Freie Kameradschaften
Heutzutage bezeichnen sich parteiunabhängige, neonazistische Gruppen als freie Kameradschaften. Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen um äußerst militant auftretende Personen mit faschistoidem Gedankengut.
Es gibt bundesweit über 100 regional und überregional agierende Kameradschaften. Die Gruppen sind autonom, jedoch teilweise untereinander vernetzt. Die wohl bekannteste überregionale Vernetzungsplattform ist das "Freie und Soziale Aktionsbüro Norddeutschland" um Thomas Wulff aus Hamburg. Wulff, ehemaliges Mitglied der verbotenen FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) und seit Anfang der 1980er Jahre aktiver Neonazi, spielt als Anmelder, Redner und Ordnungsdienstkoordinator eine führende Rolle. Als weiterer Kader innerhalb der Kameradschaftsstrukturen, ist der Neonazi und Millionen-Erbe Christian Worch zu betrachten. Worch, ehemaliges Mitglied der ANS/NA und der (Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF), tritt bei Versammlungen als Redner und Anmelder auf. Weiterhin ist er innerhalb der Neonazi-Szene hoch angesehen; bezeichnet sich selber als "Meinungsführer".
Das Konzept der "freien Kameradschaften", deren Mitglieder sich auch als "freie Nationalisten" titulieren, fand Mitte der 90er Jahre enormen Zuspruch, da durch Verbote diverser Parteien und Nazi-Gruppierungen eine Basis des rechten Randes weggebrochen war. Die Kameradschaften sind, anders als Parteien mit festen Mitgliedern, freie Zusammenschlüsse, bei denen Aktivisten in keinem Parteibuch namentlich festgehalten sind und sich eine Rekrutierung neuer Mitglieder aus dem Bekanntenkreis und über rechte Konzerte vollzieht. Eine Kameradschaft ist aus diesen Gründen schwer zu kriminalisieren, bzw. von staatlicher Seite zu verbieten.
Ideologisch berufen sich die "freien Kameradschaften" auf die Weltanschauung der Nationalsozialisten, meist mit direktem Bezug auf die NS-Zeit und deren militärischen und geistigen "Führern". So erfreuen sich ehemalige, u.a. abgeänderte NS-Symbole einer großen Beliebtheit bei den Neonazis. Bei Aufmärschen zum Heldengedenken in räumlicher Nähe zum Soldatenfriedhof in Halbe oder dem Gedenkmarsch zum Tode Rudolf Hess' sind freie Kameradschaften immer und in großer Anzahl vertreten. So marschierten am 31. Januar 2004 an die 1000 Neonazis in Hamburg auf, um gegen die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht des Hamburger Instituts für Sozialforschung zu demonstrieren.
Für die Mobilisierung zu Aufmärschen und für einen regen Informationsaustausch sorgen neben dem Internet die in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ansässigen Freien Infotelefone. Als weitere Informationsquelle und Verbreitungsmöglichkeit von Propaganda ist die Zeitschrift Zentralorgan von überregionaler Bedeutung. Das Freie und Soziale Aktionsbüro Norddeutschland hat außerdem regelmäßigen Kontakt zu skandinavischen und niederländischen Neonazis.
Der bekannteste öffentliche Treffpunkt für organisierte und unorganisierte Neonazis, ist der Club 88 in Neumünster. Die 88 steht als Code für "Heil Hitler" (H als 8er Buchstabe des Alphabets; 88=HH).
Als weiteres Netzwerk mit überregionaler Bedeutung kann der Widerstand West bezeichnet werden. Dazu zählen Kameradschaften aus dem Ruhrgebiet, Ostwestfalen-Lippe, Bonn-Rhein-Sieg, sowie Sauer- und Siegerland. Führende Funktionäre des "Widerstands West" sind Siegfried Borchardt aus Dortmund(ehemaliger Landesvorsitzender der FAP, "Kameradschaft Dortmund", Bindeglied zum Fußball (Borussenfront)); Bernd Stehmann aus Bielefeld (Mitglied der ehemaligen Nationalistischen Front (NF), Aktivist von Blood and Honour); Sven Skoda aus Düsseldorf (Anti-Antifa, Nationales Infotelefon Rheinland, Kameradschaft Düsseldorf, Mitbetreiber der Homepage Düsseldorfer Beobachter); sowie Christian Malcoci (ehemaliges FAP-Mitglied, Mitarbeiter im Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers (KAH), Kandidat für die Kommunalwahl 2002 im niederländischen Kerkade).
Für Ostdeutschland ist das Nationale und Soziale Aktionsbüro Mitteldeutschland als Vernetzungsstruktur vertreten. Trotz einer beachtlichen Masse an neu gegründeten Kameradschaften, ist eine kontinuierliche Organisationsarbeit nur bei wenigen Gruppen zu sehen. Dazu zählen der Thüringer Heimatschutz (THS), der Selbstschutz Sachsen Anhalt (SSSA) und die Kameradschaft Germania. Die Kameradschaftsszene in Ostdeutschland kann vielerorts auf eine breite rechtsextreme Jugendkultur zurückgreifen und ist dadurch in einigen Gemeinden fast gesellschaftlich akzeptiert. Ein offen deklariertes Ziel der Kameradschaften ist die Schaffung von so genannten National befreiten Zonen, also Straßen bis hin zu ganzen Stadtteilen, die für ausländische Mitbürger, Homosexuelle und Andersdenkende nicht zu betreten sind.
Führende Kader des Freien und Sozialen Akktionsbüros Mitteldeutschland sind Steffen Hupka (Nationalistische Front (NF) und Nachfolgeorganisationen, ehemaliger NPD-Funktionär, Anmelder und Organisator von Aufmärschen, führt Schulungen mit nationalsozialistischen Inhalten durch); Oliver Schweigert (Mitglied der ehemaligen Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF), Organisator von Aufmärschen und Veranstaltungen, Anti-Antifa, Ordner bei Aufmärschen); und Mirco Appelt (Selbstschutz Sachsen Anhalt (SSSA), Anmelder von Aufmärschen).