entfernt. Am 31. Oktober 1948 verlor der zunächst ins Industrieministerium versetzte Xoxe seine Partei- und Regierungsämter und wurde am 22. November aus der KP ausgeschlossen und verhaftet, genauso wie mehrere Dutzend seiner Anhänger mit dem Politbüromitglied Pandi Kristo an der Spitze. Nachfolger Xoxes als Innenminister und Staatssicherheitschef wurde Mehmet Shehu, der sofort begann, den Geheimdienst mit Hilfe sowjetischer Berater umzubauen.

Die Beteiligung sowjetischer Berater veränderte die Form der innerparteilichen Fraktionskämpfe der albanischen KP, in der Schauprozesse bislang unbekannt waren. Allerdings hatten parteiinternen Auseinandersetzungen entsprechend der alten Vendetta-Tradition des Landes schon immer eine besonders gewalttätige Ausprägung. So war Lazar Fundo[1], einer der Mitbegründer der kommunistischen Bewegung, 1944 von linientreuen Genossen in Gegenwart von Mitgliedern der alliierten Militärmission als „Trotzkist“ zu Tode geprügelt worden. Und Politbüromitglied Mustafa Gjinishi, der im Parteiauftrag ein Abkommen mit den bürgerlichen Widerstandsgruppen geschlossen hatte, wurde nach dem Widerruf des Vertrages zunächst zwar nur aus der Partei ausgeschlossen, aber dann von Liri Gega, der einzigen Frau im albanischen Zentralkomitee, als „britischer Agent“ ermordete.[2] Gega selbst wurde 1956 hochschwanger[3] als „Titoistin“ erschossen.[4]


„Stalin konnte Tito nicht stürzen oder physisch liquidieren, also musste Xoxe stellvertretend sterben. Er war kein erfundener ‚Titoist’ wie seine Nachfolger an den Galgen von Budapest, Sofia, Prag und Bukarest, in den Kellern Warschaus und Ostberlins, sondern ein Titoist ohne Anführungszeichen: der Vertrauensmann Jugoslawiens in der albanischen KP. Xoxe war eine Ausnahme, mit der die Regel begann.“[5]

Aufarbeitung

Als einziges kommunistisches Ostblockland blieb Albanien trotz aller politischen Richtungswechsel dem Stalinismus treu. Bis zum Ende des kommunistischen Regimes 1991 wurde kein Opfer der Säuberungen rehabilitiert.

Literatur

  • Ivo Banac. With Stalin against Tito. Cominformist Splits in Yugoslav Communism. New York: Cornell University Press, 1988. ISBN 978-0-8014-2186-0 (Google books)
  • George Hermann Hodos: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948- 1954. Berlin: AtV, 2001. ISBN 3-7466-8051-4
  • Nicholas C. Pano: The People´s Republik of Albania. Baltimore: Johns Hopkins Press, 1968.
  • Robert Lee Wolff: The Balkans in Our Time. Cambridge: Harvard University Press, 1970.
  • Miranda Vickers: The Albanians: A Modern History. London: I.B.Tauris & Co, 1999. ISBN 1860645410 (Google books)
  • Hermann Weber, Ulrich Mählert (Hg.): Terror. Stalinistische Parteisäuberungen 1936-1953. Paderborn: Schöningh, 1998. ISBN 3-506-75335-5; (erweiterte Sonderausgabe 2001. ISBN 3-506-75336-3)
  • Hermann Weber, Dietrich Staritz (Hg.): Kommunisten verfolgen Kommunisten. Berlin: Akademie Verlag, 1993. ISBN 3-0500-2259-0

Einzelnachweise

  1. Biografie Fundos (italienisch)
  2. s. Owen Pearson: Albania in the Twentieth Century, a History. Vol. II: Albania in Occupation and War. London 2006, S. 380f.; Enver Hoxha: The Anglo-American Threat to Albania. Tirana 1982, S. 173-224; G. H. Hodos: Schauprozesse. Berlin 2001, S. 30.
  3. was Hosha heftig bestritt: s. Enver Hoxha: Reject the Revisionist Theses of the XX Congress of the Communist Party of the Soviet Union and the Anti-Marxist Stand of Krushchev's Group! Uphold Marxism-Leninism! Rede v. 16. November 1960; William E. Griffith: The November 1960 Moscow Meeting: A Preliminary Reconstruction. In: The China Quarterly 11 (1962), S. 38-57.
  4. s.a. Slobodan Stankovic: Albanian People Struggle Against "Policy Of Terror" Belgrade "Borba" Claims. Radio Free Europe Background Report. Yugoslav Special No. 1028/1961 v. 23. März 1961; Carl Gustav Ströhm: Bemerkungen über Albanien. In: Osteuropa 2-3/1963, S. 147-150.
  5. G. H. Hodos: Schauprozesse. Berlin 2001, S. 27.