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Kasberger Linde

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Die neue (mitte-links) und alte (rechts) Kasberger Linde im Mai 2005
Linde bei Kasberg (Deutschland)
Linde bei
Kasberg (Deutschland)
Linde bei
Kasberg ohne Koordinaten
Standort der Linde in Deutschland

Die Kasberger Linde (auch Kunigundenlinde oder Franzosenlinde genannt) ist eine Stein- oder Winter-Linde (Tilia cordata) bei Kasberg, einem Stadtteil von Gräfenberg im Landkreis Forchheim. Sie ist ein Naturdenkmal und zählt zu den ältesten Bäumen in Deutschland. Bei ihr wurden in historischer Zeit Gerichtstage abgehalten. Bei einem Vergleich mit anderen sehr alten Bäumen erscheint es möglich, dass die Linde aus der Zeit der Karolinger oder gar der Vorkarolingerzeit stammt. Einer Sage zufolge soll die heilige Kaiserin Kunigunde, die Gemahlin von Kaiser Heinrich II., vor etwa 1000 Jahren die Linde eigenhändig gepflanzt haben[1] oder soll dort bestattet sein.[2]

Beschreibung

Mehrfach abgestützter Stammfragment

Der Baum ist völlig ausgehöhlt, verwittert und stark nach Westen geneigt. Die Linde wird von mehreren Eisen- und Holzstangen gestützt und der stark zerklüftete Schaft der Linde wird mit Eisenklammern und Gewindestäben zusammengehalten. Die Linde, die mindestens seit 1976 als Naturdenkmal ausgewiesen ist[3], stellt ein Phänomen dar, da sie praktisch ohne Stamm, völlig hohl, nur von ihrer Rinde lebt. Sie besteht nur noch aus einem abgestützten Hauptast, wobei die Zweige bis in die Spitze noch gut belaubt sind. Sie ist inzwischen sowohl von Weiden als auch Misteln bewachsen. In unmittelbarer Nähe steht eine weitere Linde mit einem Alter von etwa 100 bis 150 Jahren, die als Ersatzbaum dienen soll, damit weiterhin an dieser geschichtsträchtigen Stelle ein prägnanter Baum steht.[4] August Sieghardt berichtete im August 1970 über die Kasberger Linde in Fränkische Schweiz – Landschaft, Geschichte, Kultur und Kunst, wobei er die Höhlung des Stammes als so groß beschrieb, „daß sich darin ein Reiter mit seinem Pferd leicht umdrehen kann“[5]. Den Stamm wiederum gab er als in vier Teile zerrissen, mit einem Umfang von nicht weniger als 16 Metern an. Der Hohlraum hatte nach seinen Angaben eine Größe von drei Metern und der mittlere Durchmesser der Linde war 4,5 Meter. Der Durchmesser der Krone betrug 20 und die Höhe 12 Meter.[5]

Standort

Die Linde steht auf einem Hochplateau des Jura in etwa 510 Meter Höhe über Normalnull, direkt am westlichen Rand der Gemeinde Kasberg. Kasberg liegt am südlichen Rand der Fränkischen Schweiz, drei Kilometer nordwestlich von Gräfenberg und etwa 25 Kilometer nordöstlich von Nürnberg. Der Boden um die Linde ist steinig mit wenig Mergel und arm an Nährstoffen. Die Linde steht auf einer Wiese zwischen zwei sich treffenden Straßen, von denen eine in den Ort führt und die andere Gräfenberg mit Leutenbach verbindet.

Stammumfang

Beide Linden im Jahre 2007

Die Linde wurde zwar im 20. Jahrhundert zweimal fachgerecht saniert, trotzdem schrumpft sie von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr. Der Umfang betrug 1987 noch 11,2 Meter, davon sind heute nur noch knapp acht Meter übrig geblieben. Wenn man den völlig zerklüfteten Stamm rekonstruieren könnte, hätte er einen Umfang von 16 Metern.[6] Hans Joachim Fröhlich, der Initiator des Kuratoriums Alte liebenswerte Bäume in Deutschland e. V. gab im Jahre 1990 einen Stammumfang von 15,8 Metern, in 1,3 Meter Höhe gemessen, an.[7] Messungen an der Stelle des geringsten Durchmessers, um die verbliebenen Stammreste herum, ergaben 4,6 Meter.[1]

