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Kernkraftwerk THTR-300

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Kernkraftwerk THTR-300
Trockenkühlturm des THTR-300 (1991 abgerissen)
Trockenkühlturm des THTR-300 (1991 abgerissen)
Lage
Kernkraftwerk THTR-300 (Nordrhein-Westfalen)
Kernkraftwerk THTR-300 (Nordrhein-Westfalen)
Koordinaten 51° 40′ 45″ N, 7° 58′ 18″ OKoordinaten: 51° 40′ 45″ N, 7° 58′ 18″ O
Land Deutschland
Daten
Eigentümer HKG
Betreiber HKG
Projektbeginn 1971
Kommerzieller Betrieb 1. Juni 1987
Stilllegung 20. April 1988

Stillgelegte Reaktoren (Brutto)

1  (308 MW)
Eingespeiste Energie im Jahr 1988 1.083 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 2.756 GWh
Website Offizielle Seite
Stand 6. Okt. 2006
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk THTR-300 (Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktor) war ein heliumgekühlter Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop (Nordrhein-Westfalen) mit einer elektrischen Leistung von 300 Megawatt. Er wurde 1983 in Betrieb genommen und im September 1989 endgültig stillgelegt. Der THTR-300 diente als Prototyp für Hochtemperaturreaktoren (HTR). Die Errichtung kostete 2,05 Milliarden Euro. Stilllegung und der sichere Einschluss bis mindestens 2027 kosten 425 Millionen Euro.

Funktionsweise

Bei einem Thorium-Hochtemperaturreaktor ist Thorium-232 in tennisballgroßen Graphitkugeln eingebettet (daher auch Kugelhaufenreaktor), die von Helium als Reaktorkühlmittel gekühlt werden. Aus Thorium-232 entsteht durch Neutroneneinfang der Kernbrennstoff Uran-233. Anfangs muss dennoch etwas Uran-233 oder ein anderer Kernbrennstoff vorhanden sein, damit die Reaktion beginnen kann. Das Helium wird dabei auf ca. 1000 °C erwärmt und erzeugt über einen Wärmeübertrager den Wasserdampf für eine Dampfturbine, die mithilfe eines Drehstromgenerators elektrischen Strom ins Stromnetz einspeist.

Bau und Betrieb

Das Kernkraftwerk THTR-300, eine Abkürzung für Thorium-Hochtemperaturreaktor mit 300 Megawatt elektrischer Leistung, wurde von der HKG Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH Hamm-Schmehausen von 1970 bis 1983 aufgrund immer strengerer neuer Auflagen und Genehmigungsverfahren erst spät fertiggestellt.

Eingeweiht wurde er vom damaligen Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber und am 13. September 1983 zum ersten Mal mit einer sich selbst erhaltenden Kettenreaktion in Betrieb genommen. Erst am 9. April 1985 aber wurde die Teilgenehmigung der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde erteilt. Am 16. November 1985 wurde der erste Strom ins Netz eingespeist.

Der THTR-300 war als kommerzielles Kernkraftwerk zur Erzeugung elektrischer Energie ausgelegt und vergleichbar mit dem Reaktor im Kernkraftwerk Fort St. Vrain (kein Kugelhaufenreaktor, sondern ein so genannter Block-Type-HTR) in den USA. Er hatte einen heliumgekühlten Hochtemperaturreaktor mit Kugelhaufenkern aus ca. 670.000 rund sechs Zentimeter großen Kugelbrennelementen aus Uran-235 und Thorium-232 mit Kernwandungen aus Graphit.

Er wurde von dem bauausführenden Unternehmenskonsortium, bestehend aus den Firmen Brown, Boveri & Cie (BBC), deren Tochter Hochtemperatur Reaktorbau GmbH (HRB) und der Nukem GmbH als ein integrierter heliumdichter Druckbehälter aus Spannbeton ausgeführt und konnte einem Innendruck von etwa 40 bar standhalten. Die thermische Leistung des Reaktors betrug 750 Megawatt und wurde dazu benutzt, über eine Dampfturbinenanlage eine elektrische Leistung von 308 Megawatt zu produzieren. Die Abwärme aus dem Kraftwerksprozess wurde über einen Trockenkühlturm an die Umwelt abgeführt.

Probleme und Stilllegung

Der THTR-300 galt aufgrund des Funktionsprinzips, bei dem keine Kernschmelze auftreten kann, als wesentlich sicherer als andere Reaktortypen. Doch es gab technische Probleme, z. B. war der Kugelbruch aufgrund der von oben in den Kugelhaufen eingeführten Adsorberstäbe wesentlich höher als vorausberechnet und die Herstellung sowie Wiederaufbereitung der Thorium-Kugelbrennelemente war nicht garantiert. (Daher werden die geplanten zukünftigen Hochtemperaturreaktoren in Südafrika ohne Wiederaufarbeitung geplant. Dieser Nachteil soll durch einen wesentlichen höheren Abbrand, d. h. eine bessere Ausnutzung des vorhandenen Kernbrennstoffs im Vergleich zu den üblichen Abbränden in wassermoderierten Reaktoren, kompensiert werden.)

Neben den genannten Problemen führten ein Störfall mit Austritt von Radioaktivität am 4. Mai 1986[1] sowie sicherheitsrelevante und wirtschaftliche Überlegungen dazu, dass am 1. September 1989 die Stilllegung des THTR-300 beschlossen wurde. Am 10. September 1991 wurde der 180 Meter hohe Trockenkühlturm, der damals höchste Kühlturm der Welt, gesprengt und vom 22. Oktober 1993 bis April 1995 wurden die Brennelemente in Castor-Behältern in das Zwischenlager Ahaus transportiert. Überlegungen, den Kühlturm als technisches Denkmal zu erhalten, scheiterten aus Kostengründen.

Der Reaktor selbst wurde bis 1997 in den so genannten „sicheren Einschluss“ überführt und verursacht weiter Kosten in Höhe von 6,5 Mio € jährlich. Er enthält noch ca. 390 Tonnen radioaktive Anlagenbauteile. Frühestens 2027, nach Unterschreiten der relevanten Grenzwerte, kann er endgültig abgerissen werden.

Von 1985 bis 1989 verzeichnete der THTR-300 nur 16.410 Betriebsstunden mit einer abgegebenen elektrischen Energie von 2.891.000 MWh, dies entspricht einer Volllastbetriebsdauer von 423 Tagen (16.410 Stunden = 393,84 Tage).

Bereits 1982 plante eine Firmengruppe aus Brown Boveri & Cie (BBC) und Hochtemperatur Reaktorbau GmbH (HRB) mit dem HTR-500 einen Nachfolger des THTR-300 mit einer thermischen Leistung von 1.250 Megawatt und einer elektrischen Leistung von 500 Megawatt.

In unmittelbarer Nachbarschaft des THTR-300 liegt das Kraftwerk Westfalen.

Daten des Reaktorblocks

Reaktorblock[2] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommerz-
ieller Betrieb
Abschal-
tung
THTR-300 Thorium-Hochtemperaturreaktor 296 MW 308 MW 01.05.1971 16.11.1985 01.06.1987 20.04.1988

Einzelnachweise

  1. Der Spiegel, 24/1986 vom 09.06.1986, Seite 28
  2. Power Reactor Information System der IAEA: „Germany, Federal Republic of: Nuclear Power Reactors“ (englisch)

Siehe auch