Alter

Zum Alter der Linde gibt es in der Literatur verschiedene Angaben. Bedingt durch den nährstoffarmen Boden dürfte das Wachstum nur sehr langsam verlaufen sein.[1] Die Linde zeigt eine starke Regenerationsfähigkeit, was ebenfalls auf ein hohes Alter hinweist.[6] Da an dem hohlen Stamm aus dendrologischer Sicht keine Jahresringzählungen möglich sind, bleibt das tatsächliche Alter der Linde unbekannt.[8] Auch eine Altersbestimmung über den Gehalt an radioaktivem Kohlenstoff (Radiokohlenstoffdatierung, auch 14C-Datierung genannt) ist bei einem so alten Baum problematisch, da die ältesten Holzteile im inneren Bereich des Stammes für eine Altersdatierung fehlen.[9]

Nach Angaben in der Literatur wäre die Linde über 1000 Jahre alt, davon schon mindestens 200 Jahre, eventuell bis zu 500 Jahre hohl.[10] Diese Altersangabe deckt sich mit einem Sprichwort über Linden: 300 Jahre kommt sie, 300 Jahre steht sie, 300 Jahre vergeht sie.[11] Fröhlich[12] und Brunner[13] gaben für die Linde im Jahre 1990 und 2007 ebenfalls ein Alter von 1000 Jahren an. Das Deutsche Baumarchiv, das in seinen Altersangaben eher pessimistisch ist[11], bezeichnete jedoch im Jahre 2007 das Alter der Linde mit nur 500 bis 580 Jahren.[1]

Geschichte

Hohler Stamm der alten Linde

Der Landrichter von Auerbach in der Oberpfalz soll im 13. Jahrhundert „zu Kasberg bei der noch stehenden Linde unter dem freien Himmel Schrannengericht mit ganzem Gerichtsstab“[14] abgehalten haben. Nach der Kasberger Ortschronik von 1920 soll der Sulzbacher Landrichter Volkelt von Taun um 1360 ebenfalls unter der Linde Gerichtstage abgehalten haben. Bei beiden Aussagen ist allerdings fraglich, ob es sich um die heutige Linde handelte. Aussagen wie der noch stehenden Linde deuten auf einen Baum hin, der kurz vor dem Verenden stand. Dorf- und Flurnamen weisen darauf hin, dass noch vor dieser Zeit wahrscheinlich Landtage abgehalten worden sind. [2]

1902 erwähnte der Pionier und Baumfotograf Friedrich Stützer, dass: „vor etwa 50 Jahren noch zwei große Linden neben unserer Linde gestanden haben“ (also um 1850).[14] Im Widerspruch dazu steht allerdings ein älteres Dokument aus dem Jahr 1764. Im Allgemeinen Oekonomischen Forst-Magazin wurden nur zwei mächtige Linden erwähnt, die untere und die obere Linde. Die obere Linde wurde als völlig hohl beschrieben und sei schon zweimal ausgebrannt gewesen. Einige Jahre vorher soll sogar ein ziemlich großer Mann hindurchgeritten sein. Der Umfang dieser Linde wurde mit 45 Schuh (rund 13,5 Meter) und einer Höhe von 60 Schuh (18 Meter) angegeben. Diese Angaben passen recht gut zur heutigen Linde. Die untere Linde sei einige Schritte entfernt gestanden und habe von außen noch völlig gesund ausgesehen. Der Umfang wurde mit 28 Schuh (rund 8,4 Meter) bei einer Höhe von 70 Schuh (21 Meter) angegeben. Diese Angaben aus verschiedenen Zeiten lassen den Verdacht aufkommen, dass im Laufe der Jahrhunderte auf dem historischen Gerichtsplatz verschiedene Linden als Alte Linde gegolten haben. Am wahrscheinlichsten ist, dass die untere Linde aus dem Jahre 1764, die damals 8,4 Meter Umfang hatte, die heutige Kasberger Linde ist. [15]

Stützer zeigte 1900 in seinem Baumbuch Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild eine Abbildung der Linde mit einem hohlen, geteilten Stamm, dessen unterer Kronenbereich noch vollständig vorhanden war. Er verwies auch auf eine von Pfarrer Adler 1850 veröffentlichte Chronik von Gräfenberg. Darin beschrieb der Pfarrer, dass man durch die auf drei Seiten geöffnete Höhlung der Linde bequem reiten konnte. [16]

Sanierung

Im Sommer 1913 wurde die Linde saniert, wobei der Bezirk Oberfranken und die Ortsgemeinde Kasberg die Kosten trugen. Dabei wurden die Äste der Linde abgestützt, der Hohlraum des Stammes wurde behandelt und der Baum eingezäunt. Im Jahre 1976 sanierte der Baumdoktor Michael Maurer aus Röthenbach an der Pegnitz erneut die Linde [4]

Erzählungen

Abgestützter Ast der (alten) Kasberger Linde, 2005

An der Linde zogen verschiedentlich Kriegsheere vorbei, wie die Soldaten der deutschen Kaiser und Könige, Söldner des Markgrafen Albrecht Alcibiades im 16. Jahrhundert, im Dreißigjährigen Krieg die Soldaten Tillys und Gustav Adolfs.[13] 1795 lagerten im ersten Koalitionskrieg unter der Linde ungarische Soldaten, wobei sich ein Husar mit seinem Pferd so geschickt in der Linde versteckte, dass er nicht zu erkennen war, und so den Feinden entkommen konnte.[13] Soldaten des geschlagenen Generals Jean-Baptiste Jourdan sollen 1796, als französische Truppen erstmals durch Kasberg zogen, mit einer Kanone auf die Linde geschossen haben, weswegen die Linde im Volksmund auch Franzosenlinde genannt wird.[2] Die Beschießung der Linde wurde allerdings von einem Oberst untersagt, der mit seinem Pferd in die Linde ritt und darin sein Pferd wendete.[4] In unmittelbarer Nähe der Linde fanden Kämpfe kaiserlicher Regimenter mit Truppen von Augereau statt und während der Napoleonischen Kriege, Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, befanden sich französische, kaiserliche und russische Soldaten dort.[17] Bei einem weiteren Ritt französischer Soldaten durch Kasberg im Jahre 1806 wurde die Linde in Brand gesteckt, wobei der Stamm durch das unter dem Baum entfachte Feuer schwer beschädigt wurde.[4] Der Baum wurde allerdings nicht völlig zerstört.

Die Linde ist heute nur noch ein Schatten ehemaliger Größe. In der Chronik von Gräfenberg von 1850 heißt es, dass ein Reiter mit Pferd und Waffen bequem durch die Linde hindurchreiten könne.[4] Kasberger Einwohner tanzten früher an Festtagen öfters in der Linde, wobei sich sechs Tanzpaare ungehindert im Hohlraum der Linde drehen konnten.[18] Überlieferungen nach soll sich früher auch eine Holzplattform in der Krone befunden haben, worauf getanzt worden ist.[17]

Siehe auch

Literatur

  • Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands Alte Bäume. BLV Verlagsgesellschaft mbH München Wien Zürich, München 2002, Seite 128–129, ISBN 3-405-16107-X.
  • Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Cornelia Ahlering Verlag, Buchholz 2000, Seite 288–289, ISBN 3-926600-05-5
  • Hans Joachim Fröhlich: Wege zu alten Bäumen – Band 2, Bayern. Widi-Druck, Offenbach 1990, Seite 21–22 und 81, ISBN 3-926181-09-5
  • Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Verlagsbuchhandlung KG, Königstein im Taunus 2005, Seite 47–48, ISBN 3-7845-4520-3
  • Hartwig Goerss: Unsere Baumveteranen. Landbuch-Verlag, Hannover 1981, Seite 115–118, ISBN 3-7842-0247-0.
  • Friedrich Stützer: Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild. Piloty & Löhle, München 1900.
  • Michael Brunner: Bedeutende Linden – 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7.
Commons: Gräfenberg – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Stefan Kühn u. a. Deutschlands alte Bäume. Seite 152. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Deutschlands alte Bäume, Seite 152.“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  2. a b c Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Seite 47.
  3. Amtsblatt 1976, Lfd. Nr. 111.
  4. a b c d e Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Seite 48.
  5. a b Hartwig Goerss: Unsere Baumveteranen. Seite 115.
  6. a b Stefan Kühn u. a. Deutschlands alte Bäume. Seite 153.
  7. Hans Joachim Fröhlich: Wege zu alten Bäumen, Band 2 – Bayern. Seite 81.
  8. Hans Joachim Fröhlich: Alte Liebenswerte Bäume in Deutschland. Seite 22.
  9. Michel Brunner: Bedeutende Linden – 400 Baumriesen Deutschlands. Seite 316.
  10. Hans Joachim Fröhlich: Alte Liebenswerte Bäume in Deutschland. Seite 288.
  11. a b Stefan Kühn u. a. Deutschlands alte Bäume. Seite 10.
  12. Hans Joachim Fröhlich: Wege zu alten Bäumen, Band 2 – Bayern. Seite 81.
  13. a b c Michel Brunner: Bedeutende Linden – 400 Baumriesen Deutschlands. Seite 70.
  14. a b Stefan Kühn u. a. Deutschlands alte Bäume. Seite 153.
  15. Stefan Kühn u. a. Deutschlands alte Bäume. Seite 152–153.
  16. Friedrich Stützer: Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild. Seite 161 f.
  17. a b Michel Brunner: Bedeutende Linden – 400 Baumriesen Deutschlands. Seite 70.
  18. Hartwig Goerss: Unsere Baumveteranen. Seite 117.

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